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Künstliche Intelligenz: Ist sie gut oder schlecht für Arbeitnehmende?

Ist künstliche Intelligenz gut oder schlecht für Arbeitnehmende?

Künstliche Intelligenz könnte völlig andere Folgen haben als die Technologien der letzten vier Jahrzehnte – worauf es ankommen wird.
10.01.2024, 21:42
Niklaus Vontobel / ch media
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Mensch ausgemustert? Künstliche Intelligenz könnte stattdessen ein Gehilfe sein.
Mensch ausgemustert? Künstliche Intelligenz könnte stattdessen ein Gehilfe sein.Bild: shutterstock

Wie jeder technologische Durchbruch wird auch die künstliche Intelligenz (KI) begleitet von düsteren Prophezeiungen und zugleich von grossen Hoffnungen: Massenarbeitslosigkeit oder mehr Wohlstand für alle.

Doch nicht alle Technologien sind gleich, auch nicht ihre Folgen für Jobs, Löhne oder Arbeitslosigkeit. Sie können gut oder schlecht sein. Es hängt von ihren Eigenschaften ab. Und davon, was die Gesellschaft damit macht, sagen Experten des US-amerikanischen Massachusetts Institute of Technology.

Gut ist es, wenn die neuen Technologien die Menschen nicht nur ersetzen, sondern auch ergänzen. Wenn sie es ihnen ermöglichen, effizienter zu arbeiten, qualitativ Hochwertigeres zu leisten oder wenn sie ganz neue Aufgaben für sie schaffen.

Dann entstehe eine Art «goldene Kombination». Traditionelle Arbeiten würden zwar wegautomatisiert. Parallel dazu würden jedoch neue Aufgaben geschaffen.

Was die Forscher damit meinen, illustrieren sie mit einem Rückblick auf die letzten 150 Jahre und die Wende in den 1970er-Jahren, als die «goldene Kombination» aufbrach. In der heutigen Zeit könnte KI die nächste Wende herbeiführen, womöglich zum Besseren.

Ab den 1870er-Jahren habe ein technologischer Fortschritt eingesetzt, von dem der grösste Teil der Gesellschaft profitiert habe. Die Automatisierung in der Landwirtschaft verdrängte zwar die allermeisten Arbeitnehmenden. Zur Ernte brauchte es irgendwann nicht länger ein ganzes Dorf, nur einen Mähdrescher.

Doch zugleich brauchte es mehr Menschen in der Industrie und für neue Dienstleistungen. Diese Arbeiten seien besser bezahlt gewesen, weniger gefährlich und weniger körperlich anstrengend. Geistig war dieses maschinenhafte Arbeiten in den Fabriken jedoch oftmals ermüdend, wie Charlie Chaplins irr gewordener Hilfsarbeiter im Film «Modern Times» vorführt.

Selbstbedienungskassen bringen keinen Schub an Produktivität

Ab den 1910er-Jahren führte Henry Ford die Fliessbandfertigung und die Massenproduktion ein. So wurde die Autobranche weitgehend automatisiert, Menschen wurden ersetzt. Doch es ging nicht zulasten der Löhne. Die neuen Technologien brachten neue Aufgaben mit sich, beispielsweise für Design, Maschinenbedienung oder Büroarbeiten.

Die Massenproduktion von Autos schob die Nachfrage nach Öl an, nach Stahl und chemischen Produkten – noch mehr Jobs. Das Auto wurde für den Mittelstand erschwinglich, was neue Aktivitäten möglich machte im Shopping oder der Unterhaltung – nochmals mehr Jobs.

In den 1970er-Jahren kam der Bruch. Die Automatisierung ist seither weiterhin schnell vorangegangen. Doch die Schaffung neuer Aufgaben durch Technologien hat sich verlangsamt.

Selbstbedienungskassen zum Beispiel würden nur das Scannen auf die Kunden abschieben, so die Forscher. Es brauche weniger Kassierer und Kassierinnen, aber es habe keinen Produktivitätsschub gegeben. Kein Lebensmittel wird billiger, die Produktion nicht stark ausgeweitet, das Leben der Shopper nicht verändert.

«Besorgniserregend» seien Technologien, die sich auf die Überwachung konzentrieren. Ein klein wenig Produktivität hole man damit zwar heraus, aber hauptsächlich mehr Leistung aus den Arbeitnehmenden.

Auch Produktivitätsgewinne durch Automatisierung, die eigentlich recht gross sind, können mehr schaden als nutzen, wenn sie keine neuen Aufgaben schaffen. Beispielsweise wurden im Mittleren Westen der USA neue Industrie-Roboter eingesetzt. Es folgten Massenentlassungen und ein regionaler Niedergang, nicht mehr Wohlstand für alle.

Der Verlust dieses Gleichgewichts in den 1970er-Jahren ist für die Forscher die hauptsächliche Erklärung für einige üble Trends. Es seien seither weniger Aufgaben entstanden, die Arbeitnehmende ohne Hochschulabschluss übernehmen können. Sie finden sich öfter in Jobs wieder, die schlecht bezahlt sind, wenn auch wichtig für die Gesellschaft. Etwa in der Reinigung, Gastronomie oder Freizeitgestaltung.

Goldenes Zeitalter vorhergesagt

Künstliche Intelligenz könnte nun erneut eine Wende herbeiführen, zum noch Schlechteren oder zurück zur goldenen Kombination.

Unausweichlich sei wohl, dass ein Trend angestossen werde, bei dem viele Aufgaben wegautomatisiert werden, die bisher nur Menschen erledigen konnten. Solche, bei denen es auf Urteilsvermögen ankommt, auf Flexibilität und auf den gesunden Menschenverstand.

Offen sei jedoch, ob KI wieder mehr Aufgaben schaffen wird, die Menschen mit verschiedenen Bildungshintergründen erledigen können. Es besteht durchaus die Chance dafür.

Darauf deuten Studien, welche die Arbeiten von Gruppen vergleichen – mit oder ohne die Hilfe von KI. Etwa beim Schreiben, oder bei juristischen Analysen. Es zeigten sich durch KI wahre Sprünge in der Produktivität – am meisten bei wenigqualifizierten Teilnehmenden.

KI könnte viel mehr Menschen in höher bezahlte Facharbeit bringen. Krankenhilfen könnten etwa Aufgaben von Ärzten übernehmen oder Programmierer komplexere Probleme. Das Magazin «The Economist» schreibt darum von einem «goldenen Zeitalter».

Ob es so kommt? Darauf hätten die Tech-Industrie und der Staat durchaus Einfluss. Die Industrie müsse aufhören, ihre Technologie allein daran zu messen, ob sie Menschen übertreffen könne, fordern Forscher. Sie müsse mehr an Technologien arbeiten, die dem Menschen helfen können, ihn ergänzen.

Der Staat könne den Wettbewerb und Investitionen in Technologien fördern, die KI-Werkzeuge mit menschlichem Fachwissen kombinieren. Später könne man prüfen, ob solche Werkzeuge eine Hilfe wären in öffentlichen Bildungs- und Gesundheitsprogrammen. (aargauerzeitung.ch)

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