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Stereotype Werbung: Neocitran reagiert auf Sexismus-Kritik

Stereotype Werbung: Neocitran reagiert auf Sexismus-Kritik und ändert seinen PR-Spruch

Das Grippe-Medikament sorgte mit einer klischeebehafteten Marketingkampagne zuletzt für negative Schlagzeilen. Nun lanciert die Herstellerfirma neue Videos – mit Anpassungen.
19.02.2024, 05:26
Benjamin Weinmann / ch media
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Screenshot Werbung Neocitran
Szene aus der Neocitran-Werbung mit der fürsorglichen Mutter mit Grippesymptomen in der Hauptrolle.Bild: screenshot youtube

Man könnte es als Aromat der Medizin bezeichnen: Denn wie das Streugewürz in den meisten Schweizer Küchenregalen stehen dürfte, so beliebt ist das Pulver hierzulande bei vielen Personen im Kampf gegen Grippesymptome.

Doch vor rund einem Jahr geriet die britische Herstellerfirma Haleon in die Kritik. Grund war ein neuer Neocitran-Werbespot, der ein stereotypes Frauenbild bediente. Denn gezeigt wurde eine Mutter, die sich um die ganze Familie kümmert. Als sie krank wird, hört man die kleine Tochter sagen: «Ich würde mir wünschen, dass sich Mama auch mal zu sich selber schaut.» Die Lösung ist nicht ein umsorgender Partner oder eine Partnerin, kein entspannendes Bad in Ruhe, sondern natürlich Neocitran. Das helfe, so die Werbestimme, «damit es dir wieder besser geht und du dich auch um andere kümmern kannst».

Firma bedauerte Kritik

Valérie Vuille, Expertin für Gleichberechtigungsfragen, bezeichnete den Spot als problematisch und sexistisch. Die Grundbotschaft des Clips an Mütter laute: «Ihr habt kein Recht, krank zu sein, im Bett zu liegen und um euch selber zu kümmern. Ihr müsst immer eine rasche Lösung finden, um euch wieder um andere zu kümmern.»

Gender-Expertin Valérie Vuille ist Direktorin der Genfer Organisation Décadrée.
Gender-Expertin Valérie Vuille ist Direktorin der Genfer Organisation Décadrée.Bild: zvg

Eine Haleon-Sprecherin sagte darauf, dass der Firma die Kritik leidtue. Man wolle auf keinen Fall ein ungleiches Geschlechterrollenbild sich zunutzemachen oder gar propagieren. Ob Haleon aber auch der eigentliche Spot leidtat, liess die Firma offen.

PR-Botschaft ohne Fürsorgepflicht

Derzeit läuft die neue Werbekampagne von Neocitran. Und siehe da: Die PR-Filme wurden angepasst. Die Mutter muss sich – wie in der ersten Version – nicht auch noch um die Grossmutter sorgen. Und der Werbespruch zum Schluss wurde geändert. Neu heisst es nur noch: «Damit es dir wieder besser geht.» Die Fürsorgepflicht wurde somit gestrichen. Ausserdem gibt es neu auch ein Werbevideo mit einem männlichen Fussballtrainer in der Hauptrolle als Grippepatient. Der ursprüngliche Clip ist derweil online nicht mehr verfügbar.

Haleon nimmt auf Anfrage zu den getätigten Anpassungen keine Stellung und will auch nicht sagen, welche Lehren man aus der Kritik gezogen habe. Ein Sprecher sagt bloss: «Wir möchten an dieser Stelle nochmals darauf hinweisen, dass uns Diversität, Gleichheit und Inklusion sehr am Herzen liegen.» Die Firma unterstütze die Bekämpfung von Stigmatisierung und Diskriminierung und unternehme viel, um die Interessen von Frauen bei Haleon zu unterstützen. (aargauerzeitung.ch)

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224 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Resistance
19.02.2024 06:02registriert März 2014
Es wiederspiegelt einfach die Realität in vielen Familien. Man sollte eher darüber sprechen das dieses Zeug wie wasser gesoffen wird, um sich fit zu dopen.
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N. Y. P.
19.02.2024 06:18registriert August 2018
Ja, jetzt können wir wieder um Begrifflichkeiten wett(g)eifern.

Gender-Expertin Valérie Vuille, Direktorin der Genfer Organisation Décadrée, hat natürlich recht. Man kann den Spot so auslegen, wie sie sagt. Nur, mir Dummbolzen wäre das gar nie aufgefallen. Ich fand den Spot eigentlich unproblematisch.

Sie hat recht, aber das wir das wieder national diskutieren müssen, ist doch reichlich übertrieben.

Ich hätte jetzt lieber ein veganes, schwules Pärchen, das konsequent ÖV fährt, keine Ölheizung hat, sich im WWF engagiert und täglich Sport treibt, im Spot sehen wollen.
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TRN
19.02.2024 06:35registriert Dezember 2021
Irrwege unserer Zeit. Die Werbung zeigt ein realistisches Abbild der Welt. In der Regel kümmern sich Frauen mehr und intensiver um die Kinder. Das hat aber nichts mit einem von einem unterdrückerischen Patriarchat aufgezwängten Rollenbild zu tun, sondern ist das, was (im Durchschnitt) passiert, wenn die Geschlechter frei wählen können. Eventuell ist die Bindung stärker, weil man die Kinder im Bauch getragen hat. Männer schlucken Pillen um arbeitsfähig zu sein. Könnte man auch eine Werbung drüber machen, aber die versuchte Dekonstruktion von allem was ist wird uns nicht glücklich machen.
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