Der amerikanische Präsident schwingt wieder den Zollhammer. Weil die Verhandlungen mit der Europäischen Union stocken würden, will Donald Trump vielleicht schon ab dem 1. Juni sämtliche importierten Güter aus der EU mit einem Strafzoll von 50 Prozent belegen. Dies gab er am Freitag auf dem Internetdienst Truth Social bekannt.
Die Finanzmärkte reagierten heftig auf die Drohung aus Washington. In Frankfurt und Zürich gaben die Börsenkurse stark nach. Auch in den USA sackten die Leitindexe ab, wenn auch anfänglich weniger stark als in Europa.
Der amerikanische Präsident ist der Meinung, die Europäische Union sei nach dem Zweiten Weltkrieg nur deshalb gegründet worden, um die USA zu übervorteilen. Also ist ihm insbesondere das amerikanische Handelsdefizit mit der EU – im Jahr 2024 gegen 236 Milliarden Dollar oder 198 Milliarden Euro – ein Dorn im Auge. Regelmässig beklagt sich Trump darüber, dass die Europäer keine amerikanischen Autos fahren würden oder keine saftigen Steaks aus Texas kauften. Weil sich die «Diskussionen» über eine Ankurbelung der amerikanischen Importe in die EU in einer Sackgasse befänden, greift er nun erneut zum Zollhammer. In einer Woche, ab dem 1. Juni, sollen sämtliche Güter aus Staaten wie Irland, Deutschland, Frankreich und Italien um 50 Prozent verteuert werden, schlug Trump am Freitag vor. Dabei handle es sich um seine «Empfehlung», so Trump.
Die Ankündigung Trumps traf die EU unvorbereitet. Sie kam kurz vor einem Telefongespräch zwischen dem EU-Handelskommissar Maros Sefcovic und dem US-Handelsbeauftragten Jamieson Greer am Freitagnachmittag, welches schon länger geplant war. Eine offizielle Reaktion stand zunächst aus. Der polnische Handelsminister Michal Baranowski gab sich aber demonstrativ gelassen. Die EU und die USA würden verhandeln. Manche täten dies hinter verschlossenen Türen, andere eher vor laufenden Kameras, so Baranowski am Rande einer Pressekonferenz in Brüssel. Er gab zu verstehen, dass man sich nicht von Trumps Druckversuch beeindrucken lassen will. Polen führt zurzeit die EU-Ratspräsidentschaft.
Die Regierung Trump ist unzufrieden damit, dass Washington nicht direkt mit den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union verhandeln kann – und stattdessen mit Brüssel über Handelsfragen sprechen muss. Handelsminister Howard Lutnick bezeichnete die EU diese Woche in einem Interview als «unmöglich». Und er klang dabei wie ein gestresster Familienvater, der die Geduld mit seinem Teenager verloren hat. Weiter sagte Lutnick: «Deutschland möchte einen Deal abschliessen, aber die dürfen das nicht.» Für diese Aussage lieferte der umtriebige Minister zwar keine stichhaltigen Beweise, aber sie zeigt: Washington versucht, einen Spaltkeil in die EU zu treiben.
Die Amerikaner verlangen von der EU, einseitig die Zölle auf US-Waren abzusenken. Während man selbst einen Kompromiss zum beidseitigen Nutzen vorgeschlagen habe, wie zum Beispiel die Abschaffung sämtlicher Industriezölle, verlangen die USA anscheinend, dass die Europäer sich einseitig bewegen, heisst es in Brüssel. Die Regierung Trump habe eine Liste an Forderungen übermittelt, die es zu erfüllen gelte. Dazu gehört auch die Abschaffung der geplanten Steuer auf digitale Dienstleistungen. Darüber will die EU aber gar nicht erst diskutieren. Allgemein hat Brüssel das Gefühl, dass es so nicht geht. Handelspolitisch ist Europa ein Schwergewicht. Dementsprechend will man sich nicht von den USA herumschubsen lassen. 10-Prozent-Basiszölle, welche die Briten in ihrem Deal mit Trump akzeptieren mussten, wird man in der EU kaum schlucken.
Mit fast 900 Milliarden Euro pro Jahr findet rund ein Drittel des gesamten Welthandels zwischen der EU und Amerika statt. Würden die USA 50 Prozent auf europäische Importe erheben, wäre das Schadenspotenzial gewaltig. Klar ist aber auch: Zieht es Trump durch, würde die EU mit Gegenzöllen reagieren. Bereits jetzt hat sie US-Waren von bis zu 26 Milliarden Euro mit Zöllen belegt, die Massnahme während der neunzigtägigen Verhandlungen aber ausgesetzt. Scheitern die Gespräche, würde die EU wahrscheinlich weitergehen und die Dienstleistungen amerikanischer Technologieunternehmen wie Google ins Visier nehmen. Hier sind es die USA, die einen Überschuss von weit über 100 Milliarden Euro pro Jahr aufweisen. Sie sind also verwundbar.
Eigentlich hätten sich EU-Handelskommissar Maros Sefcovic und sein US-Gegenpart Jamieson Greer Anfang Juni in Paris persönlich treffen sollen. Eskalieren die USA die Zoll-Situation jetzt, dürfte dieses Meeting aber unter einem denkbar schlechten Stern stehen. Seit seinem Amtsantritt hat es Trump abgelehnt, sich mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu treffen. Eine Begegnung könnte allenfalls am G7-Gipfel stattfinden, der Mitte Juni in Kanada ausgetragen wird, oder am grossen Nato-Gipfel am 24. Juni in Den Haag. Die Gefahr besteht jedoch, dass dann alles zusammenfällt: Zollstreit und Nato-Streit zwischen Europa und Trump.
Vorderhand nicht. Die Schweiz diskutiert derzeit mit der Regierung Trump über eine Absichtserklärung, die den Zollstreit zwischen den beiden Ländern beilegen könnte. Die entsprechenden Gespräche dauern allerdings an und nehmen damit «etwas mehr Zeit in Anspruch, als beide Seiten vor zwei Wochen angenommen haben», wie die Bundeskanzlei am Freitag CH Media mitteilte. Ziel der Schweiz sei es weiterhin, die Zusatzzölle auf Güter aus der Schweiz «dauerhaft» aufzuheben.
Während die USA grundsätzlich viele lobende Worte über die Schweiz finden und darüber, dass Bern sich «vorausschauend» verhalte und mit Washington über den bilateralen Handel spreche, scheint eine Streichung sämtlicher Importzölle nicht auf dem Programm der Regierung Trump zu stehen. Handelsminister Lutnick bekräftigte diese Woche einmal mehr, dass ein 10-Prozent-Strafzoll die «Untergrenze» der Amerikaner sei. «Niemand geht unter 10», sagte Lutnick, ein alter Freund von Präsident Trump. «Niemand geht unter 10.» (aargauerzeitung.ch)