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Arp 107: James-Webb-Teleskop liefert neue Bilder der Galaxien-Kollision

Arp 107
https://webbtelescope.org/contents/media/images/2024/132/01J748WMFS1Q8PS725AXE8STVM?news=true
Arp 107: Kollision zweier Galaxien, links PGC 32628, rechts PGC 32620. Bild: NASA, ESA, CSA, STScI

Galaxien-Kollision – James-Webb-Teleskop liefert spektakuläre Bilder von Arp 107

23.09.2024, 19:59
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465 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt spielt sich im Sternbild Kleiner Löwe ein eindrückliches kosmisches Spektakel ab: Zwei Galaxien sind dort im Begriff, miteinander zu verschmelzen – ein Vorgang, der bereits vor hunderten Millionen Jahren begonnen hat und voraussichtlich weitere hunderte Millionen Jahre dauern wird. Die kleinere elliptische Galaxie PGC 32628 und die grössere Spiral-Galaxie PGC 32620 bilden zusammen das Galaxienpaar Arp 107, das schon vom Hubble-Teleskop abgelichtet wurde.

Nun hat die US-Weltraumbehörde NASA neue Bilder dieser sogenannten wechselwirkenden Galaxien veröffentlicht. Sie stammen vom James-Webb-Weltraumteleskop, das Arp 107 mit seiner NIRCam (Near-Infrared Camera) und seinem MIRI (Mid-Infrared Instrument) ins Visier genommen hat. Aus den von diesen Instrumenten gewonnenen Daten haben die Astronomen ein Bild zusammengesetzt, das eine Fülle von Informationen über die Sternentstehung liefert und weiteren Aufschluss darüber gibt, wie die galaktische Kollision verläuft.

Arp 107
https://webbtelescope.org/contents/media/images/2024/132/01J74EEKPGJ0ZV1J63Y86F4KDM
Das auf diesem Bild gezeigte Sichtfeld hat einen Durchmesser von etwa 450'000 Lichtjahren. Das Infrarotlicht im nahen und mittleren Bereich wurde in Farben des sichtbaren Lichts umgewandelt. Der Farbschlüssel zeigt, welche NIRCam- und MIRI-Filter bei der Aufnahme des Lichts verwendet wurden. Unten rechts der Massstab in Lichtjahren.Bild: NASA, ESA, CSA, STScI

«Brücke» zwischen den Galaxien

So entdeckte das James-Webb-Teleskop eine nahezu transparente weisse «Brücke», welche die beiden Galaxien verbindet und aus Gas und Sternen besteht, die aus den beiden Sternhaufen herausgerissen wurden. Das Infrarotlicht macht zudem alte Sterne deutlich sichtbar, die in beiden Galaxien hell leuchten. Sie werden in Weiss wiedergegeben. Rote und orange Farbtöne wiederum zeigen junge Sterne und aktive Sternentstehungsgebiete. Alles zusammen verleihe Arp 107 «dank der beiden leuchtenden ‹Augen› und des breiten, halbrunden ‹Lächelns› eine fröhliche Ausstrahlung», schreibt die NASA.

Kombinierte Aufnahmen des Galaxienpaars Arp 107, erstellt mithilfe des Hubble-Weltraumteleskops und des Victor M. Blanco Telescope, sowie aus der Sloan Digital Sky Survey (Links die Galaxie PGC 32628, ...
Zum Vergleich: Arp 107 in einer kombinierten Aufnahme mit Daten des Hubble-Teleskops, des Victor M. Blanco Telescope und des Sloan Digital Sky Survey. Bild: Wikimedia

Die grössere der beiden Komponenten von Arp 107, die Spiralgalaxie, zählt zu den sogenannten Seyfertgalaxien. Diese Galaxien gehören zur Klasse der aktiven Galaxienkerne (AGN), die enorme Mengen Energie aus ihrem Zentrum abstrahlen. Die hellsten dieser AGNs besitzen in ihrem Zentrum einen Quasar; ein supermassereiches Schwarzes Loch, das von einer rotierenden Scheibe leuchtender Materie, der Akkretionsscheibe, umgeben ist. Seyfertgalaxien strahlen in der Regel weniger stark als Quasar-Galaxien – deshalb sind sie für das James-Webb-Teleskop leichter zu beobachten, das niederenergetisches Infrarot-Licht nutzt.

Verlust der Spiralarme

Arp 107 weist einige Gemeinsamkeiten mit einer anderen Galaxie auf, die ebenfalls das Ergebnis einer galaktischen Kollision ist: der Wagenradgalaxie (PGC 2248). Diese sogenannte Ringgalaxie, die gut 400 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt ist, verdankt ihre Form dem Zusammenprall einer kleineren Galaxie mit einer grossen Scheibengalaxie. Als die kleine Galaxie mitten durch die grössere hindurchzog, löste dies enorme Schockwellen aus, wodurch Gas und Staub aufgewirbelt wurden, die dann Regionen mit starker Sternentstehungsaktivität bildeten.

Die Wagenradgalaxie ist in dieser Bildstrecke zu sehen (Bild 14):

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NGC 6302, auch «Käfer-Nebel» oder auf Englisch «Butterfly Nebula» genannt, ist rund 4000 Lichtjahre von der Erde entfernt. Das hübsche Gebilde, abgelichtet vom Hubble-Teleskop, ist ein planetarischer Nebel – diese haben nichts mit Planeten zu tun, sondern bestehen aus einer Hülle aus Gas und Plasma, die ein alter Stern am Ende seiner Entwicklung abstösst.
quelle: nasa, esa, hubble/william ostling
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Bei Arp 107 erfolgt der Zusammenstoss aber nicht so wie bei der Wagenradgalaxie – die kleinere Galaxie traf die Spiralgalaxie nicht in deren Mitte, daher konnte diese ihre Struktur grösstenteils beibehalten. Lediglich die charakteristischen Spiralarme sind beinahe vollständig verschwunden. Wenn die Verschmelzung der beiden Galaxien vollendet ist, werden sie eine grössere, unregelmässig geformte Galaxie bilden.

Geburt neuer Sterne

Die Kollision der beiden riesigen Sternhaufen ist ein chaotischer Vorgang. Doch sie führt zur Geburt neuer Sterne, wie die Aufnahme von MIRI im mittleren Infrarotbereich eindrücklich zeigt. Diese jungen Sterne, die in der Spiralgalaxie entstehen, sind blau dargestellt und von Staubpartikeln und organischen Molekülen umgeben, wie sie für Sternentstehungsgebiete typisch sind.

James Webb Space Telelscope's MIRI camera reveals areas rich in hydrocarbons and silicate dust.
https://webbtelescope.org/contents/media/images/2024/132/01J74B5B0C2MKBE2QXTMW46T4Z
Die Aufnahme von MIRI zeigt das supermassive Schwarze Loch im Zentrum der Spiralgalaxie rechts. Es zeigt die für das Webb-Teleskop typischen sechsstrahligen Beugungsspitzen. Die jungen Sterne in der Spiralgalaxie sind blau hervorgehoben. Bild: NASA, ESA, CSA, STScI

Kollisionen können in Galaxien, die nicht aktiv neue Sterne bilden, neue Gasreservoirs bilden und das Gas so komprimieren, dass es dicht genug für die Bildung von Sternen ist. Nicht alle Kollisionen wirken sich jedoch so aus; sie können das Gas auch zerstreuen und den Galaxien dadurch das Material entziehen, das dicht genug für die Geburt neuer Sterne ist. (dhr)

Rundgang durch Arp 107

Das Video beginnt und endet mit einer Aufnahme im mittleren und nahen Infrarot des James-Webb Weltraumteleskops. Dazwischen wird das Bild auf die mittlere Infrarot-Ansicht überblendet, welche die fortschreitende Verschmelzung dieser Galaxien festhält.Video: YouTube/James Webb Space Telescope (JWST)

Kollision der Galaxien: Milchstrasse und Andromeda

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Kollision der Galaxien: Milchstrasse und Andromeda
Der Ist-Zustand: Milchstrasse (das fast vertikale Sternenband rechts) und Andromeda-Galaxie (links) nähern sich gegenseitig mit rund 110 Kilometern pro Sekunde an. (bild: nasa)
quelle: nasa
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Video: watson/nico bernasconi
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Junge Sterne im Paartanz
Hier sehen wir ein eng verbundenes Paar sich aktiv bildender Sterne, aufgenommen in hochauflösendem Nahinfrarotlicht von der NIRCam des James-Webb-Teleskops. Es handelt sich um Protosterne im Herbig-Haro-Objekt 46/47 (HH 46/47).
quelle: nasa, esa, csa
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14 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Waldorf
23.09.2024 20:35registriert Juli 2021
Das faszinierende an solchen "Kollisionen" finde ich, dass die darin befindlichen Sterne so weit auseinander sind, dass es nie eine Kollision im eigentlichen Sinne gibt.
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DonSamotti
23.09.2024 21:00registriert Juni 2019
krass, wie weit in die Vergangenheit wir sehen können. ich bin immer wieder fasziniert von den Bildern des Kosmos.
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