SP, Grüne, Gewerkschaften sowie Arbeitnehmendenverbände kämpfen gegen die vom Parlament im Frühling beschlossene Pensionskassenreform. Sie haben am Dienstag 141'726 Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht. Das Volk wird im März über die Vorlage abstimmen.
Die linken Gegner sagen «Nein zu tieferen Renten», wie auf Transparenten auf der Berner Bundesterrasse zu lesen war. «Das Parlament hat schlecht gearbeitet», sagte der Waadtländer SP-Nationalrat Pierre-Yves Maillard vor den Medien.
Der Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB) kritisierte die Senkung des Umwandlungssatzes, die zu weniger hohen Renten für viele führen würde, als unnötig. «Die Bürgerlichen wollen Gutverdienende nicht in die Verantwortung nehmen.»
Der von den Sozialpartnern im Vorfeld der Parlamentsdebatte ausgehandelte Kompromiss wäre laut Vania Alleva, Präsidentin der Gewerkschaft Unia, fair gewesen. Die nun vorliegende Lösung sei eine «Verarmungsvorlage ohne sozialen Fortschritt». Für Geringverdienende würde die Rente um bis zu 3240 Franken pro Jahr gekürzt.
Gleichzeitig machten Banken und Versicherer mit den Guthaben in der zweiten Säule Milliardengewinne, machte SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer geltend. «Es handelt sich deshalb auch um ein Abzockerproblem.» Die Vorlage müsse zurück an den Absender - ohne Erhöhung der Lohnbeiträge zulasten der Frauen.
Die Zürcher Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber (Grüne), Präsidentin der Gewerkschaft VPOD, zeigte sich zuversichtlich, dass das Volk der Vorlage eine Absage erteilen werde. Die vorliegende BVG-Reform sei «ein Hohn».
Adrian Wüthrich, Präsident der Arbeitnehmenden-Dachverbands Travail Suisse, gab zu bedenken, dass die Linke das Referendum nicht gesucht habe. Nach den Parlamentsentscheiden sei dieses aber unausweichlich geworden. Er glaube an einen «krassen Sieg» am 3. März 2024, dem voraussichtlichen Abstimmungstermin.
Das Referendum wurde mit fast drei Mal so vielen Unterschriften wie nötig eingereicht. Das zeige, dass die Menschen genug vom Rentenabbau hätten, so das Nein-Komitee. Bei der Änderung des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge würden die deutliche Zinswende und die hohe Teuerung komplett ignoriert.
Ausgerechnet jene Generation, die von der Erhöhung des Rentenalters betroffen sei, müsste zusätzlich noch höhere Beiträge zahlen und würde tiefere oder höchstens gleich hohe Renten erhalten, hiess es.
Mit der Reform der zweiten Säule wollen die eidgenössischen Räte die berufliche Vorsorge fit für die Zukunft machen. Die Pensionskassen mussten wegen der Überalterung der Gesellschaft zuletzt mehr Geld für die Finanzierung der laufenden Renten aufwenden, als zuvor von Arbeitgebern und Angestellten angespart worden war.
Der Umwandlungssatz für die Berechnung der Renten soll von 6,8 auf 6,0 Prozent sinken. Dies wird nach den Plänen des Parlaments einem Teil einer Übergangsgeneration mit einem Zuschlag auf die Rente ausgeglichen. Zum Zuge kommt, wessen angespartes Pensionskassenguthaben eine bestimmte Schwelle nicht übersteigt. Profitieren soll rund die Hälfte der Betroffenen aus 15 Übergangsjahrgängen.
Neu soll zudem kein fixer Koordinationsabzug mehr gelten. Stattdessen sollen immer achtzig Prozent des jeweiligen Lohns versichert sein. Die neue Lösung soll die geringer verdienenden Teilzeitarbeitenden - das sind oft Frauen - besserstellen.
Sozialminister Alain Berset hatte im Parlament gewarnt, dass die Vorlage Schiffbruch erleiden könnte. Er gab zu bedenken, dass während der AHV-Abstimmung im vergangenen Jahr verschiedene Versprechen abgegeben worden seien. Mit der nun gewählten Lösung erhalte die Hälfte der Betroffenen keine Kompensation.
Berset wird die Vorlage im Namen des Bundesrats indes nicht mehr verteidigen müssen. Nach seiner Rücktrittsankündigung wird diese Aufgabe seinem Nachfolger oder seiner Nachfolgerin obliegen.
Im vergangenen Jahrzehnt waren alle Reformbestrebungen der zweiten Säule gescheitert. 2010 versenkte das Stimmvolk die Senkung des Mindestumwandlungssatzes von 6,8 auf 6,4 Prozent ohne Kompensationen mit 73 Prozent Nein-Stimmen. 2017 wurde die Senkung des Mindestumwandlungssatzes von 6,8 auf 6,0 Prozent mit einer Kompensation in der AHV verworfen.
(aeg/sda)