Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) haben übers Wochenende ihre Kanzlerin in Bedrängnis gebracht. Bei der Flüchtlingsfrage und insbesondere dem Familiennachzug gebe es noch «Gesprächsbedarf», sagte ein Sprecher de Maizières. Auch Schäuble äusserte sich in ähnlicher Richtung. Mit anderen Worten: De Maizière und Schäuble unterlaufen öffentlich und unabgesprochen Merkels Politik der uneingeschränkten Aufnahme syrischer Bürgerkriegsflüchtlinge.
Auf die Frage, ob de Maizière dennoch weiterhin das uneingeschränkte Vertrauen der Kanzlerin geniesse, sagte Kanzleramts-Sprecher Steffen Seibert: «Selbstverständlich hat er das.»
Bei de Maizière sollten nun alle Alarmglocken läuten, denn wem die Kanzlerin ihr «volles» oder «vollstes» Vertrauen ausspricht, der ist oft schon wenig später seinen Job los. Wie wenig später, zeigen folgende Beispiele:
Der ehemalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) verantwortet im Herbst 2009 politisch Luftangriffe auf zwei Tanklastwagen bei Kunduz, bei denen viele Zivilisten getötet worden waren. Wider besseren Wissens behauptete Jung, es seien keine Zivilisten getötet worden. Als auffliegt, dass Jung via Nachrichtendienst-Berichte von den Kollateralschäden gewusst hatte, spricht ihm Kanzlerin Angela Merkel am 26. November das Vertrauen aus. Einen Tag später tritt Jung zurück.
Der CSU-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hatte seine Doktorarbeit zu weiten Teilen von Assistenten seines Büros schreiben lassen, hatte kopiert und Fussnoten vergessen. Als das Plagiat aufflog, sprach ihm Bundeskanzlerin Merkel am 17. Februar 2011 das Vertrauen aus. Sie habe zu Guttenberg als Verteidigungsminister berufen und nicht als wissenschaftlichen Mitarbeiter. 12 Tage später gab zu Guttenberg seinen Rücktritt bekannt.
Der deutsche Bundespräsident Christian Wulff (CDU), war von 2009 bis 2012 im Amt. Die «Bild» fuhr eine heftige Kampagne gegen Wulff und warf dem Bundespräsidenten Bestechlichkeit in mehreren Fällen vor. Zuletzt wurde Wulff angekreidet, er habe von einem Auto-Händler einen Bobby-Car für sein Kind angenommen. Am 14. Dezember 2011 sprach Angela Merkel Wulff ein erstes Mal ihr volles Vertrauen aus. 65 Tage später gab Wulff zusammen mit seiner Frau Bettina seinen Rücktritt bekannt.
Annette Schavan (CDU) war von 2005 bis 2013 Bundesministerin für Bildung und Forschung. Wegen Plagiatsvorwürfen, die sich später erhärteten, erkannte die Universität Düsseldorf Schavan die Doktorwürde ab. Weil Schavan gegen diesen Entscheid rekurrieren wollte, trat sie am 9. Februar 2013 zurück. Erst drei Tage zuvor hatte ihr Merkel das letzte Mal ihr Vertrauen ausgesprochen.
Am 18. Juli 2013 sprach Kanzlerin Merkel dem CDU-Innenminister Hans-Peter Friedrich das volle Vertrauen aus. Das war, bevor sie wusste, dass Friedrich den Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) über ein Verfahren in Zusammenhang mit Kinderpornographie gegen den SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy informiert hatte. Friedrich wollte nach eigenen Angaben verhindern, dass Gabriel Edathy in irgendeiner Weise in die Regierung befördert. Am 14. Februar 2014 zwang Merkel Friedrich, sein Rücktrittsschreiben zu verlesen.
Die statistischen Auswertungen bezüglich Amtsdauer nach Ausspruch Merkelschen vollsten Vertrauens finden sich hier und hier. (thi)
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