«Tal der Tränen»: Das droht dem Franken, wenn Trump über die US-Zinsen bestimmt
Die US-Notenbank Fed fällt diesen Mittwoch wieder einmal einen Zinsentscheid – aber dieses Mal ist vieles anders als zuvor. Und bald, wenn Donald Trump seinen Willen kriegt, wird alles anders sein. Die Fed verliert ihre Unabhängigkeit und einen Weg zurück gibt es nicht, warnt Historiker Peter Conti-Brown von der Universität Pennsylvania in der «Financial Times». Zumindest gebe es keinen leichten Weg zurück, nur einen Weg durch ein «Tal der Tränen».
Der Reihe nach. Der Zinsentscheid wird diesen Mittwoch anders gefällt als sonst, weil Trump neu seinen Wirtschaftsberater Stephen Miran in der Fed platziert hat. Neil Dutta, Chefökonom bei der Beratungsfirma Renaissance Macro Research, sagt dazu:
Wer beim Zinsentscheid vom Mittwoch beteiligt sei, werde vielleicht seine Sicht nicht so offen wie sonst darlegen, sagt Dutta. Immerhin sei es so, als hätte man «den Sohn oder die Tochter des Chefs am Tisch.» Der eine oder andere werde deshalb vielleicht beweisen wollen, dass er sich von dem auf Zinssenkungen drängenden Trump nicht einschüchtern lässt – und deshalb für eine geringere Zinssenkung stimmen, als er oder sie es sonst getan hätten.
Trump hat schon Miran in der Fed platzieren können. Allein dies ist, wie das Wall Street Journal geschrieben hat, ein «einmaliger Vorgang». Aber es ist nicht Trumps wichtigster Angriff gegen die Fed. Das ist sein Versuch, die Fed-Gouverneurin Lisa Cook zu feuern. Trump und die US-Staatsanwaltschaft werfen ihr vor, bei einem Antrag auf eine Hypothek betrogen zu haben.
Es sei nur scheinbar ein rechtsstaatlich korrektes Vorgehen, sagt Conti-Brown. Dafür hätte die Staatsanwaltschaft erst ein Verbrechen entdecken müssen und bei der Suche nach einem Täter auf Cook stossen müssen. Doch sie hätten mit Cook begonnen und nach irgendeinem Verbrechen gesucht, das sie ihr anhängen können.
Demokraten nehmen sich Trump zum Vorbild
Wenn Cook gehen muss, weil Trump es so gewollt hat, wäre allen in der Fed klar: Sie würden wie Cook von der Staatsanwaltschaft verfolgt, wenn sie sich gegen Trump stellen, gegen seine gewünschte Leitzinssenkung um volle 3 Prozentpunkte. Conti-Brown sagt:
Einen schmerzfreien Weg zurück werde es nicht geben, glaubt Conti-Brown. Es gibt ihn natürlich nicht, wenn die Republikaner die nächsten Wahlen gewinnen. Dann kann Trump ohne parlamentarische Gegenwehr weitermachen wie bisher. Es gibt den Weg zurück aber auch nicht, wenn die Demokraten siegen. Selbst dann nicht, wenn die Demokraten den nächsten Präsidenten stellen sollten.
Denn die Demokraten würden den Weg zurück nicht gehen wollen, sagt Conti-Brown. Seit Jahren würden sie von ihrer Basis stark dafür kritisiert, gegenüber Trump eine Verliererstrategie zu fahren: Sie halten jede Norm aufrecht, während er jede Norm bricht.
Deshalb rechne er mit kämpferischen, wütenden Demokraten, die sich andere Politiker zum Vorbild nehmen: nicht Franklin Roosevelt, nicht Barack Obama oder Bill Clinton – sondern Donald Trump.
Deshalb führt laut Conti-Brown nur ein Weg durch ein Tal der Tränen zurück zu einer unabhängigen Zentralbank. Ein Weg mit ausserordentlich hoher Inflation, mit Schäden, die noch über Generationen hinweg zu spüren wären. Eine dieser künftigen Generationen müsse zur Erkenntnis gelangen, dass es doch eine unabhängige Zentralbank brauche.
Wenn der Präsident die Zinsen bestimmt
Für Beispiele müsse man nicht in der US-Geschichte suchen. Vielmehr müsse man in die Türkei blicken, nach Venezuela oder Zimbabwe. In der Türkei setzte Autokrat Recep Erdogan durch, dass die Zentralbank die hohe Inflation nicht mit hohen Zinsen bekämpfte, wie es im Lehrbuch steht – sondern mit tiefen. Die Folge: Die jährliche Inflation stieg auf 85 Prozent.
Unangenehm würde es deshalb auch für die Schweiz. Denn das Vertrauen in den Dollar würde weiter schwinden und was dann passieren könnte, haben die Ökonomen der Bank UBS analysiert. Die globalen Anleger könnten zunehmend Zuflucht im Schweizer Franken suchen, dabei jedoch auf ein Problem stossen: das Angebot an sicheren, liquiden Anlagen sei im Franken sehr begrenzt.
Knappes Angebot, steigende Nachfrage – der Franken könnte kräftig aufwerten. Die Folge wäre: «Der Status des Frankens als Zufluchtswährung wird zunehmend zur Belastung für die Schweizer Wirtschaft.»
In Krisen könnte der Franken zum Problem werden. Die Schweizer Zinsen sind schon sehr tief – auch, weil der Franken als sicher gilt und die Gläubiger weniger Zins verlangen. Wenn es nun eine globale Rezession gibt und der Dollar nicht mehr als sicherer Hafen gilt, wird der Franken noch stärker gesucht sein und kräftiger aufwerten als in früheren Krisen.
Die Schweizerische Nationalbank wird dann mehr tun müssen, aber weniger tun können. Sie hat ihren Leitzins schon auf null Prozent gesetzt. Das Risiko ist grösser, dass sie wieder darunter gehen muss.