Wirtschaft
Schweiz

Händler fordern vom Bundesrat rasche Massnahmen gegen Temu

Temu-Kritik: Darum sollte man beim Onlineshop vorsichtig sein
Die Schweizer Händler erhöhen den Druck auf die chinesische Billig-Plattform Temu.Bild: imago-images.de

Sorge um Weihnachtsgeschäft: Händler fordern vom Bundesrat rasche Massnahmen gegen Temu

In einem Brief wenden sich zwölf Handelsverbände an die Regierung. Sie verlangen ein «unmissverständliches Zeichen für den Konsumentenschutz».
15.11.2024, 21:55
Pascal Michel / ch media
Mehr «Wirtschaft»

Die Schweizer Händler erhöhen den Druck auf die chinesische Billig-Plattform Temu. Nachdem verschiedene Verbände bereits diesen Sommer wegen unlauterem Wettbewerb beim Bund interveniert hatten, doppelt eine neu formierte Allianz nach.

Sie umfasst 12 Organisationen – vom Spielwarenverband über die Swiss Retail Federation bis zu Konsumentenschutzorganisationen – und fordert in einem Brief an den Bundesrat ein «unmissverständliches Zeichen für den Konsumentenschutz und faire Wettbewerbsregeln». Der Zeitpunkt der Aktion ist kein Zufall. Die Schweizer Händler sehen das Weihnachtsgeschäft in Gefahr. Dieses sorgt je nach Branche für 20 bis 60 Prozent des Jahresumsatzes.

«Mit unserer Beschwerde im Mai hatten wir uns erhofft, dass bis zur Vorweihnachtszeit Massnahmen ergriffen und kommuniziert werden, um zumindest in lauterkeitsrechtlicher Hinsicht endlich gleich lange Spiesse der Wettbewerber herzustellen», sagt Dagmar Jenni von der Swiss Retail Federation. Sie spricht damit die Beschwerde ihres Verbands vom Mai dieses Jahres an. Darin kritisierte die Lobby-Organisation nicht nur, dass viele Temu-Produkte die hiesigen Sicherheitsvorschriften nicht erfüllten. Auch verscherble die Plattform ihre Ware unter dem Einkaufspreis und werbe mit Fake-Rabatten. Das verstosse gegen die Wettbewerbsregeln sowie gegen die Preisbekanntgabeverordnung.

Täglich eine halbe Million Päckli

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hat sich der Beschwerde angenommen. Kürzlich hat sie gar Temu-Vertreter aus Irland nach Bern bestellt – eine Premiere.

Doch den Schweizer Händlern dauert das zu lange. Man beobachte «die zögerliche Kommunikation angesichts des öffentlichen Interesses» zunehmend mit Sorge, sagt Jenni. «Wie soll ich unseren Mitgliedern erklären, dass sie sich an die Regelungen halten müssen, wenn Billig-Plattformen unbehelligt gelassen und nicht mal offiziell abgemahnt werden?», fragt sie rhetorisch.

Im Brief an den Bundesrat betont der Schweizer Handel erneut, wie Temu ihre Geschäfte bedroht. Täglich verschickten asiatische Plattformen bis zu 500'000 Pakete in die Schweiz. Da diese Sendungen für den Heimgebrauch bestimmt sind, kann sie der Bund nicht kontrollieren. Ganz im Gegenteil zu den Schweizer Händlern, die unzählige Vorgaben erfüllen müssen.

Die Folge: Die Ware aus Asien entspricht häufig nicht den Standards. Der Schweizer Spielwarenverband stellte beispielsweise fest, dass 15 von 18 Spielsachen von Temu und Shein in der Schweiz nicht verkauft werden dürften. Sie enthielten beispielsweise verschluckbare Teile oder waren mit Schwermetallen belastet.

Die zwölf Organisationen fordern die Regierung deshalb dazu auf, «dass alle in der Schweiz verkauften und importierten Waren den hiesigen Produktsicherheitsstandards entsprechen sollen». Ebenso sollen Schlupflöcher bei der Mehrwertsteuer geschlossen und die Kontrollen an der Grenze verstärkt werden, «um den Verkauf unsicherer oder gefälschter Produkte zu verhindern». Schliesslich sollen grosse Online-Händler verpflichtet werden, eine Rechtsvertretung in der Schweiz einzurichten. Die Temu-Muttergesellschaft PDD Holdings hat ihren Sitz in Irland. In der Schweiz gibt es keinen direkten Ansprechpartner für die Behörden.

Ein Vorbild sieht die Schweizer Allianz in der Europäischen Union. Diese hat Temu nicht nur ihren Regeln für grosse Tech-Firmen unterstellt. Im Oktober eröffnete die EU eine Untersuchung unf forderte von der Plattform Antworten darauf, wie die Plattform gegen den Verkauf illegaler Produkte vorgehe. «Dieses Signal aus Brüssel bestätigt die Dringlichkeit des Anliegens», schreibt die Schweizer Allianz gegen Temu. «Eine offizielle Abmahnung durch den Bundesrat würde die Schweizer Bevölkerung insbesondere vor dem Weihnachtsgeschäft auf die Gefahren solcher Online-Plattformen aufmerksam machen und verdeutlichen, dass der Konsumentenschutz ein zentrales Anliegen des Schweizer Marktes ist», heisst es in einer Mitteilung.

Nimmt Temu bald weitere Branchen ins Visier?

Für die neue Allianz ist das Billig-Geschäftsmodell von Temu, das sich bisher hauptsächlich auf Textilien, Elektronik oder Spielzeug konzentriert, erst der Anfang. Deshalb sei es so wichtig, ein klares Signal zu senden. «Aus unserer Sicht ist es nur eine Frage der Zeit, bis diese Billig-Plattformen Wärmepumpen, Solarzellen, technische Geräte und vieles mehr anbieten und so auch andere Branchen treffen.»

Zum aktuellen Stand der Beschwerde gegen Temu war beim Seco bis am Freitagmittag keine Auskunft zu erhalten. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Billigst-Spielzeug von Temu und Shein im Labor untersucht
1 / 11
Billigst-Spielzeug von Temu und Shein im Labor untersucht
Ein Stoff-Spielzeug (mit weicher Füllung) aus China, bestellt über die Temu-App. Dieses Produkt sehen die Fachleute als besonders problematisch ...
quelle: schweizer spielwaren verband (svs)
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Diese Lebkuchen bewegen sich – und sind komplett essbar
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
97 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
manuel0263
15.11.2024 22:38registriert Februar 2017
Hoffentlich kommt niemand auf die böse Idee, der Schweizer Handel möchte sich sein lukratives Zwischengeschäft nicht verderben lassen. Bisher konnte man doch selbst so günstig in China bestellen und in der Schweiz dann stolze Margen erzielen.
17320
Melden
Zum Kommentar
avatar
Walfisch
15.11.2024 23:30registriert Februar 2023
Die Firmen wollten Globalisierung, jetzt ist sie da. Nicht nur für Firmen, sondern auch für Private. Chinesische Produkte aus dem Katalog des chinesischen Produzenten einkaufen, hier umpacken und ein anderer Preis dranschreiben zieht nicht mehr. Diese chinesischen Produkte des chinesischen Produzenten kauft der Private heute direkt an der Quelle ein.
13011
Melden
Zum Kommentar
avatar
Chilliflocke
15.11.2024 23:34registriert August 2023
Ich kann Mensch verstehen die bei Temu bestellen! Ein Produkt bei Temu kostet einen Bruchteil von dem was Amazon für das gleiche Produkt verlangt! Ich denke es spricht eher dafür, dass es sehr viele Mindestlohnarbeiter gibt. Kann ich ausblenden, dass der Konzern absolut korrupt ist, wenn ich meinen Kindern dafür ein Lächeln ins Gesicht zaubern kann? Ja!

Ich persönlich halte mich von Temu usw. fern. Aber ich verurteile keinen Menschen dafür. Es wird in Europa viel zu viel Made in China überteuert verkauft.
9711
Melden
Zum Kommentar
97
Leiche gefunden nach Brand in Nidfurn GL

Ein Wohnhaus ist in Nidfurn im Kanton Glarus in der Nacht auf Donnerstag in Brand geraten. Der einzige Bewohner des Hauses auch am Abend noch vermisst. Die Einsatzkräfte fanden bei den Abbrucharbeiten des Gebäudes allerdings eine Leiche. Ob es sich um den Vermissten handelt, war noch unklar.

Zur Story