Die Gruppe mit den gegenwärtig besten zehn Super-G-Fahrern hatte ihr Tageswerk auf der Piste Kandahar beendet - und Loïc Meillard lag vor Marco Odermatt in Front. Drei Hundertstel war der Neuenburger mit Wohnsitz im Wallis schneller als der Nidwaldner.
Es sah gut aus für das Duo, ein Schweizer Doppelerfolg schien in Griffnähe, der erste in einem Weltcup-Super-G seit über 13 Jahren. Damals in Lake Louise in Kanada hatte der Glarner Tobias Grünenfelder seinen einzigen Sieg auf dieser Ebene errungen und war der Bündner Carlo Janka Zweiter geworden.
Doch das Stöbern in Statistiken erübrigte sich an diesem Samstag bald. Vorerst unterbot Guglielmo Bosca Meillards Zeit um sieben Hundertstel, keine zwei Minuten später drückte der Franzose Nils Allègre die Bestzeit um weitere 18 Hundertstel.
Nichts wars mit Meillards drittem Weltcup-Sieg, dem ersten in einem Super-G. Rang 3 stand für den Romand gleichwohl als Befreiungsschlag, als Erlösung nach einer Zeit, in der vieles nicht gepasst hatte, in der er den Erwartungen, auch den eigenen, selten bis nie gerecht werden konnte, in der er sein hohes Können nie zu entsprechenden Ergebnissen zu nutzen vermochte.
«Die letzten Wochen waren nicht einfach», sagte Meillard nach seinem zweiten Podestplatz in einem Weltcup-Super-G. Im vorletzten Dezember hatte er in Bormio im Veltlin ebenfalls Rang 3 belegt. In Zahlen las sich der bisherige Saisonverlauf so. Am weitesten vorne war Meillard mit Platz 5 im Slalom in Wengen und im Riesenslalom in Schladming klassiert, seine beste Leistung im Super-G wiederum in Bormio brachte ihm Rang 8 ein. Es waren Ansätze von Besserung, mehr aber auch nicht. In den technischen Disziplinen, seinem eigentlichen Kerngebiet, brachte Meillard nie zwei fehlerfreie Fahrten ins Ziel.
Zu den sportlichen Enttäuschungen gesellten sich Materialprobleme. Ein neues Bindungssystem seines Ausrüsters sorgte bei Meillard für zusätzliche Sorgenfalten. Zweimal, in den Riesenslaloms in Sölden, wo das Rennen später abgebrochen wurde, und in Adelboden, sprang die Vorrichtung ohne ersichtlichen Grund während der Fahrt auf, was dem Vertrauen im Allgemeinen und in die neue Errungenschaft im Besonderen nicht förderlich war.
Derartige Probleme, weder sportliche noch betreffend Ausrüstung, kennt Marco Odermatt selbstredend nicht. Er spielt die Rolle des Dominators auch in diesem Winter perfekt. Bei seinem 16. Einsatz seit Saisonbeginn verpasste er eine Klassierung unter den ersten drei erst zum zweiten Mal – auf einer Piste, die seiner Meinung nach eines Weltcup-Rennens «nicht unbedingt würdig war».
Odermatt monierte den kurzen, einfachen Hang und die einfache Kurssetzung. Auf weicher Piste waren es Bedingungen, bei denen er seine technischen Fähigkeiten nicht im gewohnten Umfang ausspielen konnte. Rang 4 bedeutete, dass die Serie von zwölf Podestplätzen in dieser Disziplin endete.
Die besonderen Umstände machten sich die Aussenseiter Allègre und Bosca zunutze. Beide erreichten sie ihren bisherigen Karriere-Höhepunkt im Alter von 30 Jahren, nachdem sie beide durch teils schwere Verletzungen in ihrer Entwicklung mehrfach zurückgeworfen worden waren. Beide hatten sie in diesem Winter schon angedeutet, dass sie fähig sind, mit den Besten mitzuhalten.
Allègre, in Briançon im Südosten Frankreichs beheimatet, egalisierte mit Rang 4 in der ersten Abfahrt in Gröden vor sechs Wochen sein bisheriges Bestergebnis, das er vor knapp drei Jahren ebenfalls in Garmisch ebenfalls im Super-G erreicht hatte. Der gebürtige Mailänder Bosca hatte vor zwei Wochen mit Platz 5 im Super-G in Wengen aufhorchen lassen.
Allègre reifte im Sog von Cyprien Sarrazin zum Siegfahrer. «Er hat uns allen im Team gezeigt, dass es möglich ist, ganz nach vorne zu kommen. Er hat frischen Wind in unsere Gruppe gebracht.» Odermatts grösster Widersacher in den Wochen zuvor musste sich im ersten von zwei Super-G mit Rang 11 bescheiden.
Die Rollen in der Equipe Tricolore waren für einmal vertauscht. Neu sind die Rollen von Allègre und Bosca auch am Sonntag. Im zweiten Super-G auf der Kandahar-Piste gehören sie zur Gruppe der besten zehn. Wie Meillard. (kat/sda)