Der Klimawandel lässt die Gletscher schmelzen. Das hat verheerende Folgen. Veränderungen im Wasserhaushalt, zunehmende Naturgefahren, extreme Wetterereignisse oder Gefahr von Bergstürzen. Keine guten Aussichten.
Eine schönere Auswirkung ist, dass für Wanderer vorher unerreichbare Berge jetzt besteigbar werden. Der Pizol ist ein Beispiel (allerdings weiterhin T4). Oder auch das Gross Bigerhorn im Wallis. Der Riedgletscher zog sich dort in den letzten Jahren so stark zurück, dass man den 3626 Meter hohen Gipfel jetzt auf einem Wanderweg erreicht. Speziell dabei: Der Gletscher versperrte früher den Weg weit unterhalb seiner heutigen Zunge auf rund 2200 Metern über Meer.
Der Wanderweg auf das Gross Bigerhorn wurde in den letzten Jahren stetig verbessert. Früher musste man den Riedgletscher mit entsprechender Ausrüstung und Wissen überqueren. Seit August 2023 führte ein neuer Alpinwanderweg – am zurückgezogenen Gletscher auf einer Metallbrücke vorbei – auf den Gipfel.
Seit diesem Sommer gilt er als weiss-rot-weisser Weg (T3). Auf der Karte ist der Weg allerdings noch als weiss-blau-weisser Weg eingezeichnet, die Signalisation vor Ort wurde aber bereits geändert.
Mit dem nächsten Update wird dies auch auf der Online-Karte angepasst. Das Gross Bigerhorn löste damit das Äussere Barrhorn (3610m) auf der anderen Talseite als höchsten Wandergipfel Europas ab.
Wichtig ist trotzdem: Auch wenn der Weg einfacher wurde, ist dies kein Anfängerberg. Ich würde ihn als T3+ bezeichnen. Nicht, weil er besonders ausgesetzt wäre, sondern weil du im oberen Teil durch grosse Gesteinsbrocken hochsteigst.
Der Weg ist gut markiert, aber nicht immer direkt erkennbar, teilweise benötigst du die Hände, um etwas zu kraxeln. Wenn es nass ist, können die letzten Meter unter dem Gipfel rutschig werden.
Du brauchst auf jeden Fall die richtige Ausrüstung, gute Kondition und Erfahrung in den Bergen, um das Gross Bigerhorn zu besteigen. Informiere dich vor der Wanderung gut über die aktuelle Lage und schätze dein Können und deine Tagesform (auch unterwegs) immer wieder ehrlich ein.
Wie wir den Berg auf einer zweitägigen Tour bestiegen haben, siehst du im Video:
Wir starten in Gasenried (Postautoverbindung checken). Ab hier geht es in rund 4 Stunden hinauf zur Bordierhütte. Der Weg ist meist steil und konditionell fordernd. Schwierig ist er nie. Gegen Ende steigst du noch zwei Metalltreppen hoch. Alles ist gut gesichert.
Nach dem ersten (steilen) Waldabschnitt öffnet sich die Landschaft bei der Alpja und du siehst den eindrücklichen Riedgletscher. Erst weiter oben wirst du merken, dass hinter der Alpja die Gletschermoräne liegt. Von oben sieht es krass aus, wie da einfach der Gletscher «fehlt».
Der Weg zur Bordierhütte war bis vor drei Jahren nur über den Gletscher möglich. Jetzt führt unterhalb des Gletschers eine Brücke über den Gletscherfluss.
Aktuell zeigt sich eindrücklich das Gletschertor. Danach geht es wieder steil hinauf und gegen Ende über ein paar grosse Felsbrocken.
Starte früh. In der Bordierhütte kannst du das Frühstück um 2 (für Bergsteiger und normalerweise andere Ziele), 4 oder 7 Uhr nehmen. Wer auf das Gross Bigerhorn wandert, kann auch um 7 Uhr los. Wir entschieden uns für das Frühstück um 4 Uhr und starteten in der Dunkelheit mit Stirnlampen (Katzenaugen weisen den Weg gut).
Du bist rund 2,5 Stunden unterwegs bis auf den Gipfel. Unterwegs kannst du auch noch auf das Klein Bigerhorn (3182m). Oder wenn du merkst, du schaffst es nicht bis ganz oben, ist dies auch eine schöne Gipfeloption.
Der Weg wird gegen Ende steil und Wegspuren sind in den Gesteinsbrocken nicht immer zu sehen, aber die Markierung ist gut. Ausgesetzt ist der Weg praktisch nicht.
Ganz oben hat es drei Fixseile drin, die dir auf den letzten Metern helfen. Eines quert eine schräg abfallende Felsplatte. Bei Nässe kann es hier rutschig werden.
Der Weg wurde per Sommer 2025 von T4 auf T3 abgestuft. Es gibt da keine eindeutigen Grenzen. Ich finde, ein T3+ trifft es gut. Nicht, weil du schwindelfrei sein musst und es ausgesetzt ist, sondern weil der Weg steil nach oben führt und du teilweise die Hände zum Kraxeln benötigst.
Du brauchst definitiv die richtige Ausrüstung (warme Kleider, gute Schuhe), Erfahrung am Berg und eine gute Kondition. Denn am Schluss geht es auch rund 2000 Höhenmeter wieder runter bis Gasenried/Niedergrächen.