Wie in der Finanzkrise suchen die Amerikaner auch in der Coronakrise weltweit nach Steuergeld. Neben seinem Job-Plan kündigte Joe Biden diese Woche einen Steuer-Plan an. Unter anderem sollen die Regeln besser durchgesetzt werden für Konzerne und reiche Amerikaner. Wie in der Finanzkrise, als sie das Bankgeheimnis knackten, werden die Amerikaner auch in der Schweiz suchen – dem immer noch grössten Finanzplatz für ausländisches Geld.
Zwar kann die Schweiz ihr Bankgeheimnis natürlich kein zweites Mal aufgeben. Kein Bundesrat wird sich mehr vor den Finanzplatz stellen, wie das Bundesrat Hans-Rudolf Merz tat, und etwas Vergleichbares ausrufen wie: «An diesem Bankgeheimnis werdet ihr euch die Zähne ausbeissen!» Doch nachdem die USA den Schweizer Tresor geöffnet hatten, schauten sie nicht richtig hinein. Donald Trump vernachlässigte die Durchsetzung amerikanischer Steuergesetze und internationaler Abkommen.
Nach Barack Obama ist mit Biden wieder ein demokratischer Präsident inmitten einer globalen Krise angetreten. Wie Obama will Biden viel Geld ausgeben – sogar noch ungleich mehr. Obama durfte rund 800 Milliarden Dollar zur Stützung der Wirtschaft ausgeben. Sein Nachfolger hat schon 1900 Milliarden für ein Hilfspaket bewilligt erhalten. Diese Woche folgte ein «American Job Plan», der verlotterte Strassen und Brücken upgraden soll. Kostenpunkt: 2000 Milliarden. Und dann ist da sein «Families Plan». Dessen Inhalt ist nicht im Detail bekannt, kostet aber wohl 1000 Milliarden. Macht total rund 5000 Milliarden.
Die Parallelität zur Finanzkrise ist nicht zu übersehen. Obama erhöhte damals die Steuersätze für Superreiche und trieb Steuern strenger ein. Dafür griff er das Bankgeheimnis an, von dem ein Bundesrat einmal sagte, es liege in den schweizerischen Genen. Im Sommer 2009 lieferte die Grossbank UBS einige Tausende von Kundendaten aus. Das Schweizer Verteidigungsbollwerk stürzte krachend ein.
Sucht nach Obama auch Biden in der Schweiz nach Steuermilliarden?
Diese Frage hat die «Schweiz am Wochenende» an Daniel Reck gerichtet. Der Assistenzprofessor an der London School of Economics hat mit Ökonomen der US-Steuerbehörde IRS eine Studie verfasst, die in den grossen US-Zeitungen Schlagzeilen machte. Reck und seine Co-Autoren kamen zu einer aufsehenerregenden Schätzung: Das reichste 1 Prozent der Amerikaner deklariere 21 Prozent seines Einkommens nicht.
Nach diesen 21 Prozent wird Biden suchen: nicht nur in der Schweiz – aber auch. «Es wird Folgen haben für die Schweiz und andere Finanzplätze, dass Biden amerikanische Steuerregeln besser durchsetzen will», sagt Reck. Obama hat der Schweiz zwar das FATCA-Abkommen aufgezwungen. Seitdem müssen die Banken alle Konten von Amerikanern rapportieren und hohe Steuern erheben.
Aber, so Reck: «Die Unsicherheit ist gross, inwiefern solche Abkommen verhindern, dass sehr Wohlhabende noch immer Steuern hinterziehen in ausländischen Finanzplätzen.»
Superreiche können sich von Anwälten und Treuhändern ausgeklügelte Pläne aufsetzen lassen, sagt Reck. Solche Konstruktionen würden von den Behörden nicht erkannt oder nicht durchschaut. Kürzlich kam zum Vorschein, dass ein Software-Mogul zwei Milliarden hinterzogen hatte. Auf den Bermudainseln hatte er Spezialvehikel und in der Schweiz geheime Konten. Es sei eine offene Frage, so Reck, wie weit verbreitet solche Fälle seien.
Die Schweiz bietet hier durchaus Angriffsfläche, findet Daniel Thelesklaf, ehemals Leiter der Meldestelle für Geldwäscherei. Bei den Nichtbanken – Anwälte, Notare oder Treuhänder – sei das Abwehrdispositiv gegen Steuerkriminalität schwächer als bei den Banken. Das zeige sich am Fehlen einer direkten staatlichen Aufsicht. «Hier könnten beträchtliche Risiken für den Finanzplatz schlummern», so Thelesklaf.
Was Biden gegen Steuerbetrug tun will, könnte Obamas Bemühungen im Nachhinein als Kleckereien erscheinen lassen. Sein «TaxPlan» soll den Steuersatz für Unternehmen heraufsetzen. Und Biden will den globalen Wettlauf stoppen, mit dem sich Länder gegenseitig um den tiefsten Steuersatz für Unternehmen unterbieten. Dafür will er ein globales Abkommen für einen Mindeststeuersatz forcieren.
Den Kampf für höhere Steuern führt Biden diese Woche auch, indem er Amazon als Steuersünder blossstellt. Der Online-Riese von Jeff Bezos, einer der reichsten Menschen der Welt, habe im Jahr 2019 keinen einzigen Steuercent an Washington abgeliefert. Gleich zwei Mal sagt Biden in seiner Rede: «Das ist nicht einfach falsch.» Damit führt Biden die Feindschaft mit Amazon fort, die schon Vorgänger Trump gepflegt hatte. Dagegen verbündet sich Biden mit den Unions, den Gewerkschaften. «I’m a union guy.»
Und Biden will eine Initiative nachlegen, um die Steuerbehörde IRS zu stärken. Sie soll mehr Geld erhalten und so die Regeln strenger durchsetzen können. Namhafte Ökonomen haben geschätzt, dass die Behörde so 1,4 Billionen über zehn Jahre eintreiben könnte. Denn zuletzt war sie notgedrungen vergleichsweise soft, auch wenn sie in der Schweiz als harte Eintreiberin gilt. Die IRS wurde über Jahrzehnte kleingespart. Heute hat sie weniger Mitarbeiter als 70 Jahre zuvor. Vor allem die Steuerzahlen von Reichen wurden so kaum überprüft. Trump interessierte sich kaum für die Steuerbehörde.
Mit der Vernachlässigung ist es vorbei. Eine Reform des Steuercodes will Biden auch und wohl höhere Steuersätze für Superreiche. Das Thema Steuern ist wieder dort, wo es in der Finanzkrise war und als das Bankgeheimnis fiel: ganz oben auf der Prioritätenliste eines amerikanischen Präsidenten.