Brasilien war nicht nur Gastland der Fussball-WM, auch die Regierungschefs der BRICS-Staaten haben sich zu einem Gipfeltreffen in Fortaleza getroffen. BRICS ist die Abkürzung von Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Es handelt sich also um die wichtigsten Schwellenländer, in denen rund 40 Prozent der Weltbevölkerung leben.
Auch wirtschaftlich sind die BRICS-Staaten zu einer geopolitischen Macht geworden. China ist mittlerweile die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt und wird in absehbarer Zeit die USA überholen. Insgesamt wird ein Fünftel des globalen Bruttoinlandsprodukts in diesen Schwellenländern hergestellt.
Die wirtschaftliche Potenz der BRICS-Staaten steht im krassen Widerspruch zu ihrer politischen Impotenz. In den sogenannten Bretton-Woods-Institutionen, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank, haben sie wenig zu sagen. Nach wie vor teilen sich die USA und Europa die Macht.
Das soll sich nun ändern. Die BRICS-Staatschefs haben ein Dokument unterzeichnet, das die Gründung einer eigenen Entwicklungsbank vorsieht. Sie soll «New Development Bank» heissen, über ein Startkapital von 100 Milliarden Dollar verfügen und 2016 ihre Arbeit aufnehmen. Gleichzeitig wird ein Reservefonds in der Höhe von ebenfalls 100 Milliarden Dollar gebildet. Er ist für Länder bestimmt, die kurzfristig in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Die New Development Bank ist so gesehen die Alternative zur Weltbank, der Fonds zum IWF.
Den Schwellenländern ist die Dominanz des Dollars und der Bretton-Woods-Institutionen längst ein Dorn im Auge. Wie einst der französische Präsident Giscard d’Estaing empfinden sie die Tatsache, dass die USA ihre Währung als globale Leitwährung konkurrenzlos durchsetzen können, als «exorbitantes Privileg». Theoretisch können die Amerikaner Güter und Dienstleistungen aus aller Welt importieren und sie mit selbst gedruckten, grünen Papierscheinen bezahlen. (In der Praxis ist es ein bisschen komplizierter, aber das ist eine andere Geschichte.)
Jeder BRICS-Staat ist auf seine eigene Weise über diese Dollar-Dominanz unglücklich: Die Chinesen haben einen grossen Handelsbilanzüberschuss mit den USA, sitzen mittlerweile auf einem riesigen Dollarberg und mussten zusehen, wie sich diese Dollar im Lauf der Krise abgewertet haben. Russland seinerseits ist auf Konfrontationskurs mit dem Westen gegangen und hat Angst vor Gegenmassnahmen.
Als Rohstoffexporteure leiden Brasilien, Indien und Südafrika unter den Kursschwankungen des Greenbacks. Allen zusammen stösst auf, dass sie von IWF und Weltbank nach wie vor gemassregelt werden, sei es in Bezug auf ihre Wirtschaftspolitik oder auch wegen Verletzungen der Menschenrechte.
Vor allem China ist bemüht, seinen Renbimbi als globale Währung zu stärken. Es hat begonnen, mit einzelnen Staaten Handelsverträge in seiner Währung abzuschliessen und via den Finanzplatz Hongkong Renminbi-Finanzprodukte anzubieten. Auch als Kreditgeber für Entwicklungsländer ist China präsent. Die China Development Bank und die China Exim Bank sprechen bereits heute mehr Kredite in Afrika und anderswo als die Weltbank.
Wie bedrohlich ist die neue Konkurrenz für die alten Bretton-Woods-Institutionen? Das lässt sich schwer abschätzen. Die BRICS-Staaten sind keine natürlich gewachsene Allianz mit gleich gelagerten Interessen. Nicht einmal der Name stammt von ihnen. Er wurde von Jim O’Neill, dem ehemaligen Chefökonom von Goldman Sachs, als werbewirksames Schlagwort erfunden.
Das Verhältnis der BRICS-Staaten untereinander ist alles andere als harmonisch. Russland und China waren sich lange spinnefeind. Erst seit Putin den Kalten Krieg mit dem Westen neu entfacht hat, nähert er sich wieder Peking an. China und Indien belauern sich wie Hund und Katz. Ausser wirtschaftlichen Interessen haben weder Brasilien noch Südafrika freundschaftliche Banden zu den anderen drei.
Trotzdem ist die Gründung einer Alternative zu Weltbank und IMF ein Zeichen dafür, dass sich die geopolitischen Gewichte langsam verschieben und die Alleinherrschaft der USA nicht mehr selbstverständlich ist. Solange dies friedlich geschieht, ist dagegen nichts einzuwenden.