Wirtschaft
Konzernverantwortungsinitiative

Glencore-CEO Gary Nagle: Investoren unzufrieden

Glencore Kolumbien La Guajira , Kohlemine Cerrejon
Im kolumbianischen La Guajira betreibt Glencore die Kohlemine Cerrejón.Bild: Getty

Glencore-CEO steht unter Druck: Warum Investoren nicht zufrieden sind

Der Zuger Rohstoffriese hat eine grosse Wette auf das Kohlegeschäft abgeschlossen – und verloren. Der Konzern hat sich in eine Einbahnstrasse manövriert und verliert nun viel kostbare Zeit.
24.06.2025, 20:3124.06.2025, 20:31
Daniel Zulauf / ch media
Mehr «Wirtschaft»

Seit fünf Jahren steht Gary Nagle an der Spitze des Rohstoffriesen Glencore. Im Juli 2021 löste er den langjährigen Chef und Architekten des integrierten Bergbau- und Handelsunternehmens, Ivan Glasenberg, ab. Dieser dürfte als nach wie vor grösster Aktionär mit einem Anteil von fast 10 Prozent in den strategischen Entscheidungen des Konzerns aber immer noch ein gewichtiges Wort mitreden.

Glasenbergs Wette auf die Kohle übernommen

Nagle hatte sich bei seiner Wahl zum CEO den wenig schmeichelhaften Übernamen Mini-Ivan erworben. Der 50-jährige Südafrikaner teilt nicht nur die Herkunft als Gemeinsamkeit mit seinem mächtigen Vorgänger. Den beiden wird auch die gleiche Vorliebe zum Kohlegeschäft nachgesagt.

Geht man nach den offiziellen Zahlen, hat sich das bis dato nicht verändert. Statt das Kohlegeschäft «verantwortungsvoll herunterzufahren», wie dies Nagle nach seiner Wahl zum Glencore-Chef in Interviews öffentlich angekündigt hatte, ist der Konzern just in diesem Bereich gewachsen. 2021 hatte Glencore in seinen Minen in Australien, Kolumbien und Südafrika noch 103 Millionen Tonnen von dem fossilen Energieträger gefördert. Ende 2024 waren es knapp 120 Millionen Tonnen gewesen.

Grossen Investoren wie dem norwegischen Staatsfonds Norges ist die in hohem Mass klimaschädliche Kohleproduktion von Glencore schon lange ein Dorn im Auge. Nicht nur für Norges sind Glencore-Aktien deshalb tabu. Seit dem letzten Höhepunkt von 576 britischen Pence im Januar 2023 haben die Glencore-Aktien 50 Prozent ihres Wertes verloren. Schlechter war kaum eine andere Bergbauaktie.

Glencore CEO Cary Nagle
Er war angetreten, um das Kohlegeschäft «verantwortungsvoll herunterzufahren». Damit ist Glencore-CEO Gary Nagle arg im Rückstand.Bild: Matthias Jurt

Schimpfende Gewerkschafter und frustrierte Aktionäre

Nun sieht sich Glencore gezwungen, die Kohleförderung zu drosseln. So etwa in der Mine Cerrejón im kolumbianischen La Guajira, die bis 2034 ganz stillgelegt werden soll. Das Herunterfahren der Kohleproduktion könnte Glencore noch weit über die Zeit von Nagle und Glasenberg hinaus beschäftigen. Auf der Generalversammlung von Ende Mai bekam das Management zum wiederholten Mal die Kritik von Vertretern von Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen zu hören, die ein verantwortungsvolles Verhalten des Konzerns über den Tag der Schliessung hinaus einfordern.

Inzwischen dürften sich aber auch Glasenberg und seine getreuen Mitaktionäre ihre Gedanken über den ökonomischen Sinn des Kohlegeschäfts machen. Der starke Anstieg der Kohlepreise nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 ist längst in eine Baisse übergegangen. Nach einem astronomischen Gewinn von 17,3 Milliarden Dollar im Jahr 2022 resultierte 2024 ein Verlust von 1,6 Milliarden.

«Gary Nagle steht heftig unter Druck», sagt ein langjähriger Glencore-Mitarbeiter, der damals lieber den Briten Kenny Ives an der Spitze des Konzerns gesehen hätte. Ives stand als seinerzeitiger Chef der Nickel-Sparte für eine Zukunft von Glencore als zentrale Akteurin im Geschäft mit jenen Nichteisen-Metallen, die zur Herstellung von Akkumulatoren und Batterien oder generell zur Bewältigung der Energiewende benötigt werden.

Nagles einstiger Widersacher macht Karriere bei Chinesen

Der langjährige Glencore-Trader wechselt zu IXM nach Genf, der Metallhandelsabteilung des chinesischen Bergbaukonzerns CMOC, wo er inzwischen in die für Nichtchinesen höchstmöglichen Sphären des Managements aufgestiegen ist. Die Chinesen bauen das Geschäft mit den strategischen Metallen stetig aus. Zu schlagen gilt es den langjährigen Dominator Glencore.

Auch andere Rohstoffhandelsfirmen, die ihr Geld lange Zeit zum allergrössten Teil mit fossilen Energieträgern gemacht haben, sind in der jüngeren Zeit auf das Metallgeschäft umgeschwenkt. Die Branchenpublikation Global Trade Review berichtete im Januar vom Unternehmen Mercuria, das sein Metallhandelsdesk in wenigen Monaten von 5 auf über 40 Leute ausgebaut habe. Der Bericht zitierte andere Adressen wie die Genfer Gunvor oder deren Nachbarin Vitol, die sich ebenfalls mit voller Kraft in den Kampf um Kupfer und ähnliche Metalle eingeschaltet haben.

Auch Gary Nagle versuchte es im April 2023 mit einer Übernahme des kanadischen Bergbauunternehmens Teck Resources, das mit einer grossen Kupferproduktion und noch viel grösseren Kupferreserven lockte. Doch der Übernahmeversuch scheiterte. Statt die Sache bleiben zu lassen und das Ziel auf anderen Wegen anzustreben, liess sich Nagle mit dem Trostpreis abspeisen. Glencore übernahm für 7 Milliarden Dollar die kanadischen Teck-Minen, in denen Kokskohle für die Stahlproduktion gefördert wird. Kokskohle ist zwar ökonomisch und ökologisch die bessere Variante als Kraftwerkskohle. Doch der Deal hat Glencore nicht weitergebracht.

Tiefe Börsenbewertung

Im Gegenteil: Andrea Hotter, langjährige Branchenanalystin in der US-Fachpublikation Fastmarkets, schrieb im Januar in einer Kolumne über das Scheitern der in der Gerüchteküche ruchbar gewordenen Fusionsgespräche zwischen Glencore und dem Bergbauriesen Rio Tinto: Die im Konkurrenzvergleich niedrigere Börsenbewertung von Glencore könnte ein Zeichen dafür sein, dass die Kohleaktivitäten von Glencore «für einige Investoren ein unüberwindliches Hindernis» darstellen.

Hotter hat noch eine andere mögliche Erklärung: Der Wert des Handelsgeschäfts von Glencore (dem zweiten Standbein neben dem Bergbaugeschäft) werde im Finanzmarkt entweder gründlich missverstanden oder sei vielleicht eben doch weniger werthaltig, als Glencore dies selber glauben möchte. Auch diese Erklärungsvariante der schwachen Börsenperformance liesse sich indirekt als Folge von Nagles Fixierung auf das Kohlegeschäft auslegen. Immerhin hätte er fünf Jahre Zeit gehabt, das Handelsgeschäft auf Kosten der Kohle und auf eine für die Glencore-Aktionäre vorteilhafte Weise auszubauen.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
VW-Mitarbeitende im Warnstreik
1 / 7
VW-Mitarbeitende im Warnstreik
Teilnehmende des Warnstreiks gegen die Sparpläne von VW am Hauptwerk in Wolfsburg.
quelle: keystone / julian stratenschulte
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Tortenwurf und Nacktauftritt: Klima- und Menschenrechtsaktivisten stören VW-Versammlung
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
12 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Hans G. Muster
24.06.2025 22:01registriert Januar 2024
glencore gehört verboten oder zumindest stärker reguliert.. mit ungefähr 3000 gesellschaften unter ihrer kontrolle, versuchen sie, ihre blutbelasteten tätigkeiten etwas weisser zu waschen…
3711
Melden
Zum Kommentar
12
Direktzug nach London: SBB suchen Partner – auch Virgin-Züge könnten in die Schweiz fahren
In keine andere Stadt reisen Menschen aus der Schweiz öfter als nach London. Doch einen Direktzug dahin gibt es nicht. Das soll sich ändern, findet SBB-Chef Vincent Ducrot.
«When a man is tired of London, he is tired of life», sagte der englische Schriftsteller Samuel Johnson. Die britische Metropole lockt auch 250 Jahre nach diesem Ausspruch Millionen von Besuchern an, darunter viele aus der Schweiz. Etwa 12’000 Menschen fliegen jeden Tag ab den Flughäfen Zürich, Basel und Genf nach London. Einige Passagiere steigen dort auf ein anderes Flugzeug um, doch etwa 8000 haben ihr Endziel im Vereinigten Königreich.
Zur Story