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Gold ist gefragt wie nie – das steckt hinter dem Schweizer «El Dorado»

Die Schweiz will die Transparenz und R
Der Goldpreis ist in den letzten Jahren stark angestiegen.Bild: sda

Der Preis steigt und steigt – die Schweiz ist eine Macht im globalen Goldgeschäft

Die Schweiz ist im letzten Jahrhundert zu einem Goldland geworden. Und das ganz ohne eigene Bodenschätze.
07.04.2024, 10:0208.04.2024, 08:59
Pascal Michel / ch media
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Die Schweiz, ein «El Dorado», ein sagenhaftes Goldland? Auf den ersten Blick scheint dies eine abwegige Annahme, insbesondere hinsichtlich der hiesigen Bodenschätze. Zwar führen Flüsse wie die Emme oder die Reuss durchaus Gold. Hobbyschürfer stehen heute noch knietief im Wasser, um einige Plättchen davon auszuwaschen. Und im Alpenraum beuteten Mineure seit dem 15. Jahrhundert verschiedene Goldadern aus. Die hiesigen Vorkommen blieben aber insgesamt unbedeutend. Die letzte Goldmine im Tessiner Dörfchen Sessa machte mangels Ertrag im Jahr 1961 dicht.

«El Dorado», das mythische Goldland, verorteten bereits die spanischen Eroberer nicht in Europa, erst recht nicht in der Schweiz. Im Innern Südamerikas, so glaubten sie, seien die fantastischen Reichtümer zu heben. Mit diesem einflussreichen Mythos und seinen Folgen beschäftigt sich derzeit das Zürcher Museum Rietberg.

2331 Tonnen importiert

Vermutlich liegt es an dieser wirkmächtigen Erzählung vom exotischen Goldland in weiter Ferne, dass sich die Schweiz kaum als Macht im globalen Goldgeschäft versteht. Banken, Uhren, Schoggi - aber Gold? Dabei zeigt ein zweiter Blick genau dies: Die Schweiz ist im letzten Jahrhundert zu einem «El Dorado» geworden. Und das ganz ohne nennenswerte Goldvorkommen.

Bereits wenige Zahlen genügen, um die Bedeutung der Drehscheibe Schweiz zu fassen: Fünf der grössten Goldraffinerien der Welt sind hier beheimatet. Sie heissen Argor-Heraeus, MKS Pamp, Valcambi, PX Précinox oder Metalor und vereinigen rund 40 Prozent der weltweiten Raffineriekapazität. Gemäss Schätzungen finden rund zwei Drittel der weltweiten Goldproduktion ihren Weg in die Schweiz. Letztes Jahr waren es 2331 Tonnen Gold im Gegenwert von 91,2 Milliarden Franken, die importiert wurden.

Was die Schweiz so attraktiv macht

Eine der bedeutenden Raffinerien, die Gold zu anerkannten Barren, zu Münzen oder Schmuck umschmilzt, ist Argor-Heraeus in Mendrisio. Dass die rund 300 Mitarbeitenden hier mit hochsensibler Ware zu tun haben, ist bereits von aussen erkennbar: Das Fabrikgelände liegt hinter einer hohen, mit Efeu bewachsenen Mauer. Trotz Sichtschutz und strenger Eingangskontrolle gibt sich das 1951 gegründete Unternehmen offen: Chef Robin Kolvenbach wollte bei einem Medienanlass vor anderthalb Jahren zeigen, dass die Industrie nicht so verschwiegen ist, wie sie gerne dargestellt wird.

Kolvenbach erklärte auf einem Rundgang, warum die Schweiz der Standort der Wahl für seine Raffinerie ist. Er nannte die politische Stabilität, die Nähe zum Finanzplatz, das hohe Ausbildungsniveau und die «strikten Regulierungen». Branchenkenner führen als weitere Faktoren die hochwertige Infrastruktur, die moderaten Steuern oder die Schweizer Präzision an.

Neben der Uhrenindustrie, die bereits früh Gold verarbeitete, gab der Finanzplatz die entscheidenden Impulse dafür, dass die Schweiz ein Schmelztiegel der Goldindustrie werden konnte. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren es Grossbanken, die eigene Raffinerien kauften und das Geschäft vorantrieben. Die heutige UBS war an Argor-Heraeus und Metalor beteiligt, die Credit Suisse an Valcambi. Dass die Schweiz vom Krieg verschont geblieben war und die Banken beträchtliche Mengen Nazi-Gold gehortet hatten, war ein nicht unerheblicher Startvorteil, schreibt der Korruptionsexperte Mark Pieth in seinem Buch «Goldwäsche».

Den Aufstieg der Schweiz zum Goldland bezeichnet Pieth deshalb als «ambivalent»: Zu historisch gewachsenen Standortvorteilen gesellte sich eine ordentliche Portion «kommerzieller Opportunismus».

Die Industrie sieht das selbstredend anders. Beim Medienbesuch in Mendrisio betonte Argor-Heraeus-Chef Kolvenbach, wie wichtig Nachverfolgbarkeit und Nachhaltigkeit seien. Auch der zuständige Verband der Edelmetallindustrie hält fest: «Risikobehaftetes Gold hat in der Schweiz keinen Platz.» Er reagierte damit auf Enthüllungen, wonach Schweizer Raffinerien Konfliktgold aus Dubai importiert hätten.

Hitler, Apartheid, Putin

Kontroversen und Skandale gehören seit jeher zum Goldgeschäft. Der aufsehenerregendste war jener um das «Nazi-Raubgold», der in den 1990er-Jahren eskalierte. Die Schweiz habe während des Zweiten Weltkriegs durch ihre Goldankäufe dem nationalsozialistischen Regime zugedient, lautete einer der schweren Vorwürfe aus den Vereinigten Staaten.

Der Bundesrat setzte eine unabhängige Expertenkommission ein, die sich mit dieser Frage beschäftigte. Die sogenannte Bergier-Kommission stellte fest, dass die Schweizer Geschäftsbanken sowie die Nationalbank zwischen 1939 und 1945 beträchtliche Mengen an Gold von der deutschen Reichsbank gekauft hatten. Es handelte sich um Gold, das die Nazis aus den besetzten Ländern geraubt hatten. Diese Verkäufe an die Schweiz waren für das Dritte Reich wichtig, weil es so an Schweizer Franken gelangte. Der Franken war damals eine der letzten tauschbaren Währungen, mit der sich das NS-Regime noch Kriegsgüter kaufen konnte.

Eine ähnlich unrühmliche Rolle spielte der Schweizer Finanzplatz, als in Südafrika die Apartheid herrschte. Schweizer Banken handelten in grossem Stil mit Gold aus dem geächteten Staat und stützten somit das Regime. Sie gründeten 1968 einen Pool, um Gold des damals grössten Produzenten der Welt zu kaufen. Die hiesigen Raffinerien schmolzen in den 1980er-Jahren einen Grossteil des südafrikanischen Goldes um und verliehen ihm das Schweizer Qualitätssiegel.

Wie nah beieinander Glanz und Abgründe liegen können, zeigte jüngst Wladimir Putins Überfall auf die Ukraine. Als im Mai 2022 drei Tonnen russisches Gold via Grossbritannien in die Schweiz gelangten, war der Aufschrei gross. Da es sich um Gold handelte, das vor dem Erlass von Sanktionen verarbeitet worden war, erklärten es die Zollbehörden für unbedenklich. Das Reputationsrisiko wuchs jedoch so stark an, dass auch der Bundesrat im August desselben Jahres den Import von russischem Gold untersagte. Die Beispiele zeigen, warum Gold für klandestine Machenschaften attraktiv ist: Sobald es einmal eingeschmolzen ist, verschwinden jegliche Spuren zu seiner Herkunft.

Herkunft des Schweizer Goldes bleibt geheim

Wie die wiederkehrenden Negativschlagzeilen unterliegt auch der Goldpreis Konjunkturen. Derzeit kostet eine Feinunze so viel wie noch nie.

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In der Regel gewinnt Gold in Krisen an Wert. Das zeigte sich exemplarisch im vergangenen Oktober, nach dem grausamen Terrorangriff der Hamas auf Israel. Die Angst vor einer weiteren Eskalation trieb die Anleger in den sicheren Hafen des Goldes. Den Preis zusätzlich angeheizt hat die Aussicht auf baldige Zinssenkungen. Die Preishausse befeuern schliesslich die Notenbanken, indem sie ihre Goldreserven aufstocken. Besonders Schwellenländer wie die Türkei oder China decken sich gerade mit tonnenweise Edelmetall ein.

Davon profitieren wiederum die Schweizer Raffinerien. Denn die Notenbanken bevorzugen Standardbarren à 400 Unzen, also knapp 12,4 Kilogramm. Diese Barren müssen erst gegossen werden, und da sind die hiesigen Schmelzer zur Stelle.

Die Aussichten für das Goldland Schweiz bleiben somit ausgezeichnet. Dazu hat jüngst das Bundesgericht beigetragen. Es hat im November entschieden, dass die Herkunft der Goldimporte unter Verschluss bleibt. Die Branche profitiert so weiterhin von der legendären Diskretion, die dem Gold Schweizer Prägung seinen geheimen Glanz verleiht. (aargauerzeitung.ch)

So sieht es im Bunker des grössten Gold-Patrons der Schweiz aus:

Video: watson
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