Sogenannte «town hall meetings» sind in der Regel sturzlangweilige Veranstaltungen der amerikanischen Politik. Am vergangenen Mittwoch war dies anders: CNN organisierte ein im TV übertragenes «town hall meeting» zum Massaker an einer Schule in Florida. Teilnehmer waren nicht nur überlebende Schüler, sondern auch prominente Politiker wie Senator Marco Rubio.
Als eigentliche Überraschung der Veranstaltung entpuppte sich jedoch Dana Loesch. Sie ist die Sprecherin der NRA – und seit dem vergangenen Mittwoch ein neuer amerikanischer Politstar. Ihr Auftritt in Florida hat ein Echo im ganzen Land ausgelöst.
Dana Loesch ist in einer Kleinstadt in Missouri aufgewachsen, einem der konservativsten Bundesstaaten der USA. Ihr Grossvater brachte ihr den Umgang mit Gewehren bei als sie noch ein Kind war. Nach Abschluss der Highschool studierte sie Journalismus, beendete ihr Studium jedoch nicht.
Als Teenager sympathisierte Dana Loesch mit den Demokraten. Der Skandal um Monica Lewinsky liess sie umdenken. Nach der Wahl von Barack Obama schloss sie sich der Tea Party an. In dieser Zeit erhielt sie am Lokalradio ihren eigenen Auftritt, «The Dana Show», die heute noch ausgestrahlt wird.
Dana Loesch verkörpert den feuchten Traum eines jeden konservativen Waffennarren. Die 39-jährige Mutter ist attraktiv und nimmt kein Blatt vor den Mund. Sie hat ein Buch geschrieben mit dem Titel «Hands off my Gun», ein Loblied auf das zweite Amendment, das jedem US-Bürger das Recht einräumt, eine Waffe zu tragen.
«Ich nehme das Recht, eine Waffe zu tragen, sehr persönlich», schreibt Loesch in ihrem Buch. «Jedesmal, wenn mir jemand dieses Recht streitig machen will, betrachte ich dies als einen Angriff auf meine Person und meine Familie.» Wer das zweite Amendment in Frage stellt, der wird von Loesch mit Hitler oder Stalin verglichen. Linksliberale Waffengegner bezeichnet sie als «Gewehr-Pack», die Massenmorde als Mittel benutzen, um «aufrichtigen Bürgern ihre Waffen zu entreissen.»
Loesch hat ihr Handwerk bei den profiliertesten Demagogen der rechten Szene gelernt. Der inzwischen verstorbene rechtsradikale Andrew Breitbart heuerte sie einst als Kommentatorin an. Später arbeite sie für «Blaze», der Medienorganisation von Glenn Beck, dem ehemaligen Rechtsaussen bei Fox News.
Selbst bei der NRA war man deshalb zunächst skeptisch, ob man Dana Loesch an die CNN-Show schicken sollte. Man hatte Angst, sie könnte über das Ziel hinausschiessen. Zu Unrecht. Loesch bewältige ihre Aufgabe eiskalt und gab sich keine Blösse (siehe Clip). Sie sei «kühl wie eine Gurke gewesen« wurde sie nach ihrem Auftritt auf Twitter gelobt; und sie habe «Wissen und Vernunft in eine unmögliche Situation gebracht».
Auch Wayne LaPierre, der Chef der NRA, hat sich inzwischen zum Massaker geäussert. Nach wie vor beharrt die Waffenlobby auf ihrem bekannten Standpunkt: «Die einzige Art, einen bösen Kerl mit einem Gewehr zu stoppen, ist ein guter Kerl mit einem Gewehr.» Die NRA verlangt daher mehr Sicherheitsvorrichtungen in den Schulen und eine bessere Kontrolle der psychischen Gesundheit beim Waffenkauf.
Einen Schritt weiter geht der Präsident. Trump will die Lehrer bewaffnen, gegen deren Willen. «Lehrer wollen nicht bewaffnet sein, sie wollen unterrichten», sagt Randi Weingarten, Präsident der American Federation of Teachers. «Wir haben nicht die Expertise eines Scharfschützen, und kein Training könnte einen Lehrer dazu befähigen, gegen einen mit einer AR-15 ausgerüsteten Amokläufer vorzugehen.»
Der gelungene Auftritt von Dana Loesch kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die mächtige NRA erstmals im Gegenwind befindet. So sah der von der NRA unterstützte republikanische Senator Marco Rubio an der CNN-Veranstaltung sehr alt aus. Seine Sprüche zu Verteidigung der NRA klangen abgedroschen und hohl.
Rubio wurde denn auch gnadenlos ausgebuht. Es habe sich angefühlt «wie ein Ausdruck der kollektiven Wut über die Falschheit von Vielem, das derzeit in Washington geschieht», kommentiert der «New Yorker».
Nicht nur der Protest der Schüler zeigt Wirkung. Auch die Waffengegner sind nun organisiert und koordinieren ihren Widerstand. Nach dem Massaker von Sandy Hook vor fünf Jahren hatten die Eltern der Opfer der NRA ausser Betroffenheit nichts entgegenzusetzen. «Das ist nun anders», schreibt die «New York Times». «Die Waffengegner haben eine gut finanzierte Infrastruktur aufgebaut.»
Nur Tage nach der Schiesserei in Parkland wurden die Politiker in Florida mit 2500 Telefonanrufen und 1700 Mails eingedeckt. Auch in der nationalen Politik kommt das Massaker äusserst ungelegen. In Washington sind die Vorbereitungen auf die Zwischenwahlen im Herbst im vollem Gang.
Die Republikaner wollten eigentlich mit ihrer Steuerreform punkten. Stattdessen müssen sich sich mit einer möglichen Verschärfung der Waffengesetze herumplagen, etwas, das sie bisher strikte abgelehnt haben. Diesmal werden sie kaum darum herumkommen.
Die Stimmung im Land hat gedreht. Am 24. März werden rund 500’000 Demonstranten an einer nationalen Protestveranstaltung in Washington erwartet. Auf Flintenweib Dana Loesch wartet also noch viel Arbeit.