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Credit Suisse gegen Aktionäre: grösster Rechtsstreit der Schweiz

Das wars: Bei der letzten Generalversammlung der Credit Suisse hatten die Aktionäre nichts mehr zu melden.
Das wars: Bei der letzten Generalversammlung der Credit Suisse hatten die Aktionäre nichts mehr zu melden. bild: Buholzer/Keystone

Aktionäre gegen Credit Suisse: «Der grösste Rechtsstreit, den die Schweiz jemals hatte»

Ein CS-Aktionär hat vor Bundesgericht gegen die zwei vom Zürcher Handelsgericht vorgeschlagenen unabhängigen Experten eine Beschwerde eingereicht.
26.09.2025, 08:4126.09.2025, 10:18
Florence Vuichard / ch media

Drei Milliarden Franken sind nicht genug: Davon sind Tausende von privaten und institutionellen Aktionären der untergegangenen Credit Suisse überzeugt. Beim Notverkauf der CS an die UBS zum genannten Betrag im März 2023 hatten sie nichts zu melden. Das wollen sie nun korrigieren – und sind deshalb selbst vor Gericht gezogen oder haben sich anderen Klägern angeschlossen in einer Art Sammelklage. Sie wollen alle mehr Geld.

Gemeinsam haben sie gegen die UBS schon ein paar Erfolge feiern können. So hat das Zürcher Handelsgericht im Sommer etwa den Streitwert offiziell auf 50 Milliarden Franken angehoben. «Es ist der grösste Rechtsstreit, den die Schweiz jemals hatte», sagt Philipp Lennert, der mit seiner Anwaltskanzlei in Liechtenstein mehrere Hundert private und institutionelle CS-Aktionäre vertritt. «Grösser als der Fall Swissair.»

Zudem hat das Handelsgericht entschieden, zwei unabhängige Gutachter zu mandatieren, die den «Fortführungswert» der Credit Suisse vom 19. März 2023 ermitteln sollen. Dazu muss die UBS auf richterliches Geheiss nun auch Berge von bisher vertraulichen Dokumenten herausrücken, insbesondere interne und externe Bewertungen der Credit Suisse, welche die UBS sowie die untergegangene Bank selbst seit dem Oktober 2022 haben erstellen lassen.

Anwalt: Gutachtern fehle Fachkompetenz und Unabhängigkeit

Bei der Wahl der Gutachter entschied sich das Gericht für Peter Leibfried, Professor an der Universität St.Gallen und Experte für Rechnungslegung, sowie den heute selbständigen Berater und früheren KPMG-Schweiz-Chef Roger Neininger.

Doch diese Wahl stösst auf Widerstand: Die Vertreter des Klägers, der die erste Klage vor dem Zürcher Handelsgericht eingereicht hat, sind mit den vorgeschlagenen Experten nicht einverstanden. Sie haben dagegen Beschwerde beim Schweizerischen Bundesgericht eingereicht.

Das bestätigt Leandro Perucchi, Rechtsanwalt in der gleichnamigen Zürcher Kanzlei, gegenüber CH Media. «Es fehlt den beiden die Fachkompetenz zur Bewertung von Unternehmungen und spezifisch international tätiger Grossbanken».

Als Buchhaltungs- und Wirtschaftsprüfungsspezialisten seien sie es sich gewohnt, die Vergangenheit zu rapportieren. Bei der nun anstehenden Aufgabe zur Bestimmung des Unternehmenswertes brauche es Spezialisten, die in die Zukunft schauen könnten. «Das ist eine ganz andere Disziplin, was in Lehre und Praxis auch klar getrennt wird.»

Zudem seien die beiden vom Zürcher Handelsgericht auserwählten Gutachter befangen, sagt Perucchi. Der HSG-Professor Leibfried könne wohl kaum gegen die Interessen der UBS arbeiten, spende diese doch bis 2030 den Betrag von 20 Millionen Franken an die St. Galler Universität.

Neininger wiederum sei ebenfalls nicht unabhängig; schliesslich war er als Schweiz-Chef der KPMG der oberste Boss gewesen der damaligen CS-Revisionsgesellschaft. Zudem fehle es beiden an Ressourcen und Personal für diese anspruchsvolle Aufgabe.

An der letzten GV der Credit Suisse konnten die Aktionäre zwar noch Kritik äussern, doch am Verkauf ihrer Bank konnten sie nichts mehr ändern.
An der letzten GV der Credit Suisse konnten die Aktionäre zwar noch Kritik äussern, doch am Verkauf ihrer Bank konnten sie nichts mehr ändern. bild: Michael Buholzer/Keystone

Vorschlag: Gutachter aus dem Ausland

In der kleinen Schweiz, wo alle mit allen irgendwie verbandelt sind, ist die Suche nach unbefangenen Gutachtern grundsätzlich schwierig. Auch will es sich wohl kaum jemand mit der letzten Schweizer Grossbank im Lande und damit mit einer potenziellen Auftraggeberin verderben.

Perucchi hat deshalb dem Gericht mehrere Namen von amerikanischen Professoren und hierfür spezialisierten Beratungsfirmen aus dem Ausland unterbreitet, welche allesamt sowohl über das Know-how als auch die Ressourcen verfügten, um die Bewertung innert angemessener Frist durchzuführen.

Die Beschwerde gegen die Wahl der Gutachter wird den Prozess möglicherweise um ein paar Monate verzögern. Doch das nimmt der Beschwerdeführer in Kauf. «Hier geht es um den Kern unseres Rechtsstreits: Um die richtige Bewertung der Credit Suisse», sagt Perucchi. «Zudem geht es um das verfassungsmässige Recht auf einen unabhängigen und unparteiischen Gutachter».

Insgesamt sind beim Zürcher Handelsgericht 39 Klagen eingegangen, wobei sich hinter einzelnen Klägern zum Teil Hunderte oder gar Tausende Aktionäre gruppieren. Die grössten zwei Gruppen sind der Schweizerische Anlegerschutzverein mit Sitz in St.Gallen und das auf juristische Fragen spezialisierte Westschweizer Start-up Legalpass, die rund 2000 respektive über 3000 CS-Aktionären zählen.

Einigkeit zwischen allen Gruppen herrscht hingegen beim neusten Vorschlag des Handelsgerichts: Es will nur den Gutachtern Zugang zu den von der UBS ausgehändigten Dokumenten gewähren. Dagegen werden alle Kläger Einspruch erheben. Denn sie wollen Einsicht. Nur so können sie nachvollziehen, wie die Unternehmensbewertung zustande gekommen ist.

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31 Kommentare
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ELMatador
26.09.2025 09:00registriert Februar 2020
Bei jedem Aktienkauf muss man bestätigen, dass man sich im Klaren ist, dass man alles verlieren kann.

Wäre die Credit Suisse nicht von der UBS übernommen worden, wären die Aktien am nächsten Tag praktisch wertlos gewesen. So hat man wenigstens noch ein paar Rappen pro Franken erhalten – und kann nun hoffen, dass sich der UBS-Aktienkurs erholt, um die Verluste zumindest teilweise zu minimieren.

PS: Aktionärinnen und Aktionäre, die über ein Jahrzehnt hinweg einfach den Verwaltungsrat abgenickt und damit illegale oder hochriskante Geschäftspraktiken toleriert haben, tragen eine Mitschuld.
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