Die Rede von Janet Yellen hatte es in sich. An einer virtuellen Veranstaltung des Chicago Council on Global Affairs plädierte die US-Finanzministerin am Ostermontag für eine globale Mindeststeuer auf Unternehmensgewinne. Mehr Ausgewogenheit bei der Besteuerung multinationaler Konzerne sei die Basis für das Gedeihen der Weltwirtschaft, meinte Yellen.
Faktisch sagte die frühere Präsidentin der US-Notenbank FED damit dem internationalen Steuerwettbewerb den Kampf an. Es gehe darum, das «Race to the Bottom» zu beenden, sagte Yellen. Für Länder wie die Schweiz, die bei diesem «Wettrennen» vorne dabei sind, bedeutet dies nichts Gutes.
Die Regierung von Präsident Joe Biden braucht Geld. Viel Geld. Das Corona-Paket von 1,9 Billionen Dollar will sie über Schulden finanzieren. Die dringend notwendige Modernisierung der maroden Infrastruktur und weitere Investitionen im Umfang von 2 Billionen Dollar hingegen sollen durch höhere Steuern für Reiche und Unternehmen bezahlt werden.
Bidens Vorgänger Donald Trump hatte den Unternehmenssteuersatz von 35 auf 21 Prozent gesenkt. Der neue Präsident will ihn auf 28 Prozent anheben. Eine globale Mindeststeuer soll verhindern, dass US-Firmen ihre Gewinne in Steueroasen verschieben. Über die Pläne von Finanzministerin Yellen hatte die «Washington Post» bereits im März berichtet.
Ökonomen wie Nobelpreisträger Joseph Stiglitz unterstützen die Steuerpläne, während sie bei Republikanern und konservativen Demokraten auf Skepsis bis Ablehnung stossen. Der frühere Finanzminister Larry Summers, eigentlich ein Kritiker von Bidens Geldschwemme, bezeichnete die Signale für eine globale Mindeststeuer hingegen als «ermutigend».
Man arbeite mit der G20 zusammen, sagte Janet Yellen am Montag, der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer. Diese wiederum unterstützt ein Reformprojekt der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris. Es basiert auf zwei Pfeilern. Der eine lässt sich vereinfacht als «Digitalsteuer» bezeichnen.
Auslöser waren die US-Techkonzerne wie Amazon, Facebook und Google, die weltweit satte Gewinne erzielen und diese in Steueroasen verschieben, um ihre fiskalische Belastung zu «optimieren». Nun sollen sie einen Teil ihrer Steuern dort abliefern, wo sie die Gewinne erwirtschaften. Frankreich ist dabei mit einer eigenen Digitalsteuer vorgeprescht.
Die Trump-Regierung drohte deshalb mit Strafzöllen, doch nun sind andere Töne zu vernehmen. Finanzministerin Janet Yellen sagte der G20 im Februar, die USA würden nicht länger auf einem «sicheren Hafen» für die Tech-Giganten beharren. Offen ist, ob andere Branchen betroffen sein werden, etwa die für die Schweiz wichtige Pharmaindustrie.
Sie ist der zweite Pfeiler der OECD-Reform. Gepusht wurde sie von Deutschland und Frankreich. Nun wollen auch die USA mitmachen. Dafür gesorgt hat auch eine ernüchternde Analyse des Finanzministeriums zu Donald Trumps Steuersenkungen. Diese hätten die US-Firmen nicht davon abgehalten, ihre Gewinne ins Ausland zu verlagern.
Die OECD wollte ihren Reformplan ursprünglich im letzten Jahr verabschieden, die Corona-Pandemie und der zunehmende Widerstand der damaligen US-Regierung verhinderten dies. Nun will die OECD eine Einigung bis Mitte dieses Jahres erreichen. Dieser Zeitplan ist trotz Rückenwind aus Washington immer noch sehr sportlich.
In Bern ist man nicht erfreut. «Die Einführung von Mindeststeuersätzen schränkt den Wettbewerb ein und kann zu Mehrbelastungen für Unternehmen führen», heisst es auf der Website des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen (SIF). Finanzminister Ueli Maurer warnte 2019 vor hohen Einbussen für Bund, Kantone und Gemeinden.
In den letzten Jahren musste die Schweiz auf internationalen Druck das Bankgeheimnis aufgeben und nicht länger tolerierte Privilegien bei der Unternehmensbesteuerung abschaffen. Die entsprechende Reform wurde vor zwei Jahren im zweiten Anlauf vom Stimmvolk angenommen, gekoppelt an eine Zusatzfinanzierung für die AHV.
Nun droht bereits der nächste Reform-Hammer, der das Schweizer Steuersystem «auf den Kopf» stellen könnte, so Ueli Maurer. Betroffen wären nicht zuletzt Kantone in der Innerschweiz oder am Genfersee, die mit tiefen Steuern Firmen auch aus den USA angelockt haben. Ein globale Mindeststeuer dürfte dieses Geschäftsmodell erschweren.
Als OECD-Mitglied besitzt die Schweiz ein Vetorecht, mit dem sie die Steuerreform verhindern könnte. Das SIF allerdings scheut davor zurück. Es setzt auf eine Strategie der Schadensbegrenzung und will zusammen mit Ländern wie Irland oder den Niederlanden, die ebenfalls mit tiefen Steuern operieren, auf eine moderate Reform hinarbeiten.
Mit dem Vorstoss von Janet Yellen dürfte diese Aufgabe noch schwieriger werden. «Das Thema Steuern ist wieder dort, wo es in der Finanzkrise war und als das Bankgeheimnis fiel: ganz oben auf der Prioritätenliste eines amerikanischen Präsidenten», schrieb die «Schweiz am Wochenende». Auf unser Land dürften erneut unruhige Zeiten zukommen.