Warum nicht das Nützliche mit dem Unangenehmen verbinden? Eigentlich wollte der Psychologe Jordan Peterson erst im Frühling Halt in der Schweiz machen. Weil seine Tochter diese Tage allerdings in Zürich operiert wird, tritt er schon diesen Samstag auf.
Trotz der kurzfristigen Ansetzung war die Veranstaltung im Volkshaus innert kürzester Zeit ausverkauft. Egal wo Peterson in den vergangenen Monaten aufgetreten ist, in Australien, Europa oder in den USA: Überall waren die Hallen bis zum letzten Platz gefüllt. Der 56-Jährige wird von Millionen verehrt – und von mindestens so vielen verachtet.
Doch woher rührt der Hass? Peterson sieht junge Männer von Feministinnen unterdrückt. Er glaubt, an den Universitäten werde eine radikal linke Ideologie installiert. Und er sagt, Frauen seien in den 50er- und 60er-Jahren glücklicher gewesen als heute. Ach ja, und dass Frauen weniger verdienen als Männer, habe nichts mit ihrem Geschlecht zu tun. Noch Fragen?
Längst füllen Berichte über Peterson die Feuilletons dieser Welt: Für die «NZZ» ist er ein «Akademischer Rockstar». Der britische «Guardian» nennt ihn den «Selbsthilfe-Guru, den wir gerne hassen». Die «WOZ» titelte: «Dieser Mann sucht Prügel.» Und die «New York Times» nennt ihn den «einflussreichsten Intellektuellen der Gegenwart».
Viele Medienanfragen lehnt Peterson ab, für diese Zeitung macht er aber eine Ausnahme: «Ich bewundere die Schweiz und ihre Eigenständigkeit», sagt er am Telefon. «Ihr wisst offenbar um ihren Wert.» Oft spricht Peterson davon, Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Sich bloss nie ergeben, nein, dagegenhalten, kämpfen. «Lean, mean fighting machine» (schlanke, böse Kampfmaschine) nennen ihn denn auch Freunde und Feinde. Einmal schmeichelhaft, einmal schmähend gemeint.
Berühmt gemacht hat ihn sein Kampf gegen politische Korrektheit. Die kanadische Regierung wollte im Sommer 2017 die Bevölkerung per Gesetz dazu verpflichten, Menschen mit dem von ihnen bevorzugten Personalpronomen anzureden. Lieber würde er ins Gefängnis gehen, als sich dieser linksradikalen Ideologie zu unterwerfen, sagte Peterson. Betroffen seien vor allem die Hochschulen.
Linke Aktivisten würden die akademischen Standards dermassen senken, dass Gender-Studies kaum mehr einen akademischen Wert hätten. «Studierende werden wie in einem Kult indoktriniert.» Wenn es so weitergehe, werde es in 15 Jahren gar keine Männer mehr in den Geistes- und Sozialwissenschaften geben.
Gilt das auch für die Schweizer Hochschulen? «Die kenne ich nicht im Detail», sagt er. Allerdings habe er auf seiner Tour festgestellt, dass so gut wie alle westlichen Universitäten betroffen seien. Aber diese Schlacht möchte der Professor für klinische Psychologie nicht in den Hörsälen schlagen. «Wer mit mir sprechen will, kann meine Veranstaltungen besuchen», sagt er. «Ich brauche keine verrückten Proteste oder Menschen, die mich anschreien.» Das habe er in Kanada zur Genüge erlebt.
In Zürich wird er, wie auf allen seinen Stationen, über sein neues Buch sprechen: «12 Rules for Life», heisst der Bestseller, der zurzeit in über 45 Sprachen übersetzt wird. Es soll den Menschen Halt und Struktur geben. Allerdings klingen viele der Regeln banal: «Steh aufrecht und mach die Schultern breit», «Sag die Wahrheit – oder lüge zumindest nicht» oder «Räum erst mal dein Zimmer auf, ehe du die Welt kritisierst», heisst es darin. Bahnbrechend ist das nicht. «Die Leute spüren, dass diese Regeln richtig sind», erwidert Peterson. Er liefere den intellektuellen Hintergrund. «Die Menschen lechzen nach Orientierung.»
Doch so simpel gestrickt, wie es seine 12 Regeln sind, ist der Kanadier nicht. Er kann Menschen fesseln, wie es nur wenigen gelingt. Ein Journalist des «Magazins» konnte es kaum fassen: «Dieser Mann kroch in meine Träume, wie ich es seit meiner Kindheit nicht mehr kannte», schreibt er. «Obwohl ich doch im Grunde alles ablehne, wofür Peterson steht, war ich in seinen Fängen.»
Andere lässt Petersons rhetorische Gewalt hingegen erschaudern. «Ich war sein grösster Unterstützer, jetzt halte ich ihn für gefährlich», sagt der ehemalige Leiter seiner Fakultät in Toronto. «Peterson hat autoritäre Demagogen studiert und von ihnen gelernt, besonders was den Umgang mit Massen angeht.» Dem widerspricht Peterson. Ihm sei jede Ideologie zuwider. «Denkt die Dinge durch, bevor ihr sprecht, und bildet euch eure eigene Meinung.» Aber ja, er wisse tatsächlich, wie man ein Publikum fesselt.
Das wird er wohl auch am Samstagabend in Zürich beweisen. Und Peterson hat schon Lust auf mehr: «Es wird nicht das letzte Mal sein, dass ich in die Schweiz komme.» Im Mai oder Juni wolle er erneut auftreten – wenn möglich in mehreren Städten.