Im Januar 2022 erreichte das James-Webb-Weltraumteleskop seine vorgesehene Umlaufbahn in knapp 1,5 Millionen Kilometern Entfernung von der Erde. Seither hat das rund 10 Milliarden US-Dollar teure Teleskop eine Reihe von atemberaubenden Aufnahmen von zuvor nie erreichter Auflösung geliefert und Einblicke in die tiefste Vergangenheit des Universums ermöglicht.
Nun hat die amerikanische Weltraumbehörde Nasa wieder ein spektakuläres Foto des James-Webb-Telekops veröffentlicht. Es zeigt in hochauflösendem Nah-Infrarotlicht ein Paar von jungen Sternen in ihrer Entstehungsphase – sie sind erst wenige tausend Jahre alt. Das 1977 entdeckte Stern-Paar ist unter der Bezeichnung «Herbig-Haro 46/47» bekannt und befindet sich 1470 Lichtjahre entfernt im Sternbild Segel des Schiffs (Vela). Die aktuelle Aufnahme des Herbig-Haro-Objekts ist nicht die erste, aber die weitaus detaillierteste.
Die neugeborenen Sterne finden sich innerhalb des orange-weissen Flecks im Zentrum der sechs roten und rosa Strahlen auf dem Bild (in Wirklichkeit handelt es sich um sogenannte Beugungsspitzen – ein optischer Effekt, der auf die sechsseitigen Spiegelsegmente des Teleskops zurückzuführen ist). Sie sind in eine Scheibe aus Gas und Staub eingebettet, aus der sie während ihres Wachstums Masse beziehen. Diese Scheibe ist nicht sichtbar, aber ihr Schatten ist in den beiden dunklen, kegelförmigen Regionen zu erkennen, die die zentralen Sterne umgeben.
Auffallend sind die beiden in feurigem Orange dargestellten Flügel, die sich von den sich bildenden Sternen im Zentrum her ausbreiten. Der grösste Teil dieser Materie wurde von den Sternembryos ausgestossen – sie saugen das Gas und den Staub, von dem sie unmittelbar umgeben sind, seit Tausenden Jahren auf und stossen das Material zum Teil wieder aus.
Jüngere Ausbrüche erscheinen als fadenförmige Strukturen in Blau. Diese Jets bilden wellenförmige Muster und verlaufen direkt unterhalb der roten Beugungsspitze bei 2 Uhr. All diese Eruptionen von Sternmaterie sind für die Sternentstehung entscheidend; von ihnen hängt ab, wie viel Masse die Sterne am Ende ansammeln können.
Auch die ausgedehnte, leuchtend blaue Wolke fällt sofort auf. Es handelt sich um einen Bereich aus Gas und Staub, der auch als «Kugelwolke» bezeichnet wird und in der die Sternentstehung stattfindet. Im sichtbaren Licht erscheinen solche Wolken fast schwarz, doch dank der scharfen Infrarot-«Augen» des Webb-Teleskops ist ein Blick in und durch die Schichten der Wolke möglich.
Die Wolke beeinflusst die Form der von den Sternen ausgestossenen Jets, und sie ist auch der Grund, weshalb die Jets leuchten: Wenn das ausgestossene Material mit dem Nebel kollidiert, interagieren die Jets mit den Molekülen in der Wolke, wodurch sie beide zu leuchten beginnen.
Interessant ist, dass es auf der Aufnahme des Webb-Teleskops so aussieht, als wäre Herbig-Haro 46/47 von der Seite fotografiert worden, wobei die linke, grössere Hälfte näher zur Erde geneigt erscheint. Dies ist aber eine optische Täuschung, wie die Nasa schreibt. In Wahrheit ist sie von uns weg gerichtet, obwohl sie grösser und heller ist.
Die Tatsache, dass das Weltraumteleskop so viele Details einfangen konnte, verdankt sich zum einen dem Umstand, dass Herbig-Haro 46/47 sich relativ nah zur Erde befindet. Zum anderen besteht das Bild aus mehreren Belichtungen. Die Farben, die wir hier sehen, wurden übrigens im Nachhinein hinzufügt, um das Bild zu verbessern und die wissenschaftliche Auswertung zu erleichtern.
Die Sternbabys in Herbig-Haro 46/47 werden sich in den nächsten Millionen Jahren zu ausgewachsenen Sternen entwickeln, die ihr Umfeld von diesen fantastisch anmutenden Auswürfen von Materie freiräumen werden. Dann werden sie vor einem mit Galaxien gefüllten Hintergrund sichtbar sein. (dhr)