Asbest-Alarm: SBB müssen 400 Züge überprüfen – das kostet Millionen
Die SBB müssen über 400 Züge im Personenverkehr auf Asbest und andere Belastungen untersuchen. «Im Zeitraum zwischen 2026 und 2030 werden voraussichtlich mehrere tausend Proben entnommen», sagt Sprecher Moritz Weisskopf auf Anfrage von CH Media.
Der Hintergrund: Diese Züge wurden vor 1990 gebaut und sind potenziell belastet. Der Baustoff Asbest wurde in der Schweiz in jenem Jahr verboten. Zuvor hatte ihn die Baubranche massenhaft eingesetzt. Asbest war aufgrund seiner Hitzebeständigkeit und Festigkeit beliebt. Doch das Wundermittel hatte auch tödliche Schattenseiten. Wer die Fasern einatmet, kann an Krebs erkranken. Oft zeigen sich die Folgen erst viele Jahre später. Noch heute sterben laut Suva jährlich 150 Menschen daran.
Um diese Züge geht es
Verdachtsmomente für eine Belastung haben die SBB im Personenverkehr in verschiedenen Fahrzeugen gefunden. Dazu gehören die Fernverkehrszüge EW IV, der Pendelzug DPZ (S-Bahn), wenige Eurocity-Züge, der Regiozug NPZ Domino oder die Loks des Typs Re 420. Dieses Rollmaterial ist noch bis in die 2030er-Jahre im Einsatz. «Neben Asbest sind auch Bauschadstoffe wie Polychlorierte Biphenyle (PCB), Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und Schwermetalle im Fokus», sagt Weisskopf.
Nachdem die SBB den Auftrag zur Prüfung dieser Stoffe im Juni ausgeschrieben haben, ist nun der Zuschlag erfolgt. Demnach gibt die Bahn für die Arbeiten einer spezialisierten Firma 1,4 Millionen Franken aus. Generell geht es darum, vor Reparaturarbeiten oder der Verschrottung der betroffenen Züge Gewissheit über mögliche Schadstoffe zu erhalten. Die hohen Kosten begründen die SBB damit, dass alle Proben analysiert und dokumentiert werden müssten. «Die Beprobungen erfordern zudem Gleissicherheitsschulungen, Schutzausrüstung, Stromgeneratoren, was wiederum zusätzliche Aufwände generiert.»
Ohne Beschädigung besteht keine Gefahr für Passagiere
Mit Blick auf die Asbest-Gefahr wird die Spezialfirma insbesondere Proben aus Bauteilöffnungen wie beispielsweise Dichtungen entnehmen. Diese befinden sich laut SBB in abgetrennten Bereichen, wo Passagiere keinen Zugang haben. Zudem handelt es sich um sogenannte festgebundene Asbestprodukte, bei denen die Fasern fest in eine Matrix eingebunden sind. «Ohne eine Beschädigung kommt es zu keiner Asbestfreisetzung. Es besteht im Fahrbetrieb der Züge keinerlei Gefährdung für unsere Kunden oder das Personal.»
Je nach Ergebnis der Analysen müssen die SBB entscheiden, wie sie die Züge sicher instandhalten beziehungsweise nach ihrem Lebensende ausrangieren können. Auf Basis der Empfehlungen der Spezialisten erarbeitet die Bahn ein detailliertes Schadstoffsanierungs- und Entsorgungskonzept. Für die Umsetzung haben die SBB im Personenverkehr von 2026 bis 2031 3,5 Millionen Franken vorgesehen.
Aufwand hat zugenommen
Diese Kosten dürften künftig noch steigen. Denn die «Vorschriften und fachlichen Anforderungen an Ermittlung, Sanierung und Entsorgung verschärfen sich kontinuierlich», sagt SBB-Sprecher Weisskopf, «sodass gründliche Untersuchungen und anschliessende, fachgerechte Massnahmen notwendiger und aufwendiger werden.»
Diese Sensibilität fehlte der Bahn und den Behörden in den 1970er-Jahren. In den SBB-Werkstätten verwendeten die Angestellten damals sogenanntes Spritzasbest als Isolations- und Dichtungsmaterial. Sie atmeten dadurch die gefährlichen Stoffe ein. Wegen der langen Inkubationszeit wurden erstmals 1994 Todesfälle von SBB-Angestellten bekannt.
Um die Jahrtausendwende zählte die Bahn 80 Asbest-Opfer; 58 waren damals bereits ihrem Leiden erlegen. Nach zähen juristischen und politischen Debatten entstand in der Schweiz 2017 der Entschädigungsfonds für Asbestopfer. Die SBB haben die Stiftung mitgegründet. Die Bahn hat dort bisher zehn Millionen Franken eingezahlt. (aargauerzeitung.ch)
