Wirtschaft
Immobilien

Das ist die grösste Immobilien-Gefahr im neuen Jahr

Das ist die grösste Immobilien-Gefahr im neuen Jahr

Hunderte von Banken könnten Opfer werden: Über 500 Milliarden Dollar an Schulden laufen in einem anfälligen Markt aus - eine neue Studie skizziert dazu eine Finanz-Horrorstory.
07.01.2024, 13:11
Niklaus Vontobel / ch media
Mehr «Wirtschaft»
Near Wall street.
Gebaut mit faulen Krediten? Hochhäuser in den USA.Bild: Photodisc

Die Inflation scheint besiegt zu sein, ohne dass es zu einer globalen Finanzkrise gekommen wäre. Bleibt es dabei – oder zünden die hohen Zinsen mit Verspätung doch noch irgendwelche Bomben? Eine neue Studie aus den USA zeigt auf, dass es sehr eng wird. Wenn die Zinsen nicht bald sinken, könnte ein Feuerwerk an Bomben losgehen.

«Solange die Zinssätze erhöht bleiben, wird das US-Bankensystem mit einem erheblichen Insolvenzrisiko konfrontiert sein», heisst es in dieser Studie des renommierten National Bureau of Economic Research. Hunderte von Banken könnten Opfer von Runs werden, wie sie schon die Credit Suisse zu Fall brachten und mehrere US-Banken.

Zu dieser drastischen Warnung gelangen die Studienautoren, nachdem sie einige schaurige Fakten zum Markt für Büroimmobilien entdeckt haben. Zusammen lesen sich diese Fakten wie eine Finanz-Horrorgeschichte.

Noch vor knapp zwei Jahren schien alles bestens. Schulden wurden immer noch billiger, Büroimmobilien immer noch teurer. Anfang 2022 standen sie fast drei Mal höher als zwei Jahrzehnte zuvor – auf einem historischen Allzeithoch. Der Markt boomte. Dann kam die Zinswende.

Im März 2022 begann die US-Notenbank Fed ihren Kampf gegen die Inflation. In nur einem halben Jahr ging sie mit ihren Leitzinsen um volle 5 Prozentpunkte in die Höhe. Seither ist die Welt eine andere.

Die Investoren haben Geld abgezogen. Denn nun lässt sich mit anderen Anlagen wieder Geld verdienen, vor allem mit Anleihen von Staaten und von Unternehmen. Betongold ist nicht länger alternativlos.

Zugleich wirkt Corona nach. Die Pandemie hat Millionen von Büromitarbeitenden ins Homeoffice geschickt. Gerade in den USA sind sie nur sehr zögerlich zurückgekommen. Ende 2022 standen noch immer 18 Prozent aller Büros leer.

2024 könnte es zum Showdown kommen

All dies hat die Preise von Büroimmobilien einbrechen lassen. An den Börsenkursen von Firmen, die auf Büroflächen spezialisiert sind, lässt sich ein Rückgang von über 30 Prozent ablesen im Vergleich zum Pandemiebeginn. Andere Indikatoren zeigen einen Einbruch um 50 Prozent.

epa10548261 Guests interact in front of a window on the 61st empty floor of the US Bank Tower, during the unveiling of a series of improvements to the building to officials and the press in Los Angele ...
Leere Büroflächen in den USA.Bild: keystone

Sinken die Zinsen nicht bald, läuft alles auf einen dramatischen Höhepunkt hinaus. 2024 verfällt für viele Unternehmen der Schutz vor den hohen Zinsen. Ihre Kredite laufen ab und müssen erneuert werden, typischerweise zu einem mehr als doppelt so hohen Zins. 2024 sind es weit über 500 Milliarden Dollar, genau 544 Milliarden.

Das wird schaurig. Bei weit mehr als der Hälfte aller Kredite wären nicht alle Kriterien erfüllt, welche Banken normalerweise erfüllt haben wollen.

Bei rund 45 Prozent ist die Belehnung viel zu hoch. Nach dem Crash der Preise kommen bei diesen Krediten auf 100 Dollar an Immobilienwert jeweils über 100 Dollar an Schulden. Bei einer Belehnung von über 100 Prozent lehnt die Bank einen Kreditantrag normalerweise sogleich ab.

Bei weiteren rund 25 Prozent der Kredite sieht es noch schauriger aus. Zu den aktuellen Zinsen übersteigen die Zinskosten gar die Einnahmen, welche die Büroimmobilie erwirtschaftet. Wenn eine Immobilienfirma einen solchen Kreditantrag neu stellen würde – sie würde von der zuständigen Bankerin je nach Laune herzhaft ausgelacht oder unsanft rausgeworfen.

Zu diesen Schlussfolgerungen gelangen die Studienautoren über einen kleinen Umweg. In die Kreditbücher der Banken hatten sie keinen Einblick. Also studierten sie die Kennzahlen von Bürohypotheken, die als Wertpapiere an der Börse gehandelt werden. Was sich bei ihnen abspielt, ist in der Vergangenheit auch immer bei den Banken geschehen.

Eine Welle von roter Tinte

Es ist eine wahre Kredit-Misere – und die Immobilienfirmen könnten sich, sagt Starökonom Kenneth Rogoff, bloss an die Hoffnung klammern, irgendwie das Jahr 2024 zu überleben. Bis irgendwann sinkende Zinsen «jene Welle an roter Tinte eindämmen, welche ihre Firmen zu ertränken droht».

Das ist die Finanzhorror-Geschichte im Markt für Büroimmobilien. Leider könnte es weitere Kapitel dazu geben, nämlich im Bankensystem. Dieses wackelt Anfang 2024 ohnehin bedrohlich. Die Kredit-Misere bei dem Büroimmobilien könnte es aus dem Gleichgewicht werfen.

Vor der Zinswende hatten die Banken sehr tief verzinste Anleihen in ihren Büchern angehäuft, die damals noch ein unvermeidbares Übel waren. Nach der Zinswende sind sie jedoch vermeidbar geworden, es gibt höher verzinste Alternativen. Heute sind diese niedrigverzinsten Anleihen am Markt darum viel weniger wert. Wirklich viel, viel weniger.

Zur Auflockerung: Menschen, die etwas Spass in den tristen Büroalltag bringen

1 / 26
Menschen, die etwas Spass in den tristen Büroalltag bringen
Die Geduld verloren, aber das Problem gelöst.
quelle: reddit
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Die Banken würden dafür heute um die 2000 Milliarden Dollar weniger bekommen, als sie ursprünglich bezahlt hatten. Müssten sie heute alles verkaufen, wäre die Hälfte von ihnen insolvent, rund 2400 Banken. Sie hätten nicht genug Vermögenswerte, um all ihre Schulden zurückzahlen zu können.

Doch noch hält das System. Es ist so lange alles gut, wie die Banken diese tiefverzinsten Anleihen bis zum Ablaufen halten können. So lange dürfen sie die Preise, die sie ursprünglich bezahlt hatten, in den Büchern stehen lassen.

Das System würde wanken, wenn die Banken diese Anleihen vor deren Ablaufen verkaufen müssten. Freiwillig würden sie dies natürlich nie im Leben tun. Aber die Kredit-Misere bei den Büroimmobilien könnte eine Kausalkette in Gang treten, welche sie dazu zwingt.

Durch die Kreditkrise könnten 10 bis 20 Prozent aller Kredite, welche mit Büroimmobilien abgesichert sind, in Zahlungsverzug geraten. Die Studienautoren schätzen, dass die Banken dadurch insgesamt 80 oder gar 160 Milliarden Dollar verlieren könnten.

Es wird auf die Zentralbanken ankommen

Solche Verluste könnten bei betroffenen Banken die Kunden alarmieren, auf den sozialen Medien gingen Gerüchte viral. Bald greifen Kunden zu ihren Smartphones und ziehen Geld ab. Ein digitaler Run setzt ein.

Der Geldabfluss würde die Banken zwingen, jene niedrigverzinsten Anleihen zu verkaufen, die sie nicht verkaufen wollten – zu den aktuell viel tieferen Preisen. Hohe Abschreibungen wären die Folge. Noch mehr Kunden ziehen Geld ab.

Es entstünde eine Vertrauenskrise, die sich auf das gesamte System ausbreitet. Und Krisen in den USA, im grössten Finanzmarkt der Welt, schwappen in der Regel auf Europa und die Schweiz über.

So weit muss es nicht kommen. 2023 sind viele Horrorszenarien nicht eingetroffen, die zuvor befürchtet wurden. Sollten die Büroimmobilien tatsächlich eine Kettenreaktion auslösen, wird viel von den Notenbanken abhängen. Wie in früheren Krise müssen sie schnell eingreifen, das Vertrauen in die Sicherheit von Banken und Sparkonten wiederherstellen. Bis niemand mehr Grund hätte, sein Geld abzuziehen. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
36 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Steibocktschingg
07.01.2024 13:28registriert Januar 2018
Wieso eigentlich ist das Finanzsystem eine endlose Baustelle, über die eine Krise nach der anderen hereinbricht und ein ums andere Mal Zentralbanken und/oder Regierungen eingreifen müssen?
896
Melden
Zum Kommentar
avatar
mrmikech
07.01.2024 13:26registriert Juni 2016
Die Zinsen sind historisch gesehen nicht hoch. Das Problem ist, dass sie vorher viel zu niedrig waren, oder sogar negativ, was Wahnsinn ist. Das ist der Preis, der jetzt dafür bezahlt wird. Es sollen Lösungen gefunden werden, die Zinsen massiv zu senken ist jedoch keine Lösung, da sie auf Dauer nur mehr Probleme kreieren wird.
577
Melden
Zum Kommentar
avatar
Sarkasmusdetektor
07.01.2024 14:17registriert September 2017
Ach, ist doch alles kein Problem, der Staat wird schon eingreifen und sie Zinsen wieder senken oder die Schulden auf die Steuerzahler abwälzen. Dont panic, alles Business as usual.
487
Melden
Zum Kommentar
36
Wird der Bitcoin-Boom zur Mutter aller Blasen?
Die 100’000-Dollar-Grenze war für Bitcoin vielleicht erst der Anfang.

Justin Sun ist der Gründer der Krypto-Plattform Tron. Sein Vermögen wird auf mehr als 30 Milliarden Dollar geschätzt. Da kann man sich auch mal einen Scherz leisten. Für 6,2 Millionen Dollar hat Sun bei einer Sotheby’s Aktion die an die Wand geheftete Banane erworben – und sie postwendend öffentlich verzehrt.

Zur Story