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Auf den ersten Blick scheint der 23. Juni 2016 ein historisches Datum für die Briten zu werden. Dann stimmen sie über den so genannten Brexit ab, darüber, ob sie weiter Mitglied der EU sein wollen oder nicht. Es geht um viel und der Abstimmungskampf wird äusserst hart geführt, vor allem in der Boulevard-Presse. Verglichen mit «Sun» und «Daily Mirror» ist unser «Blick» eine Kinderpost.
Die Argumente in dieser Abstimmungsschlacht kommen uns Schweizern bestens bekannt vor. Die Europa-Befürworter betonen die verheerenden wirtschaftlichen Folgen eines Brexits, denn auch für das Vereinigte Königreich ist die EU der mit Abstand wichtigste Handelspartner. Die Europa-Gegner hingegen wollen die Souveränität – oder was sie dafür halten – ihres Staates wieder herstellen, und selbstverständlich keine Flüchtlinge und Sozialtouristen aus den Oststaaten mehr ins Land lassen.
Die Trennlinie der beiden Lager verläuft nicht zwischen links und rechts, sondern quer durch die konservative Partei, die Tories. Premierminister David Cameron muss die Suppe, die er sich mit dem Referendum selbst eingebrockt hat, nun auslöffeln. Sein Gegenpart ist Boris Johnson, der extravertierte ehemalige Bürgermeister von London. Er will um jeden Preis Nachfolger von Cameron werden.
Trotz Schlammschlacht und hochgehenden Emotionen ist das Ganze eine Farce. Das Brexit-Referendum ist nämlich eine Konsultativ-Abstimmung. Will heissen: Die Stimmbürger entscheiden nicht direkt über einen EU-Austritt. Sie erteilen vielmehr der Regierung den Auftrag, einen geordneten Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU in die Wege zu leiten.
Bei einem Ja würde dies bedeuten, dass innerhalb von einer Frist von zwei Jahren die bestehenden Verträge neu formuliert werden müssten. Das sind nicht wenige. Das Vereinigte Königreich hat mittlerweile rund 14'000 mit Brüssel abgeschlossen. «Rein rechtlich gesehen könnte das Vereinigte Königreich sie alle für nichtig erklären. Aber weil es kein zweites Nordkorea werden will, wird es dies nicht tun», stellt Martin Wolf, Chefökonom der «Financial Times», fest.
Zum gleichen Befund kommt auch Wolfgang Ernst, Rechtsprofessor an der Universität Zürich und in Cambridge. Er hat in einem Vortrag kürzlich plausibel begründet, dass es völlig illusorisch wäre, innerhalb von zwei Jahren einen Austritt zu bewerkstelligen. Rein juristisch gesehen müsste das Vereinigte Königreich das inzwischen veraltete englische common law wieder einführen: «Es wäre, als ob man mit einer Zeitmaschine 40 Jahre in die Vergangenheit reisen wollte», erklärte Ernst.
Die Austrittsverhandlungen würden damit sehr viel länger dauern. Ernst schätzt, dass es mindestens fünf bis zehn Jahre brauchen würde. In dieser Phase würde das Vereinigte Königreich im eigentümlichen Status einer «Noch-Mitgliedschaft» verharren, ein Zustand, der niemanden wirklich glücklich machen kann.
Dazu werden sich politische Folgen einstellen. Die EU-freundlichen Schotten würden ihrerseits wahrscheinlich ein zweites Austritts-Referendum aus dem Vereinigten Königreich starten, die Nordiren könnten es ihnen gleichtun.
Kurz: Ein Brexit-Ja wäre ein gewaltiges und sehr teures Arbeitsbeschaffungsprogramm für Juristen, mehr nicht. Auch das kommt uns irgendwie bekannt vor. Der Masseneinwanderungs-Initiative droht das gleiche Schicksal. Sie erweist sich als nicht umsetzbar.
Ob Brexit oder MEI, für beide lässt sich mit Shakespeares MacBeth sagen: Es ist eine Geschichte, die von einem Idioten erzählt wird, «full of sound and fury. Signifying nothing.» (voller Klang und Wut, die nichts bedeutet.)