Nach der Finanzkrise 2008/09 erklärte der damalige US-Finanzminister Timothy Geithner: «Es ist besser, einen Plan zu haben, als keinen Plan zu haben.» Dank einem Plan gelang es der Regierung von Barack Obama auch, die Folgen der Finanzkrise in den Griff zu bekommen.
Die Republikaner futieren sich über diese an sich banale Einsicht. Sie finden es nicht nötig, mit einem Parteiprogramm in den Wahlkampf zu ziehen. Stattdessen legen sie einfach das alte von 2016 wieder auf. «Die Republikanische Partei hat und wird weiterhin freudig die America-First-Agenda des Präsidenten unterstützen», heisst es da.
Und was ist mit der Coronakrise? Schon vorbei. Die wenigen Redner, die sie am Partei überhaupt erwähnten, taten dies in der Vergangenheitsform. Klimaerwärmung? Ein Schwindel. Infrastruktur, Gesundheitsreform? Schweigen im Walde.
Anstatt Antworten auf drängende Fragen lieferten die Redner kübelweise Angst. Sie geisselten die neu entfachten Unruhen, schwafelten davon, dass die Vorstädte bald von wilden Horden überrannt würden, und versuchten krampfhaft, den demokratischen Herausforderer Joe Biden als Sozialisten und Anarchisten zu diffamieren.
Ein typisches Beispiel für diese hysterische Angstkampagne lieferte Matt Gaetz, Abgeordneter aus Florida. Er ist zwar nicht die hellste Kerze auf der Torte der Grand Old Party (GOP). Dieses Manko macht er mit masslosen Übertreibungen wett: «Die Demokraten werden euch entwaffnen, die Gefängnisse leeren, euch in eure Häuser einschliessen und Mitglieder von MS-13 [eine gewalttätige Gang aus Mittelamerika] einladen, neben euch zu wohnen», lärmte Gaetz.
Die als Höhepunkt gedachte Rede des Präsidenten war eine einzige Enttäuschung. Einmal mehr ratterte Trump seine üblichen Lügen und Verunglimpfungen herunter, einmal mehr gespickt mit peinlichen Versprechern. So erklärte er, er würde die Nomination zum Präsidentschaftskandidaten des Parteitages «profoundly» (tiefgründig) akzeptieren. Gemeint war eigentlich «proudly» (stolz).
Wer keinen Plan hat, der braucht Kult. Davon gab es reichlich in den letzten vier Tagen. Anstatt verdienter Parteigrössen – die Bushs, die Cheneys und die McCains wurden alle ausgeladen – kamen Speichellecker zu Worte. Selbst Rudy Giuliani durfte kurz ran.
Sonst traten Familienmitglieder reihenweise ans Rednerpult. Sie priesen überschwänglich die tollen Eigenschaften ihres Vaters oder Schwiegervaters.
Peinlicher Höhepunkt war dabei der Auftritt von Kimberly Guilfoyle, der aktuellen Freundin von Donald Trump Jr. Gekleidet in einem viel zu roten Rock und viel zu hohen Stöckelschuhen brüllte sie hysterisch in einen leeren Saal: «The! Best! Is! Yet! To come!». Guilfoyle hat sich damit einen sicheren Platz in der Meme-Galerie des Internets gesichert.
Überhaupt geht die Presse äusserst ungnädig mit den Trump-Festspielen um. Während die Demokraten in der Woche zuvor mit den Corona-bedingten Schwierigkeiten erstaunlich gut klar kamen und eine alles in allem funktionierende Multimedia-Show abzogen, versuchten sich die Republikaner im Reality-TV-Format.
Die meiste Zeit waren Redner im Andrew Mellon Auditorium in Washington zu sehen, die aus den gleichen Kameraperspektiven gefilmt wurden. Das Resultat war TV-Unterhaltung der schlechtesten Art. Kein Wunder, waren auch die Einschaltquoten unterirdisch. «Die amerikanischen Zuschauer werden wohl mit der Schulter zucken und weitermachen», ätzte Peter Spiegel in der «Financial Times». «Die meisten haben gar nicht zugeguckt. Sie haben nichts verpasst.»
Noch schlechter als die Form kommt der Inhalt des GOP-Parteitages bei den Kritikern weg. So spricht Edward Luce, renommierter US-Korrespondent bei der «Financial Times», von einem «Besäufnis im Sinne von Orwell». Selbst Vergleiche mit Nordkorea und Kim Jong Un wurden gezogen.
Natürlich wurde der GOP-Parteitag von Skandalen überschattet. So wurde im Vorfeld bekannt, dass Trumps ehemaliger Chefstratege Steve Bannon angeklagt wird, rund eine Million Dollar veruntreut zu haben.
Jerry Falwell Jr., ein führender Evangelikaler und Trump-Unterstützer der ersten Stunde, trat derweil von seinem Posten als Präsident der christlichen Liberty University zurück. Er musste bekennen, dass er gerne dabei zugesehen hatte, wie seine Frau Sex mit einem jungen Liebhaber gehabt hatte.
Wie der Parteitag haben auch die Skandale kaum Einfluss. Die Meinungen der Wählerinnen und Wähler scheinen gemacht zu sein, die Umfragewerte sind seit Wochen stabil. Joe Biden liegt nach wie vor mit rund acht Prozentpunkten in Führung. Doch sollten sich die Demokraten nicht in falscher Sicherheit wiegen. Die heisse – und wahrscheinlich äusserst dreckige – Phase des Wahlkampfes beginnt jetzt.
Der Buchstabe I (Zusammenhang wie Duschvorhang)
Alle lachen über Trump, alle wissen, dass er abgewählt wird, alle unterschätzen die amerikanische Dummheit und Korruption.
Ich glaube erst, dass Trump abgewählt wird, wenns soweit ist.
Gurgelhals
Zur Erinnerung: Am 28. August 2014 hat Barack Obama bei einem öffentlichen Auftritt einen *beigen Anzug* getragen. Das war so unglaublich, dass die Leute heute noch darüber den Kopf schütteln. Weder vor noch nach ihm hat ein Präsident je die Würde dieses hohen Amts derart durch den Dreck gezogen!
Vipermaschine