In Washington spielt sich derzeit ein juristischer Hahnenkampf der besonderen Art ab. Begonnen hat er Anfangs März. Damals trafen sich Vertreter des Teams des Sonderermittlers Robert Mueller und Trumps Anwälte, um die Bedingungen zu diskutieren, unter denen der Präsident für ein Interview mit Mueller bereit wäre.
Bei diesen Diskussionen war anscheinend sehr viel Testosteron im Spiel. Der damalige Chef des Trump’schen Anwaltsteams, John Dowd, blaffte gemäss «Washington Post» die Mueller-Vertreter an: «Wir spielen hier nicht. Ihr behindert den Präsidenten der Vereinigten Staaten bei seiner Arbeit.»
Mueller zeigte sich unbeeindruckt. Sollte Trump sich weigern, freiwillig Auskunft zu geben, dann werde er ihn zwingen, vor einer Grand Jury unter Eid auszusagen, liess er Dowd wissen.
Die «New York Times» hat inzwischen die Liste der Mueller-Fragen veröffentlicht. Sie basiert auf den Notizen von Jay Sekulow, einem weiteren Anwalt Trumps. Wir wissen nun, was der Sonderermittler den Präsidenten fragen will, doch es ist unklar, ob er je die Antworten darauf erhalten wird. Die Frage, ob ein sich im Amt befindender US-Präsident gezwungen werden kann, vor einer Grand Jury unter Eid auszusagen, ist juristisch noch nicht geklärt.
Dabei gab es bereits 1998 eine vergleichbare Situation. Bill Clinton wollte zunächst dem damaligen Sonderermittler Kenneth Starr ebenfalls kein Interview gewähren. Starr drohte mit der Grand Jury, Clinton gab nach – und tappte prompt in die Falle. Er verheimlichte seine Affäre mit Monica Lewinsky. Das war der Grund, dass gegen ihn ein Impeachment eingeleitet wurde.
Trump wird daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Mueller kein Interview gewähren. Er ist noch viel exponierter als seinerzeit Bill Clinton. Sein Hang zur Schwatzhaftigkeit und seine notorischen Lügen würden ihn unweigerlich in eine Meineidsfalle plumpsen lassen. Die politischen Kollateralschäden wären unabschätzbar. Als John Dowd erfuhr, was der Sonderermittler von Trump wissen will, gab er umgehend sein Amt ab.
Die Veröffentlichung der 49 Fragen hat bereits einen politischen Sturm ausgelöst. Einmal mehr tobt Trump und beschimpft in Tweets Gott und die Welt. Den Zuschauern von Fox News wird derweil pausenlos eingetrichtert, dieses Informationsleck sei ein weiterer Beweis einer Verschwörung eines angeblichen «Deep State» gegen den Präsidenten.
Sehr viel wahrscheinlicher ist jedoch die These, wonach die gezielte Information aus dem Umkreis des Präsidenten stammt. Damit soll die Klage nach einer «Hexenjagd» untermauert und die Integrität des Sonderermittlers untergraben werden, führen Experten auf allen Kanälen ausser Fox News aus. Als wahrscheinlichste Quelle des Lecks gilt John Dowd.
Mueller hingegen ist nicht dafür bekannt, dass er Journalisten mit Indiskretionen füttert. Zudem kann er kein Interesse daran haben, dass Details aus seiner Untersuchung an die Öffentlichkeit geraten. Hingegen ist Mueller ist dafür bekannt, dass er keine leeren Drohungen ausstösst. Trumps Anwälte müssen daher damit rechnen, dass er bereits mit dem Justizministerium abgeklärt hat, wie eine Vorladung Trumps vor eine Grand Jury zu bewerkstelligen ist.
Trump hat kürzlich damit geprahlt, dass der stellvertretende Justizminister Rod Rosenstein ihm versichert habe, er sei kein Zielobjekt der Untersuchung. Er wiegt sich dabei in trügerischer Sicherheit. Es gibt im amerikanischen Untersuchungsverfahren drei Stufen: Zeuge (harmlos), Subjekt (kritisch) und Zielobjekt (befindet sich praktisch im Gefängnis).
Trump mag noch kein Zielobjekt sein. Er könnte es aber morgen schon sein, denn der Schritt von Subjekt zu Zielobjekt ist sehr klein – und Mueller kennt die Antworten auf seine Fragen wahrscheinlich bereits.
Sollten die Untersuchungsbehörden Trump dereinst zu einem Zielobjekt erklären, dann werden wir mit der ebenfalls noch ungeklärten und viel schwerer wiegenden Frage konfrontiert sein: Kann ein sich im Amt befindender Präsident eines Verbrechens angeklagt werden?