In der Schweiz ist die heterosexuelle Prostitution seit 1942 legal. Seit 1992 gilt dies auch für die homosexuelle Sexarbeit. Ebenfalls seit 1992 ist die Kuppelei sowie die passive Zuhälterei legal. So sind jährlich etwa 13'000 bis 20'000 Personen im Sexgewerbe tätig, oft Ausländerinnen, die nur wenige Monate in der Schweiz verbringen.
Laut einem Bericht von Swissinfo beläuft sich der Gesamtumsatz des Gewerbes auf ungefähr 3,5 Milliarden Franken pro Jahr. Zum Vergleich, die Gastronomie-Branche verzeichnete 2019 einen Umsatz von etwa 4,5 Milliarden Franken.
In «Sexkauf – eine rechtliche und rechtsethische Untersuchung der Prostitution» wurden die Probleme der legalen Sexarbeit untersucht. Elke Mack, Ethikprofessorin, und Ulrich Rommelfanger, Verfassungsrechtler, trugen in ihrem Buch mehrere Studien und Erkenntnisse zum Sexgewerbe zusammen und analysierten diese.
Darin kommen die Autoren zum Schluss, dass die Legalisierung der Prostitution verheerende Auswirkungen auf Frauen hat. Die Liberalisierung der Sexbranche wurde vor allem von progressiven und feministischen Kräften befürwortet. Man hat sich erhofft, dass durch die Legalisierung die Frauen sauber und selbstständig arbeiten und aus der Illegalität entweichen können. Laut der Untersuchung von Mack und Rommelfanger sei aber genau das Gegenteil eingetreten.
Gerade in Ländern mit einer liberalen Gesetzgebung sei es laut der europäischen Polizeibehörde Europol für kriminelle Organisationen besonders einfach, Menschenhandel zu treiben und Frauen auszubeuten. So profitiere besonders die Mafia davon.
Durch den liberalisierten «Sexmarkt» steige die Nachfrage nach Sexarbeiterinnen. Diese Nachfrage kann von lokalen Sexarbeitern aber nicht erfüllt werden. Deshalb sorgen kriminelle Organisationen für Nachschub. Zwei Drittel aller als Ware gehandelten Menschen landen in der Sexbranche. Davon sind laut Europol rund 92 Prozent ungebildete, junge Frauen oder Mädchen aus einkommensschwachen Ländern, meistens in Afrika oder Osteuropa.
Auch die Europäische Union sieht die Legalität kritisch. So wird im Buch ein aktueller Bericht des EU-Parlaments zitiert, laut dem sich mit der Einstufung der Prostitution als legale Sexarbeit die Anzahl von misshandelten Frauen und Mädchen erhöhe.
Auch der Begriff Sexarbeit wird im Buch kritisiert. So sagt eine Gynäkologin gegenüber den Autoren, dass der Begriff falsch sei, da keine andere «Arbeit» ein ähnliches Schädigungspotenzial aufweist wie der Verkauf des eigenen Körpers. So leiden viele Sexarbeiterinnen an chronischen Beschwerden wie Unterbauchschmerzen, ausgeschlagenen Zähnen oder kaputten Kiefergelenken.
Für den ehemaligen Kriminalhauptkommissar Manfred Paulus ist der Begriff ebenfalls irreführend. Er bezeichnet Prostitution als «Sexsklaverei».
Der Deutsche, der über 30 Jahre lang europaweit im Rotlichtmilieu ermittelte, geht davon aus, dass 95 Prozent aller Prostituierten nicht freiwillig in der Branche tätig sind. Für ihn sei die Prostitution deshalb eine eventualvorsätzliche Vergewaltigung, da man als Freier nicht wissen könne, ob die Frau vor einem freiwillig oder erzwungenermassen ihren Körper verkaufe.
Deshalb plädiert Paulus, wie die Autoren, für die Einführung des sogenannten nordischen Modells. Dabei würde der Kauf von Sex, aber nicht das Anbieten davon strafbar gemacht werden.
Bereits 2020 reichte die EVP-Nationalrätin Marianne Streiff-Feller eine Motion für eine solche Regelung in der Schweiz ein. Der Bundesrat lehnte diese aber ab. Als Grund gab er an, dass es keine empirischen Grundlagen gebe, die beweisen, dass ein Sexkaufverbot die Situation für Sexarbeitende verbessere. Zudem würden die Sexarbeiterinnen dann eher in die Illegalität abrutschen.
Das nordische Modell wurde bereits in Schweden, Norwegen, Kanada, Island, Irland, Frankreich und Belize eingeführt. Laut den Buchautoren habe dies nie zu einer Verschlechterung der Situation geführt, eher zu einer Verbesserung. Deutschland könnte nachziehen, da die SPD sowie die CDU/CSU die Einführung des nordischen Modells befürworten.
Ein weiteres alternatives Modell wäre der nicht prohibitionistische Abolitionismus. Dieser wird in verschiedenen europäischen sowie süd- und mittelamerikanischen Staaten praktiziert. Dabei ist die Sexarbeit legal, die Involvierung Dritter aber nicht. Das heisst, es dürfen keine Bordelle betrieben werden, Zuhälterei ist ebenfalls verboten. Unter anderem Italien, Spanien, England, Brasilien und Mexiko regeln Prostitution auf diese Art.
Das nordische Modell der Prostitution erfreut sich aber nicht nur Beliebtheit. So lehnt zum Beispiel Amnesty International dieses ab und fordert, dass Sexarbeit entkriminalisiert wird. Dabei unterscheidet Amnesty International aber bewusst zwischen Entkriminalisierung und Legalisierung, da bei der Legalisierung ein Arbeitsrecht geschaffen wird, das durch seine Komplexität Sexarbeitende wieder in die Abhängigkeit von Zuhältern oder Bordellen drängen könnte.
Sie liegt daran, dass die Politik keinerlei Interesse daran hat, deren Rechte zu schützen.
Das würde ja Geld kosten.
Wäre da nicht ein Markt für ein Label für faire Bedingungen oder ist dies zu naiv gedacht?