Das Bild des typischen Trump-Wählers ist nicht eben schmeichelhaft: männlich, dumm und arm. Der typische Hillbilly eben, oder der Johnny Sixpack, oder der Redneck, «der seinen A… nicht von einem Loch im Boden unterscheiden kann», wie der Liedermacher Randy Newman singt.
Diese Wähler gibt es, und sie bilden tatsächlich das Rückgrat der Trump-Fangemeinde. Aber es gibt auch andere, hochintelligente Banker und Hedge-Fund-Manager beispielsweise. Sie haben beste Businessschulen absolviert und sacken siebenstellige Boni ein. Sie sitzen in Aufsichtsgremien von renommierten Museen und spenden für angesehene Stiftungen.
Warum lassen sich diese «Masters of the Universe» – wie sie sich selbst sehen – täglich von einem vulgären, orangen Trampel im Weissen Haus anlügen? Und vor allem: Warum wehren sie sich nicht gegen eine Handelspolitik, die diametral ihren Interessen widerspricht? Eine Antwort darauf liefert Ken Fisher in der «Financial Times». Er ist Gründer und Vorsitzender von Fisher Investments.
Fisher argumentiert wie folgt: Vergesst die Handelskriege, alles nur dummes Geschrei. «Die neuen Strafzölle sind winzig», schreibt er und rechnet vor, dass sie im besten Fall gerade mal 0,04 Prozent des globalen Bruttoinlandprodukts (BIP) ausmachen. «Ein Rundungsfehler», so Fisher.
Selbst wenn Trump seine Drohungen wahrmachen und weitere Strafzölle verhängen würde, dann wäre das immer noch kein Grund zur Panik. «Die Zölle würden dann immer noch rund 3 Prozent des Wachstums des globalen BIPs ausmachen. Winzig», so Fisher.
Kommt dazu, dass diese Strafzölle leichter umgangen werden können als die Paywalls der Medien im Internet. «Nehmen wir das Beispiel der USA und Chinas», so Fisher. «China erhebt nun Steuern auf Sojabohnen – doch die Rohstoffhändler sehen sich auf der ganzen Welt um. Anstatt dass sie nun nach China verkaufen und 25 Prozent Strafzoll entrichten, verkauft der Broker seine Bohnen einem türkischen Broker, der die Bohnen nach China weiterverkauft und 1 Prozent oder noch weniger Gebühr verlangt.»
Die Strafzoll-Drohungen des US-Präsidenten sind daher Theater, allerdings bestens inszeniert. «Trumps Taktik besteht darin, dass er die Medien dieser Welt mit verrückten Sprüchen ablenkt, während er die wichtigen Dinge erledigt», so Fisher. «Er legt seine Köder aus, und die Medien jagen die Kaninchen. (…) Während die Journalisten aufheulen, hat er mit Theresa May über Freihandel diskutiert und China in die richtige Richtung gestupst, den Botschafter in Deutschland angewiesen, über die Abschaffung aller Zölle auf Autos zu verhandeln und so die Basis für weitere Siege gelegt, die seine Wiederwahl sichern werden.»
Stellvertretend für alle Masters of the Universe kann man Fishers Haltung wie folgt zusammenfassen: Trump ist ein genialer Schauspieler. Anders als die naive linksliberale Elite durchschauen wir sein Spiel; und weil dieses Spiel unseren Interessen nutzt, lassen wir ihn gerne gewähren.
Tatsächlich klafft zwischen der Strafzoll-Show und der Realität eine gewaltige Kluft. Mit der EU hat Trump nun einen Waffenstillstand geschlossen. Das ist für ihn die beste aller Welten: Er kann jederzeit wieder in den Kriegsmodus zurückfallen und damit für grossen Wirbel sorgen.
Oder er kann sich als Sieger feiern lassen, der die «schrecklichen Verträge» der Obama-Ära verbessert hat. Nach dem gleichen Muster verfährt Trump auch mit Kanada und Mexiko bei der Neuverhandlung des NAFTA-Vertrages.
Falls doch etwas schief gehen sollte, dann wird auch dies die Masters of the Universe nicht wirklich erschüttern. Weshalb, erklärt Roger Altman im «Wall Street Journal». «Die globalen Finanzmärkte bilden das ultimative Sicherheitsnetz. Schliesslich sind sie die mächtigste Kraft auf diesem Planeten, mächtiger noch als Atomwaffen.»
Sollte Trump daher auf die blöde Idee kommen, einen ernsthaften Handelskrieg vom Zaun zu brechen, würde er rasch zur Raison gebracht. «Sollten die Kurse an den Märkten während drei, vier Wochen ununterbrochen einbrechen, würde das den Präsidenten mit Sicherheit zu einem Kurswechsel zwingen», stellt Altman fest. «Er würde sich dann zum Sieger erklären – und die Strafzölle wieder aufheben.»
Wir leben in grotesken Zeiten. Der mächtigste Mann der Welt führt sich auf wie ein Flegel und lügt, dass sich die Balken biegen. Er kann sich das leisten, weil die Johnny Sixpacks felsenfest davon überzeugt sind, er vertrete ihre Interessen; und weil die Wall-Street-Banker sich einbilden, sie hätten ihn im Griff. Was aber, wenn beide sich irren sollten?