Ob die Louis-Vuitton-Tasche mit klassischem Schachbrettmuster, der Hermès-Gürtel mit dem H als Gürtelschnalle oder das Gucci-T-Shirt mit Logoschrift auf der Brust – diese bekannten Luxusartikel und andere sind in den vergangenen Jahren immer mehr in der breiten Masse angekommen.
Immer mehr Menschen wollen ein bisschen Luxus, indem sie sich mit Statussymbolen eindecken und so dem sozialen Aufstieg ein wenig näher sind. Denn Luxus dient unter anderem genau dem: sich zu erhöhen und von anderen abzugrenzen.
Nicht nur die Reichsten kaufen Luxusgüter. Wie bei den Ferien auf den Malediven, die sich zuerst nur die obersten 10'000 leisten konnten, gehört nun auch die breite Masse zu potenziellen Käufern von Luxusgütern. Laut einer Studie von 2021 werden 75 Prozent der Luxus-Produkte von der Mittelklasse und der Unterschicht gekauft.
Ex-CFO von LVMH, Jean-Jacques Guiony, sagte 2023:
2015 wurde in den USA bereits durch eine Auswertung von Google-Suchanfragen festgestellt, dass von den 40 Suchbegriffen, die in Bundesstaaten mit grösserer Einkommensungleichheit häufig verwendet wurden, mehr als 70 Prozent als Statusgüter (z. B. Designermarken, teurer Schmuck und Luxuskleidung) klassifiziert wurden. Im Gegensatz dazu wurde keiner der Suchbegriffe, die in Bundesstaaten mit geringerer Einkommensungleichheit häufig verwendet wurden, unter Statusgütern klassifiziert.
Es stellt sich nun die Frage, wieso die Menschen Unsummen für Luxusgüter ausgeben, welche man auch für wenig Geld in ähnlicher Form bei günstigen Unternehmen kaufen kann. Erklärt wird das Ganze durch den Veblen-Effekt, der erstmals 1899 vom Ökonomen Thorstein Veblen beschrieben wurde. Veblen erkannte, dass Menschen teurere Produkte als Zeichen von Status und Prestige kaufen.
Der Preis eines Produkts steht also auch für den sozialen Wert. Die Menschen möchten erfolgreich wahrgenommen werden, beispielsweise auch bei der Bewerbung für eine neue Arbeitsstelle. Zu vergleichen ist das beispielsweise mit dem Pfau, der mit seiner Farbenpracht die Weibchen anlockt. Das Phänomen zeigte sich ebenfalls in der Coronapandemie, in der sich die Menschen vermutlich mehr Luxusgüter kauften, um Erfolg zu simulieren.
Heutzutage ist es zudem einfacher, auf ein Luxusgut wie eine Gucci-Jacke hinzuarbeiten, als auf ein Haus, welches sich die jüngere Generation schlichtweg nicht mehr leisten kann.
Wo bis 2008 noch eher wohlhabende Menschen zu den Kunden von Luxushäusern zählten, gehören Luxusgüter heutzutage zur Popkultur und sind aus den sozialen Medien nicht mehr wegzudenken. Influencer wie Leonie Hanne inszenieren sich mit teuren Markenprodukten und schüren den Haben-Wollen-Gedanken bei den Konsumenten.
Auf den Lifestyle wird immer früher aufgesprungen. Die Gen-Z kauft Luxusgüter drei bis fünf Jahre eher als Millennials es tun, nämlich schon mit 15 Jahren. Diese Generationen werden irgendwann die grössten Käufer sein, wird vermutet.
Das Problem mit den Luxusgütern ist aber, dass sich diese die Mittelklasse nicht so einfach leisten kann. Oftmals leben die Menschen so über ihren Verhältnissen, benutzen Angebote von Klarna und Co. und haben horrende Kreditkartenschulden. Das Motto dabei: «Kaufe jetzt, zahle später.»
Die Marken vermitteln mit ihren Produkten die Flucht aus der Realität und stehen für Träume und Sehnsucht. Schon der Einkauf in den Edel-Boutiquen ist ein Erlebnis.
2018 sorgte eine Kampagne der Schuhkette Payless für Schlagzeilen, indem sie eine falsche Luxusboutique eröffnete und 30-Dollar-Schuhe für bis zu 650 Dollar verkaufte. Die Schuhe wurden in einem ehemaligen Armani-Shop schön drapiert und unter der Marke Palessi verkauft. Das Beispiel zeigt, wie schon die richtige Verpackung ein Gefühl von Exklusivität vermitteln kann.
Die Luxusbranche erkannte das Potenzial der neuen Käuferschaft und öffnete sich ihr. Neben Kunden mit «altem Geld» gab es nun auch diese mit «neuem Geld». Ein Beispiel ist «Wolf of Wallstreet» Jordan Belfort. Besonders gut ist die Bewegung bei Rappern wie Capital Bra, Cardi B oder Travis Scott zu erkennen.
Im Hiphop gehört es zum guten Ton, sich mit Markenlogos zuzupflastern. Bei diesem Trend eifern auch die Fans ihren Idolen nach und tragen Guccikappen, Logogürtel oder Bauchtasche mit signifikanten Mustern der Marken. Es geht nicht mehr darum, wofür die Marke steht, sondern es zählt nur noch, dass man eine teure Marke trägt. Dabei wichtig: Das Logo muss gut sichtbar sein.
Im Gegensatz dazu stehen die Vertreter des «alten Gelds», also Menschen, die bereits reich geboren wurden. Die Superreichen müssen keine auffälligen Markenklamotten tragen, um zu zeigen, dass sie es sich leisten können.
Doch auch die Superreichen kaufen weiterhin Luxusgüter. Nur nicht die, bei denen auf den ersten Blick zu sehen ist, dass es sich um eine Designermarke handelt. Demnach fahren die Modehäuser auch verschiedene Strategien, um die unterschiedlichen Kunden anzusprechen. Die auffälligen Markenlogos sind demnach den unteren Schichten vorbehalten.
Die einfach zu erkennenden Markenprodukte werden aber immer unbeliebter. Die NZZ schreibt von einer «luxury fatigue», also Luxusmüdigkeit. Auch LVMH, Kering und Co. leiden darunter. Dazu kommt, dass viele Konsumenten lieber gefälschte Luxusartikel made in China oder aus der Türkei kaufen. Diese Produkte sind oftmals so gut gemacht, dass sie kaum mehr von originalen Produkten zu unterscheiden sind.
Ein anderer Grund für die Krise der Luxusindustrie stellt der genannte neue Käufer-Markt für Luxusgüter dar. Weil Luxusgüter eben von immer mehr Menschen gekauft werden, sind diese weniger exklusiv und anziehend. Wenn Luxus für alle zugänglich ist, ist es eben nicht mehr besonders. Doch genau dafür stand Luxus anfänglich.
Der Trend des Plakativen und Lauten wurde von der «Quiet luxury»-Bewegung abgelöst. Dabei zählen qualitativ hochwertige, zeitlose und stille Designs. Die trotzdem sehr teuren Produkte stehen für den einstigen Luxus, welcher in den vergangenen Jahren verloren gegangen ist.
Den Trend ins Rollen brachte die Serie Succession. Die Familienmitglieder der reichen Familie, die an die Murdochs angelehnt ist, trugen darin schlichte, aber teure Markenkleidung von Max Mara, The Row und Co.
Wie lange sich der Trend hält, wird sich zeigen. Denn in der Mode kommt alles irgendwann wieder zurück.
"Denn Luxus dient unter anderem genau dem: sich zu erhöhen und von anderen abzugrenzen."
Dieses Bedürfnis habe ich einfach nicht.