Präsident Donald Trump hat die Veröffentlichung des Geheim-Memos bewilligt. Verfasst wurde es von den Mitarbeitern des republikanischen Abgeordneten Devin Nunes. Sowohl der von Trump eingesetzte neue FBI-Chef Christopher Wray als auch das Justizministerium haben eindringlich vor der Veröffentlichung gewarnt. Namhafte Experten befürchten eine Verfassungskrise und sprechen gar von einer Gefahr für die amerikanische Demokratie.
Im Mittelpunkt des Memos steht Carter Page, ein mehr als zwielichtiger Mann. In seinem Buch «Collusion» beschreibt ihn der «Guardian»-Journalist Luke Harding wie folgt: «Page ist ein Mann in den Vierzigerjahren, mit einer sich ausbreitenden Glatze. Er hat die Postur eines fitnessverrückten Radfahrers. Wenn er nicht auf seinem Mountainbike sitzt, trägt er Anzug und Krawatte. Wird er nervös, grinst er.»
Carter besitzt einen Abschluss der renommierten Georgetown University in Washington und ein Doktorat der University of London. 2004 arbeitete er in Moskau als Energiespezialist für die inzwischen von der Bank of America geschluckte Investmentbank Merrill Lynch.
Kollegen bezeichnen Carter Page als nicht unbedingt die hellste Kerze auf der Torte. Aufgefallen ist er vor allem durch seine Bewunderung für Russland und Wladimir Putin. Im Jahr 2013 begann sich das FBI für Page zu interessieren. Der russische Geheimdienst SVR wollte ihn offensichtlich anheuern. Die Agenten hatten jedoch wenig Hoffnung. In einem vom FBI mitgehörten Gespräch taten sie ihn als «Idioten» ab.
Im März 2016 tauchte der Name Carter Page in der Politszene auf. In einem Interview mit der «Washington Post» bezeichnete ihn Trump als seinen Energieberater. Im Juli 2016 wurde er vom Trump-Team nach Moskau geschickt. Angesichts der wachsenden Wahlchancen Trumps begannen sich auch die Russen für ihn zu interessieren. Die Tatsache, dass er kein Russisch sprach, kümmerte sie nicht weiter.
In Moskau durfte Page einen Vortrag an einer renommierten Universität halten. Sein Auftritt wird als wirr bezeichnet. Nur war dieser Auftritt bloss Fassade. Der eigentliche Zweck war ein Treffen mit Igor Sechin. Dabei handelt es sich damals um eine richtig grosse Nummer im Kreml. «Sechin ist ein ehemaliger Spion, und was wichtiger ist: Er ist jemand, der Putins absolutes Vertrauen geniesst», schreibt Harding. «Er ist Russlands zweitmächtigster Vertreter, seine Nummer zwei gewissermassen.»
Ein zweites Treffen fand mit Igor Diveykin statt. Er ist ein hoher Beamter in der russischen Regierung. Im Mittelpunkt der Gespräche standen die Sanktionen und wie man sie wieder loswerden könnte.
Beim Treffen zwischen Page und Diveykin soll gemäss Aussagen des Dossiers von Christopher Steele auch ein anderes Thema zur Sprache gekommen sein, die berühmten Pipi-Tapes. «Das war Erpressung, schlicht und ergreifend», so Harding. «Page war der Go-between, der diese plumpe Botschaft an Trump übermitteln sollte.»
Der inzwischen abberufene russische Botschafter in Washington, Sergey Kislyak, spielt in der Russlandaffäre eine wichtige Rolle. Auch er hat sich mit Carter Page getroffen, im August 2016 nach der Parteikonferenz der Republikaner in Cleveland. Page hat dieses Treffen zunächst abgestritten, es später jedoch zugegeben. Über den Inhalt hat er nichts verraten.
Das FBI, das wie erwähnt Page schon länger auf dem Radar hatte, wurde nach dessen Moskaureise und dem Treffen mit Kislyak wieder aktiv. Es erreichte mit einem so genannten FISA-Warrant die Erlaubnis, ihn überwachen zu dürfen. Gleichzeitig warnte das FBI ausgewählte Politiker vor Page. Das Trump-Team liess ihn daraufhin fallen wie eine heisse Kartoffel.
Jetzt steht der merkwürdige Mr. Carter Page erneut im Rampenlicht. In seinem Geheim-Memo führt Devin Nunes nämlich an, dass die Erneuerungen des FISA-Warrant gegen Page – eine solche Erneuerung muss alle 90 Tage erfolgen – nicht legal waren. Sie habe sich auf das umstrittene Steele-Dossier abgestützt und sei damit ein Vorwand für eine Spionage gegen das Trump-Team gewesen.
Das Geheim-Memo sei bloss die Spitze des Eisbergs, behaupten konservative und Trump-hörige Medien. Sie sprechen gar von einer «Verschwörung» an oberster Stelle des FBI gegen Trump, von «Geheimgesellschaften» und einem «deep state».
Die Wirklichkeit ist banaler. Mit dem Geheim-Memo hofft Trump, eine Waffe gegen den verhassten Sonderermittler in der Hand zu haben. Und das geht wie folgt: Die Erneuerungen des FISA-Warrant wurden jeweils vom stellvertretenden Justizminister Rod Rosenstein bewilligt, einem von Trump eingesetzten Mann, wohlgemerkt.
Rosenstein hat auch den Sonderermittler berufen, und er könnte ihn theoretisch auch wieder entlassen. Er hat jedoch in einem Hearing vor dem Senat versprochen, dies ohne zwingende Gründe nicht zu tun. Trump hofft daher, dank des Geheim-Memos Rosenstein feuern zu können, um danach jemanden einzusetzen, der seinerseits Mueller feuert.
Der ganze Wirbel und das Schmierentheater um das Geheim-Memo sind daher ein durchsichtiges Manöver, um von der Russlandaffäre abzulenken und den Ruf des Sonderermittlers und der Geheimdienste in den Dreck zu ziehen. Ob Trump damit durchkommen wird, ist allerdings fraglich. Sich mit dem FBI anzulegen, war noch nie eine wirklich gute Idee.