Was für Katholiken der Vatikan ist, ist für Ökonomen das Federal Reserve System (Fed). Die US-Notenbank kontrolliert nicht nur die grösste Volkswirtschaft der Welt. Sie herrscht auch über den Dollar, die globale Leitwährung. Aus diesem Grund sind sich die Ökonomen aller Lager einig: Die Unabhängigkeit der Fed ist unantastbar.
Genauso unbestritten ist, dass nur ausgewiesene Fachleute in das siebenköpfige Aufsichtsgremium, das Board of Governors, gewählt werden dürfen. Die Mitglieder dieses Gremiums werden vom Präsidenten vorgeschlagen und müssen vom Senat bestätigt werden. Ihre Amtszeit beträgt 14 Jahre.
Die Unantastbarkeit der Fed wurde in den vergangenen Jahrzehnten über die Parteigrenzen eingehalten. So hat Bill Clinton den von Ronald Reagan eingesetzten Alan Greenspan im Amt bestätigt. Barack Obama tat dies mit dem Republikaner Ben Bernanke.
Selbst Trump hat mit dem Gedanken gespielt, die von Obama ernannte Janet Yellen für weitere fünf Jahre an der Spitze der Fed zu belassen. Das war zu Zeiten, als es noch Erwachsene im Weissen Haus gab, als erfahrene Banker wie Gary Cohn oder ehemalige Topmanager wie Rex Tillerson das Ohr des Präsidenten hatten. Inzwischen sind sie alle Opfer der periodischen Säuberungswellen geworden. Trump hört nur noch auf Ja-Sager, die seine kruden Vorstellungen von Ökonomie bestätigen.
Ein zentraler Pfeiler in Trumps Wahlkampf war das Versprechen, das Wirtschaftswachstum massiv anzukurbeln. Mindestens drei Prozent werde das Bruttoinlandprodukt (BIP) zulegen, wahrscheinlich sogar mehr. Dank einer selbst bei konservativen Ökonomen umstrittenen Steuersenkung ist ihm dies anfänglich auch gelungen.
Nun aber ist dieses Strohfeuer erloschen. Das Wachstum des amerikanischen BIPs ist deutlich unter drei Prozent gesunken. Weil Trump nie Fehler macht, muss dafür ein Sündenbock gefunden werden. Fed-Präsident Jerome Powell muss derzeit diese undankbare Rolle spielen.
Obwohl ihn Trump eigenhändig eingesetzt hat, will er ihn jetzt wieder loswerden. Er wirft Powell vor, mit seiner stufenweisen Erhöhung des Leitzinses den Aufschwung der Wirtschaft gebremst zu haben. Ob Trump den Fed-Präsidenten entlassen kann, ist juristisch gesehen unklar. Politisch wäre es idiotisch. Selbst das Trump wohlgesinnte «Wall Street Journal» rät ihm, diesen Unsinn doch bitte zu lassen.
Doch Trump wäre nicht Trump, würde er einfach klein beigeben. Regelmässig attackiert er deshalb Powell per Twitter. Oder er lässt an seinen von Helikopter-Gedröhn übertönten Pressekonferenzen Schmähungen gegen den Fed-Präsidenten fallen. Dieser verbale Kleinkrieg ist zwar kindisch, aber tendenziell harmlos.
Nun jedoch wird es ernst. Im Board of Governors werden zwei Plätze frei. Trump hat die Absicht, für diese so wichtigen Posten zwei Kandidaten zu nominieren, die selbst bei seinen sonst so willigen Parteifreunden den Angstschweiss ausbrechen lassen. Es handelt sich um die Herren Stephen Moore und Herman Cain.
Stephen Moore ist, was die Amerikaner einen «Hack» nennen. Er ist ein opportunistischer Schwätzer, der seine Dienste in rechtskonservativen Kreisen anbietet. So war er für die von den Koch-Brüdern gesponserte Lobbyorganisation Club of Growth und für die von den gleichen Kreisen finanzierte Heritage Foundation tätig.
Moore ist nicht nur ein Hack, er ist auch ein lausiger Ökonom. «Er hat mehrmals bewiesen, dass er inkompetent ist», sagt Justin Wolfers im «New Yorker». «Er hat simple Fehler bei den Daten begangen. Seine Prognosen und seine politischen Empfehlungen zeigen, dass er zu den am wenigsten fähigen Ökonomen aller Zeiten gehört.» Wolfers ist Ökonomieprofessor an der University of Michigan.
Herman Cain ist nicht einmal Ökonom. Er hat einst eine Pizzeria-Kette geleitet. Nationale Berühmtheit erlangte er, als er 2012 für die Republikaner ins Rennen um die Präsidentschaft stieg. Er profilierte sich dabei als Pausen-Clown, musste seine Kandidatur jedoch abbrechen, als ihn mehrere Frauen der sexuellen Belästigung bezichtigten.
Mit sexuellen Belästigungen kann Trump gut leben. Für ihn ist Cain «ein toller Typ». Das dürfte weniger mit seinem ökonomischen Fachwissen zu tun haben als mit der Tatsache, dass Cain ein sogenanntes Super PAC für Trump organisiert hat, will heissen: eine Spendenorganisation für den Präsidenten. Auf der Webpage dieser Organisation heisst es bezeichnenderweise: «Wir müssen Donald Trump und seine Agenda vor einem Impeachment schützen.»
Moore und Cain sind Wendehälse der übelsten Sorte. Beide haben lange für eine harte Geldpolitik geworben und den Demokraten vorgeworfen, unverantwortliche Defizite anzuhäufen. Cain hat selbst die Wiedereinführung des Goldstandards gefordert. Jetzt aber plädieren beide für billiges Geld, und das in einer Zeit, in der dies die Mehrheit der Ökonomen für schädlich hält.
Sollten Moore und Cain tatsächlich in das Aufsichtsgremium der Fed gewählt werden, ist das für Ökonomen ungefähr so, wie wenn die verstorbene Sektenführerin Uriella in den Kreis der Kardinäle im Vatikan aufgenommen worden wäre. Entsprechend gross ist die Empörung. Die «Financial Times» spricht in einem redaktionellen Kommentar von «Sabotage». Professor Wolfers erklärt: «Es ist die grösste Bedrohung für die Fed zu meinen Lebzeiten.»
Trump dürfte dies kaum kümmern. «Der Präsident hat das Recht, Kandidaten zu ernennen, die seine wirtschaftliche Philosophie teilen», erklärte Larry Kudlow, sein (ebenfalls sehr umstrittener) wirtschaftlicher Berater. Und wer glaubt, die Republikaner im Senat würden ihn stoppen, dem hätte ich noch einen Gebrauchtwagen zu verkaufen.