Die Investoren beim österreichischen Immobilienspekulanten René Benko zittern um ihren Einsatz. Um wie viele Milliarden das Signa-Imperium wirklich verschuldet ist, weiss niemand. Zu verschachtelt sind die Konstruktionen. Dem Finanzplatz Schweiz kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Nicht etwa wegen der Luxuswarenhäuser Globus, die zur Hälfte der Signa-Gruppe gehören. Vielmehr hat Benko Zürich zu einem zentralen Drehpunkt für seine tollkühnen Finanztransaktionen erkoren.
Das Hochhaus zur Bastei an der Bärengasse 29, ein Steinwurf von der Bahnhofstrasse, strahlt den kalten Charme eines anonymen Geschäftshauses aus. 27 Firmen sind darin eingemietet, die den Namen Signa tragen. Gegründet wurden sie gleich serienweise. Von der Signa Management GmbH gibt es die Nummern 1 bis 3. Von der Signa Retail Holding sind vorausschauend gleich die I bis VII ins Handelsregister eintragen worden. Bei Bedarf erhalten sie neue Bezeichnungen. So wurde etwa die Signa Retail Holding VII zur Signa 522 Investment und dient als Zwischenholding für das US-Geschäft.
Die zentrale Zürcher Gesellschaft ist jedoch die Signa Retail Selection AG, eingerichtet von der Wiener Signa Retail GmbH. Durch diese Firma laufen - früher oder später - alle Benko-Beteiligungen an Handelsgeschäften. Dazu gehören die hochpreisigen Warenhäuser (Selfridges, Globus, KaDeWe) wie auch Günstig- und Onlinekanäle (Galeria, Hood.de, Dress-for-less). Auch der zuletzt teilinsolvente Sportwarenhandel und die verkauften Gastrobetriebe gehören zur Geschichte der Firma.
Erst im Juni 2017 wurde die Signa Retail Selection mit einem Aktienkapital von 100'000 Franken geschaffen und gleich mit Sacheinlagen in Höhe von 336 Millionen Franken bedient. Dazu zählten etwa alle Aktien der Karstadt Warenhaus wie die Hälfte der KaDeWe-Aktien, die damit von Benkos Heimat Österreich in die Schweiz transferiert wurden. Einen Monat später wurde das Aktienkapital auf 1 Million aufgestockt.
Wiederum ein Jahr später erfolgte eine weitere Sacheinlage über 99 Millionen Franken, die als ordentliche Kapitalaufstockung auf nun 100 Millionen Franken verbucht wurde. Zwei Drittel dieser Summe fielen auf 24.4 Millionen Aktien der Karstadt Warenhaus - der gleichen Firma also, deren Aktien im Vorjahr bereits vollständig übernommen wurden.
Im März dieses Jahres erfolgte bei der Signa Retail Selection der radikale Kapitalschnitt von 100 auf erneut 1 Million Franken. Die Bilanz per September 2022 zeigt, dass die noch junge Firma einen Verlustvortrag von 980 Millionen Franken vor sich herschiebt. Einige Monate zuvor waren die wesentlichen Beteiligungen allerdings auf eine neue Zwischenholding, die Signa European Invest AG, verschoben worden.
Aus dem Gründungsbericht der Signa European Invest geht hervor, dass die Signa Retail Selection nicht nur Aktienpakete im Wert von rund 508 Millionen Franken, sondern auch Darlehen an Schwestergesellschaften in Höhe von 154 Millionen Pfund und 63 Millionen Euro in die Firma einbrachte.
Die Pfund-Darlehen stammen von der britischen Warenhaus-Gruppe Selfridges, die ebenfalls hälftig Signa gehört. Deren Holding, die Cambridge Retail Group Holding Ltd, schloss das Geschäftsjahr 2022 bei einem Umsatz von 805 Millionen Pfund mit einem stolzen Verlust von 95 Millionen Pfund ab. Dies geht aus erst kürzlich publizierten Akten des britischen Geschäftsregisters hervor.
Als wiederkehrendes Muster in Benkos Schachtelsystem wurde zur Signa Retail Selection eine Parallelstruktur geschaffen. Dazu wurde die bestehende Signa Retail Holding III umbenannt in Signa Retail Projekt Beteiligung. Auch diese leistete Sacheinlagen in die Signa European Invest, die dadurch zur neuen Schaltfirma im Komplex der Retail-Beteiligungen wurde. Sie hält etwa alle Anteile der Signa Retail Luxury Holding, in der Benko seine Premium-Warenhäuser versammelt hat. Darunter die 50-Prozent-Beteiligung an der Globus Holding.
Benkos Partner, der thailändische Detailhandelskonzern Central Group, hat schriftlich ein Bekenntnis zu seinem Globus-Engagement abgegeben. Alle seine europäischen Luxusgeschäfte würden die notwendige Unterstützung erhalten, um den Betrieb wie gewohnt weiterführen zu können. Fällt Benko müsste die Central Group wohl die Signa Retail Luxury Holding vollständig übernehmen. Allerdings hat sie damit bloss das operative Geschäft gesichert; die Immobilien sind in einem gesonderten, nicht minder komplexen System verpackt.
Einen vermeintlich einfachen Schnitt hat Benko bei seinem Sportartikel-Bereich gemacht. Nachdem er ein dringend benötigtes 150-Millionen-Euro Darlehen verweigert hatte, sind operative Gesellschaften wie die Tennis-Point insolvent geworden. Die an der New Yorker Börse kotierte Signa Sport United, die als Dachfirma für den Sportwarenhandel eingerichtet wurde, steht damit vor der dem Aus.
Aus Unterlagen der US-Exchange Commission geht die Kaskade der Beteiligungsverhältnisse hervor: Die Signa Sport United ist niederländisch, als Mutterfirma wird die Berliner Signa International Sports Holding GmbH genannt. Diese gehört zur Zürcher Signa Retail Sports Holding GmbH, die wiederum Teil der Signa European Invest AG ist. Die Reihe geht weiter über eine Signa European Invest Holding AG bevor sich die Spuren im Österreichischen verlieren. Was bei einem Konkurs der Signa Sport United bliebe: Die Signa Invest Holding, das Sammelbecken der Investments, hält daran gemäss jüngsten Angaben 54.4 Prozent.
Die Zahl der Akteure, die das Konstrukt steuern, ist überschaubar. Die Zeichnungsberechtigungen und Vollmachten beschränken sich auf eine Handvoll Personen, die über mehrere Ebenen hinweg die Transaktionen begleiten und beglaubigen. Ebenfalls stets mit an Bord ist die Zürcher Wirtschaftskanzlei Wenger Vieli, die zeitweise im Akkord Schriftstücke für die Signa-Gruppe verfasste. Partner Christian Wenger ist dabei auch Verwaltungsratspräsident der Signa Retail Selection AG.
Von Benko selbst ist keine Spur. Aus den Organen seiner Firmen hat er sich längst zurückgezogen, nun hält er sich selbst seinen Investoren gegenüber bedeckt. Einige der hypernervösen Investoren wünschen sich, der entzauberte Zauberlehrling würde auf immer im Verborgenen bleiben. Wer sich dann jedoch bloss aufgrund der Akten in seinem verstricktem Reich zurechtfinden will, hat sich wohl nach Zürich zu begeben: Die zentralen Dokumente müssten sich an der Bärengasse 29 finden. (aargauerzeitung.ch)
Sie können fast schalten und walten wie sie wollen, schlagen sich ihre Wänste voll und machen sich ohne private Verluste, mit ihren zum bersten vollen Hamsterbacken von Dannen.