Das
Jahr 2016 begann mit Pessimismus und endete mit Trump. War es ein so schlimmes
Jahr?
Für uns Investoren war es eigentlich ein ganz gutes
Jahr. Die Aktienmärkte haben sich nicht
schlecht geschlagen, Rohstoffe wie Öl haben wieder Boden gefunden. Und bei den
Obligationen, vor allem bei den Staatsanleihen, ist die Hausse weitergegangen.
Wie
kommt es zum merkwürdigen Widerspruch zwischen abgrundtiefem Pessimismus in der
Politik – Brexit, Trump-Wahl – und dem geradezu überbordenden Optimismus an den
Finanzmärkten? Lesen die Investoren keine Zeitungen?
Die Märkte sehen, dass die US-Wirtschaft wächst und
neue Jobs schafft, dass die Schwellenländer ihre Schwächephase überwunden haben
und dass bei den Rohstoffen wieder normale Verhältnisse herrschen. Sie sehen
auch, dass selbst die europäische Wirtschaft wieder moderat wächst.
Wie
erklären Sie das?
Die lockere Geldpolitik der Zentralbanken zeigt
Wirkung. In Europa fallen die Zinsen nach wie vor, und die Europäische Zentralbank
(EZB) setzt ihre Politik des Quantitativen Easing fort.
Die
lockere Geldpolitik stösst jedoch auf immer heftigeren Widerstand, vor allem in
Deutschland, wo sich die Sparer betrogen fühlen. Wie lange kann die EZB noch so
weitermachen?
Anstatt zu jammern sollten die Sparer ein bisschen mehr
Risiken eingehen. Mit einem gut diversifizierten Portfolio kann man derzeit
vernünftige Renditen erzielen, ohne dabei zu riskieren, das letzte Hemd zu
verlieren.
Trotzdem,
sollten die Zentralbanken nicht allmählich die Zinsen wieder anheben?
Nein, das Wachstum ist noch nicht robust genug. Es
besteht zudem keine Inflationsgefahr und es gibt auch viele Schuldner, die noch
viel heftiger reagieren würden als die Sparer.
Sie raten
den Kleinsparern, mehr Risiken einzugehen und beispielsweise in Aktien zu
investieren. Aber haben sie nicht bereits den Zug verpasst und werden einmal
mehr bei einer Aktienbaisse auf dem falschen Fuss erwischt?
Es stimmt, dass die Kleinen oft zu spät in Aktien
investiert und deshalb schlechte Erfahrungen gemacht haben. Doch derzeit sehe
ich diese Gefahr nicht. Wir befinden uns in einem sehr langen Zyklus. Wir sehen
erst jetzt, wie das Wirtschaftswachstum sich beschleunigt und wie die
Unternehmensgewinne wachsen. Die typischen Anzeichen eines bevorstehenden
Crashs hingegen fehlen: Wir haben keine überhasteten Firmenübernahmen, und wir
haben erst die zweite Zinserhöhung der US-Notenbank, der Fed.
Wann
wird es kritisch?
Sorgen müssen wir uns erst nach der fünften oder
sechsten Zinserhöhung machen.
Ihr
Optimismus in Ehren, aber die politische Situation ist furchterregend.
Wir haben auch 2016 grosse politische Gefahren erlebt
und dabei gesehen, dass die Märkte davon kaum berührt worden sind. Die Märkte
konzentrieren sich darauf, was im wirklichen Leben passiert, und nicht was der
hektische Polit- und Newszirkus produziert.
Was ist mit dem Trump-Faktor?
Trump ist der Katalysator für eine Neubeurteilung. Wir
waren in einer Sackgasse, selbst die Zentralbanker begannen zu sagen: Hey, wir
haben alles getan, was wir konnten. Dank Trump sagen sich nun die Unternehmer
und Manager: Die Dinge ändern sich. Wir
müssen jetzt unsere Zurückhaltung ebenfalls ablegen und den berühmten Finger
herausnehmen.
Und
was, wenn Trump verrückte Dinge tut? Die Präsidentin von Taiwan anruft beispielsweise,
oder seine dumme Mauer gegen Mexiko. Schreckt Sie das nicht ab?
Trump ist auf die Infrastruktur der republikanischen
Partei angewiesen. Sie werden ihn auf den Boden der Realität holen und dafür
sorgen, dass er die Marktwirtschaft und den Kapitalismus stärkt. Die Märkte
sehen deshalb in Trump einen neuen Ronald Reagan.
Trump
ist das Gegenteil von Reagan. Er ist gegen Freihandel und für Protektionismus.
Und glauben Sie wirklich, dass Paul Ryan, der Fraktionschef der Republikaner,
ihm etwas entgegensetzen kann?
Trump ist sehr pragmatisch. Die Mauer ist bereits ein
Zaun geworden. Er will Hillary Clinton nicht mehr ins Gefängnis werfen. Er wird
eine Pro-Business-, Pro-Wachstums-Politik betreiben. Und auch was er über die
Handelspolitik sagt, wird nicht so heiss gegessen, wie es gekocht wurde.
Gleichzeitig
stopft er seine Regierung mit Milliardären und Goldman Sachs-Bankern voll.
Bereits spricht man von einem Crony Capitalism (Vetternwirtschaft).
Ich kann nur wiederholen: Die Dinge müssen sich
verändern. Und es gibt auch ziemlich viele Menschen, die das gut finden.
Vielleicht gibt Trump der Wirtschaft den Extra-Kick, den sie braucht.
Wenn
nicht ein zu starker Dollar alles wieder in Frage stellt.
Wir gehen davon aus, dass der Dollar nicht mehr viel
stärker wird, dass die Inflation milde ausfallen wird und dass die
Zentralbanken keine übertriebenen Zinsschritte machen werden. Unter diesen
Bedingungen kann die Welt mit dem Dollar gut leben.
Ist
das nicht ein allzu rosiges Szenario?
Natürlich kann es Überraschungen geben. Wir haben
einen sehr interessanten Mann im Weissen Haus. Alles könnte ein bisschen aus
dem Ruder laufen, die Inflation beispielsweise. Trotzdem: Vieles deutet
daraufhin, dass 2017 ein sehr gutes Jahr werden wird.
Selbst
konservative Ökonomen betonen, dass Trumps Rechnung nicht aufgehen kann. Es
geht nicht, gleichzeitig die Steuern zu senken und massiv in die Infrastruktur
zu investieren, ohne eine schon sehr hohen Schuldenberg noch viel höher zu
machen.
Ich weiss, dass man das Deutsch sprechenden Menschen
nicht sagen darf, aber: Schulden sind gar nicht so schlimm. Wenn sich die
Wirtschaft verjüngt, die Unternehmenssteuern sinken und die vielen Gelder, die
US-Unternehmen im Ausland gehortet haben, wieder repatriiert werden, dann ist
das verkraftbar.
Trotzdem
basiert Ihr Optimismus letztlich darauf, dass Sie davon ausgehen, dass Trump
seine Wähler angelogen hat.
So weit will ich nicht gehen. Ich denke vielmehr, dass
er die extremen Aussagen im Wahlkampf wieder relativieren wird. Er hat kein
Interesse daran, ein kurzfristiges Strohfeuer anzuzünden. Vergessen Sie nicht:
Trump hat es immer sehr gut verstanden, das Geld der anderen auszugeben.
Was
hat das für Auswirkungen auf Europa?
Trumps Wahl, der Brexit und das verloren gegangene
Referendum von Matteo Renzi – all das waren schlechte Tage für Europa.
Investoren werden daher nächstes Jahr die Finger von Europa lassen.
So
schlimm?
In Europa weiss man derzeit nie so genau, worauf man
sich einlässt. Wie gehen die Wahlen in Frankreich und Deutschland aus? Wer will
die EU ebenfalls verlassen?
Oder
ob es den Euro noch geben wird.
Ich denke, es wird ihn noch geben. Aber wir wissen
nicht, wie er aussehen wird. Die EZB manipuliert die Märkte in einem extremen
Ausmass. Derzeit pumpt sie täglich 380 Millionen Euro in die Märkte.
Und
nun muss sie wahrscheinlich auch noch die italienischen Banken retten. Wie
lange geht das noch gut?
Europa steht vor einer Schicksalsentscheidung.
Entweder ganz oder gar nicht. Die halbherzigen Kompromisse können die Probleme
nicht mehr lösen.
Also
eine richtige Transferunion, was die Deutschen explizit nicht wollen.
Ökonomisch gesehen ist die EU mehr als ein Drittel
Deutschland, zusammen mit Frankreich mehr als die Hälfte. Dann kommen Italien
und Spanien, und dann ein langer Schwanz mit allen anderen. Daher lautet die
Gretchenfrage: Ist Deutschland zu Ausgleichszahlungen bereit oder nicht? Wenn
ja, dann müssen andere Strukturen und Institutionen geschaffen werden. Man kann
dann nicht mehr ernsthaft ein System haben, im dem die Präsidentschaft alle
sechs Monate ändert. Es braucht eine
neue und effiziente Regierungsform.
Was
ist mit Russland? Kann Putin die Rolle des Spielverderbers weiterhin spielen?
Russland ist angeschlagen. Mit den aktuellen
Rohstoffpreisen kann es überleben, aber nicht prosperieren. Die russische
Demographie ist zudem katastrophal. Im Jahr 2050 werden in Russland weniger
Menschen leben als auf den Philippinen.
Die
Schweizer Wirtschaft hat sich in den letzten Jahren fast ideal entwickelt. Wird
das so weitergehen?
Ich bewundere, wie die Schweizer Wirtschaft mit dem
harten Franken umgehen kann. Ich sehe keinen Grund, weshalb sich das ändern
sollte. So gesehen sind die Aussichten für die Schweiz für das Jahr 2017 sehr
gut.