Schon vor Wochen hat Nancy Pelosi angedeutet, dass sie es als für nicht opportun erachte, dass der Präsident während eines Shutdowns seine State-of-the-Union-Rede vor dem versammelten Kongress halte. Damit traf sie Trump dort, wo es ihm wirklich weh tut, denn nichts liebt der krankhafte Narzisst mehr, als vor einer imposanten Kulisse und laufenden Kameras eine Rede voller Pathos zu halten.
Die Reaktion des Präsidenten folgte denn auch prompt. In einem Brief liess er Pelosi wissen, er werde seine Rede «zur Zeit, planmässig und sehr wichtig, am vorgesehenen Ort» halten. Das war keine gute Idee. Pelosi reagierte wie einst der legendäre Filmpolizist Dirty Harry: «Make my day.» Sie machte Trump klar, dass er keine Chance hat.
Trump verstand die Botschaft und zog den Schwanz ein. «Ich werde die Ansprache halten, sobald der Shutdown vorüber ist», tweetete er. An einer Pressekonferenz jammerte er später, Nancy wolle «einfach nicht, dass das amerikanische Volk die Wahrheit erfährt». Doch niemand liess sich täuschen: Trump wurde von Pelosi wie ein Schulbube in den Senkel gestellt.
President Trump: "What [Nancy Pelosi] said, I thought, was actually reasonable. We'll have the state of the union when the shutdown is over." https://t.co/kSDeUd4lp1 pic.twitter.com/8p68t8DZYe
— The Hill (@thehill) January 25, 2019
Wie Dirty Harry stammt Pelosi aus San Francisco. Aber ihre Waffe ist keine Magnum, sondern ein messerscharfer Intellekt. «Sie schneidet dir den Kopf ab und du merkst nicht einmal, dass du blutest», sagt ihre Tochter Alexandra. Dazu ist Pelosi völlig furchtlos, gerade was Männer betrifft. Als einziges Mädchen in einer Schar von sechs Kindern hat sie früh gelernt, sich gegen das vermeintlich starke Geschlecht durchzusetzen.
Trump kann nicht mit einer Frau wie Pelosi umgehen. Typisch, dass er bisher noch keinen Übernamen für sie hat. Sie ist weder «cryin’» noch «lyin’» Nancy, sondern einfach Nancy. Andere Frauen hat er als «Pferdegesicht» oder «hässlich» beschimpft, bei Pelosi würde er das nie wagen, denn Pelosi hat das, was selbst Trump respektiert: Macht.
Als Mehrheitsführerin im Abgeordnetenhaus kann sie dem Präsidenten auf Augenhöhe begegnen. Damit kann Trump nicht umgehen.
sagt Barbara Res, eine ehemalige Managerin in der Trump Organization, in der «New York Times».
Pelosi hat nicht nur Macht, sie weiss auch in- und auswendig, wie die Machtmechanismen in Washington funktionieren. Der Präsident befindet sich diesbezüglich immer noch im Kindergarten. Deshalb geht er jeweils aus den Duellen als zweiter Sieger hervor.
Zusammen mit Chuck Schumer, dem demokratischen Minderheitsführer im Senat, hat Pelosi Trump zur verhängnisvollen Aussage verleitet, er übernehme die Verantwortung für den Shutdown. Das war ein Fehler mit Folgen: Shutdowns sind in der amerikanischen Bevölkerung äusserst unbeliebt. Je länger er dauert, desto tiefer sinken Trumps Umfragewerte.
Selbst in der Grand Old Party macht sich Unmut breit. Bei einem Essen der republikanischen Senatoren soll ihr Mehrheitsführer Mitch McConnell heftig unter Beschuss geraten sein. Nach zwei verlorenen Abstimmungen ist McConnell nun bereit, wenigstens Verhandlungen mit den Demokraten aufzunehmen, um einen Kompromiss zu finden.
Der Präsident hingegen stellt sich dämlich an. Er hat zwar die gleiche Kultur wie seine Basis – Junkfood, Wrestling, protzige, hässliche Inneneinrichtung –, wenn es jedoch um Geld geht, lebt er auf einem anderen Planeten. Die Beamten, die derzeit keinen Lohn erhalten, sollen doch einfach im Supermarkt ihre Rechnung anschreiben lassen, erklärte er jüngst und bewies damit, dass er keine Ahnung von den Sorgen der kleinen Leute hat.
Dieselbe «Dann-sollen-sie-halt-Kuchen-essen»-Haltung vertritt auch Handelsminister Wilbur Ross, wie Trump ein Milliardär. Er machte sich lustig über die Not der rund 800’000 Beamten, die seit Wochen keinen Lohn erhalten. Sie sollen doch einfach einen Kredit aufnehmen, führte er auf CNBC aus. Die Vorstellung, dass dies für normale Menschen nicht ganz einfach ist, ist ihm völlig fremd.
Pelosi nützt die Dummheiten ihrer Gegner kaltblütig aus. Otto Normalverbraucher könne nicht einfach «seinen Vater um Geld anpumpen», kommentierte sie die mangelnde Empathie von Trump & Co. Die «New York Times» hat kürzlich aufgedeckt, dass Trump einst mehr als 400 Millionen Dollar von seinem Vater geerbt hatte.
Der Shutdown sei eine «Art Männlichkeitsbeweis für ihn», erklärte Pelosi im kleinen Kreis nach dem Treffen mit dem Präsidenten im Weissen Haus. Sie selbst muss sich nichts mehr beweisen. Sie hält es mit den uralten Weisheiten des chinesischen Militärstrategen Sun Tzu. «Erfolgreiche Krieger gewinnen zuerst und ziehen dann in den Krieg. Erfolglose Krieger ziehen zuerst in den Krieg und versuchen dann zu gewinnen.»
Nach dem ersten wichtigen Sieg über Trump gratulierte ihr denn auch der demokratische Abgeordnete James Clyburn mit den Worten: «Vielen Dank, dass Sie für uns gewonnen haben. Und jetzt lasst uns in den Krieg ziehen.»