«... Bilden Sie sich Ihre eigene Meinung. Wenn Sie es glauben wollen, können Sie das. Wenn Sie es nicht wollen, ist das auch in Ordnung. Aber respektieren Sie die Tatsache, dass ich lange darüber nachgedacht habe, trotz meines eigenen Widerstands gegen diese Idee, und dass ich zu dem Schluss gekommen bin, dass es eine deutliche Wahrscheinlichkeit gibt, dass all dies geschehen sein könnte. Mir wäre es viel lieber, wenn ich mir absolut sicher sein könnte, dass nichts davon stattgefunden hat. Aber an diesen Punkt kann ich nicht zurückkehren, so gern ich das auch täte. Das wurde mir klar, als ich meine eigene Stimme auf den Aufnahmen gehört habe.»
Barney Hill in «The Interrupted Journey» von John G. Fuller
Das Ehepaar Hill fährt mit seinem Chevrolet Bel Air von der kanadischen Grenze über die White Mountains heim nach Portsmouth, New Hampshire. Wegen der Hurrikan-Warnung sind sie bereits in der Nacht losgefahren.
Es ist der 20. September 1961. Acht Jahre vor der Mondlandung und drei Jahre vor dem Civil Rights Act.
Betty ist weiss, Barney ist schwarz. Sie ist 41, Sozialarbeiterin und Assistenzsekretärin für die NAACP (National Association for the Advancement of Colored People), er ist 39, arbeitet in der Nacht für die Post und am Tag für die Partei. Beide sind Mitglieder der liberalen Religionsgemeinschaft Unitarian Universalist Association.
Ihr Dackel Delsey liegt im Fussraum unter Betty, sie sind auf der U. S. Route 3 unterwegs. Um spätestens drei Uhr morgens müssten sie zuhause sein, rechnet Barney aus.
Betty schaut aus dem Fenster in den wolkenlosen Nachthimmel. Sie sieht den Mond und daneben einen Stern oder einen Planeten vielleicht. Plötzlich taucht darüber nochmals etwas auf. Es scheint grösser und heller zu werden, Betty schaut ihm lange schweigend zu, bis sie Barney anstupst, er solle anhalten und sich das ansehen. Barney fährt langsamer, sie sind ganz allein auf der Strasse. «Ein Satellit!», sagt er. Zweifellos sei er vom Kurs abgekommen und scheine sich entlang der Erdkrümmung zu bewegen. Er sieht aus der Entfernung aus wie ein fliegender Stern. Oder ist es nur das fahrende Auto, das es so aussehen lässt, als würde er sich bewegen?
Bald verschwindet er hinter den Bäumen, dann kommt er wieder hervor. Der Hund wird nervös.
Barney hält den Wagen an. Jetzt sieht es Betty. Das Licht bewegt sich. Sie holt den Feldstecher und lässt es nicht mehr aus den Augen.
Nördlich von Cannon Mountain ist Betty sich sicher, dass es auch kein Satellit sein kann. Dieses Etwas ändert seinen Kurs auf viel zu unberechenbare Weise. «Ein Flugzeug!», schlägt Barney nun vor. Aber warum fliegt es so irr? «Ein Piper Cub», meint er dann, «mit verirrten Jägern an Bord.»
Doch es ist keine Jagdzeit.
Und zu hören ist auch nichts. Kein Motor. Kein Propeller.
Barney hält bei einer Picknickstelle. Durchs Fernglas sieht er ein zigarrenförmiges Flugobjekt ohne Flügel, dafür mit blinkenden Lichtern. Gelb, orange, rot, blau, grün.
«Ein Militärflugzeug!», sagt er jetzt. «Aber warum kommt es immer näher? Warum versucht es, uns einzukreisen?» Er steigt wieder ein und fährt weiter. Betty weiss, dass er Angst hat. Sie hat keine. Sie ist vielmehr hellwach, gefesselt von diesem Objekt, das sie nun ganz klar verfolgt. Der Hund wimmert.
Sie sieht, wie es ein paar Hundert Meter oberhalb ihres Chevrolets schwebt, riesig, aber da sind keine farbig blinkenden Lichter mehr, bloss ein weisses, konstantes Schimmern, dann erscheinen an den Seiten zwei rote Lichter. «Barney, guck!», ruft sie und er hält den Wagen an, mitten auf der verlassenen Strasse.
Er nimmt den Feldstecher, öffnet die Tür und sieht, wie dieser gigantische Pfannkuchen lautlos in der Luft hängt. Dann steigt er aus und geht darauf zu, läuft mitten in die Bedrohung hinein, so wie er es als Kind auf den Strassen von Philadelphia und als Soldat auf den Schlachtfeldern des Zweiten Weltkrieges getan hat. Barney ist kein Feigling.
Er ist jetzt nur noch etwa 15 Meter weit davon entfernt, zwischen einem verschlossenen Gemüsestand und einem knorrigen alten Apfelbaum stehend hört er Betty nicht, wie sie nach ihm ruft. Er schaut hoch zu jenem Ding mit den doppelten Fensterreihen und den Gestalten dahinter. Es sind fünf oder sechs, sie tragen Uniformen und starren ihn an. Dann treten alle weg und wenden sich dem dahinter liegenden Kontrollboard zu. Nur einer bleibt stehen. Der Führer.
Barney will das Fernglas absetzen, aber es scheint an seinen Augen festzukleben, er bekommt es nicht herunter, starrt zurück in diese Führeraugen, die er nicht sehen will, reisst und zerrt so fest, bis sich der Feldstecher endlich löst. Dann rennt er zurück zum Auto.
«Sie werden uns entführen!», schreit er beinahe panisch, als er Gas gibt. «Betty, schau, ob es uns verfolgt! Wo ist es?»
Betty schaut nach oben. Alles ist dunkel, selbst die Sterne sind nicht mehr zu sehen. Dafür hören sie ein Piepen.
«Beep, beep – beep, beep, beep ...»
Dann kommt die Schläfrigkeit, der Nebel über die beiden. Bis sie irgendwann durch ein zweites Piepen aus ihrem Dämmerzustand gerissen werden. Barney sitzt am Steuer, Betty daneben. Sie sind irgendwo in der Leere von Ashland.
«Glaubst du jetzt an fliegende Untertassen?», fragt Betty und Barney sagt: «Mach dich nicht lächerlich, sicher nicht!»
Als sie zuhause ankommen, ist es fünf Uhr auf der Küchenuhr. Sie haben zwei Stunden verloren. Zwei Stunden und 35 Meilen, die ihnen zwischen diesen «Beep»-Tönen, zwischen Indian Head und Ashland abhandengekommen sind.
Barney rennt sofort auf die Toilette, um seinen Unterleib zu untersuchen. Wieso, weiss er selbst nicht. Sowieso fühlen sie sich merkwürdig, so als würden sie beobachtet, als wäre da noch immer etwas. Betty zieht ihr Kleid und ihre Schuhe aus und verstaut sie ganz hinten im Schrank. Sie wird die Sachen nie wieder tragen. Und warum das lederne Halsband vom Feldstecher zerrissen ist, können sie sich auch nicht erklären.
Dann fallen beide in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Barney will seiner Frau auch am nächsten Morgen nicht erzählen, was er im Feld draussen gesehen hat.
Barney versuchte alles zu verdrängen. Es konnte einfach nicht sein. Jene Erfahrung spielte sich ausserhalb seines Glaubens- und Wissenshorizontes ab, riss die Grenzen des Möglichen so gnadenlos nieder, dass er völlig gelähmt und verstört zurückblieb.
Betty hingegen reagierte ganz anders. Sie wollte wissen, was ihnen da widerfahren war, wo die zwei Stunden hin waren. Von geradezu detektivischem Eifer gepackt, rief sie ihre Schwester an, die selbst einmal ein UFO gesehen haben wollte, und die meinte, sie seien vielleicht von irgendetwas verstrahlt worden. Sie könne das mit einem normalen Kompass prüfen.
Sofort holt Betty den Kompass, rennt zum Auto hinaus, wo sie an dessen Heckscheibe ein paar rätselhafte, kreisrunde Flecken entdeckt. Und als sie den Kompass darauf richtet, dreht die Nadel durch. Von hier hinten kamen auch die Piepgeräusche, erinnert sie sich jetzt.
Barney wollte von alledem nichts wissen. Nicht mal seinen engsten Freunden erzählte er von den Gestalten, die er am Fenster dieses sonderbaren Flugobjekts gesehen hatte. So eine unglaubwürdige Geschichte würde bloss seine Arbeit im Civil Rights Movement beeinträchtigen.
Doch Betty liess nicht locker. Sie teilte ihr Erlebnis mit der Pease Air Force Base in Portsmouth und später mit dem National Investigations Committee on Aerial Phenomena (NICAP) in Washington. Und sie erfuhr, dass sie und Barney nicht die einzigen Menschen da draussen waren, die ein UFO gesichtet hatten. Das NICAP sammelte alle Informationen zu solch eigenartigen Sichtungen, um sie wissenschaftlich zu untersuchen – und gegebenenfalls die Bevölkerung zu warnen.
Niemand lachte über die Geschichte der Hills und niemand schien sie für sensationslüsterne Versponnene zu halten. Und als Walter Webb, Berater der NICAP und Dozent des Hayden-Planetariums in Boston, zu ihnen nach Hause kam, um sie getrennt, zusammen, vor- und rückwärts über den Vorfall zu befragen, wurde auch Barney zum ersten Mal gesprächig. Seine Zweifel an der Glaubwürdigkeit seiner eigenen Geschichte aber liessen ihn noch lange nicht los.
Walter Webb hingegen glaubte den Hills. Er selbst hatte schliesslich schon einmal ein UFO gesehen. Und die Geschichte dieses Ehepaars wies Parallelen zu anderen Sichtungen auf, die zu jener Zeit nur in Geheimakten existierten. Unglücklicherweise aber vergass er ob all der Aufregung ganz, die von Betty geschilderten, ominösen runden Flecken an der Autoscheibe zu untersuchen. Und so verschwand das einzige physische Zeichen eines noch ungeklärten Zusammentreffens ohne weitere Erforschung.
Was zwei Jahre später immer noch da war, war dieses klaffende Loch von zwei Stunden, an die sich beide gleichermassen nicht erinnern konnten. Allmählich aber fing es an, sich zu füllen. Mit Bettys Alpträumen und Barneys Magengeschwür.
Und immer wieder litten sie unter Angstzuständen, besonders Barney. Sein Therapeut sah die Mischehe als Problem, den Rassismus, den er immer wieder erlebte und erwartete, jedes Mal, wenn er ein Restaurant oder ein Hotel betrat. Doch das war nicht die Ursache seiner Angst. Barney wusste sich stets dagegen zu wehren. Auch mit Gewalt. Das, wovor ihm graute, war etwas anderes. Etwas Unbekanntes. Etwas nicht Menschliches.
Im Zuge der Untersuchungen ihrer Geschichte hatte man den Hills eine Hypnose-Therapie vorgeschlagen, man nutzte diese damals besonders im Falle von Kriegstraumatisierten, unter den an «shell shock» leidenden Soldaten.
Vielleicht, so mutmassten die NICAP-Verantwortlichen, habe auch das Ehepaar Hill eine Art traumatische Erfahrung gemacht in jener Nacht vom 20. September 1961. Vielleicht liege sie seither gut verschüttet unter anderen Erinnerungsbruchstücken irgendwo in ihrem Unterbewusstsein.
Doch inzwischen war eine diffuse, unerklärliche Angst an die Oberfläche gekommen. Und ein kleiner Kreis von Warzen in Barneys Leiste – dort, wo er sich nach dem beklemmendem Erlebnis untersucht hatte –, der sich allmählich zu entzünden begann.
Es war an der Zeit, zu graben.
Und Dr. Benjamin Simon, ein auf Hypnose spezialisierter Neurologe und Psychiater, tat es.
Behutsam durchbrach er die Schranken, die Bettys und Barneys Gehirne aufgestellt hatten, und wühlte sich Schritt für Schritt durch die dahinter verborgene Erlebniswelt.
Er hypnotisierte sie getrennt voneinander in mehreren Sitzungen und baute selbst wieder Sicherheitsbarrieren ein, sodass das unter Hypnose Erzählte von seinen Patienten so lange nicht in ihr Bewusstsein gelangte, bis er die ganze Geschichte kannte und sich sicher sein konnte, dass sie das Erlebte schadlos verkraften würden. Auf diese Weise konnten Betty und Barney auch nicht über die einzelnen Therapiestunden sprechen und so Einfluss aufeinander und die anstehenden Sitzungen nehmen.
Dr. Simons Ziel war es, die beiden von ihren Ängsten zu befreien, indem er deren Ursache aufdeckte. Auf dass die beiden ihren Alltag wieder zu bewältigen vermochten. Und das gelang ihm. Was ihm allerdings nicht gelang, war, eine befriedigende Erklärung dafür zu finden, was in jener Nacht wirklich geschehen war.
Samstag, 4. Januar 1964: Barney sitzt bei Dr. Simon im Sessel. Der Arzt schickt ihn mit dem bereits erprobten Schlüsselwort sofort in eine tiefe Hypnose und 836 Tage zurück in die Vergangenheit. Er drückt die Aufnahmetaste seines Tonbandgeräts.
Barney fühlt sich entspannt. In jenem veränderten Bewusstseinszustand klingt seine Stimme ungewohnt gleichförmig und auch seine Sätze baut er ganz anders, einfacher, mit vielen «Unds» an den Anfängen. Die Fragen des Doktors beantwortet er mit einer unheimlichen Präzision und bleibt dabei fast immer in der Gegenwart, ein Zeichen dafür, dass er die Geschehnisse nicht nur nacherzählt, sondern nochmals durchlebt.
[...]
Barney: Ich kann kein Geräusch hören.
Doktor: Überhaupt kein Geräusch?
Barney: Ich will einen Jet hören. Oh, ich will unbedingt einen Düsenjet hören. Ich will ihn hören.
[...]
Barney: Betty macht mich wütend. Sie macht mich wütend, weil sie sagt: ‹Sieh es dir an! Es ist seltsam! Das ist kein Flugzeug! Sieh es dir an!› Und ich denke immer wieder: ‹Das muss es aber sein.› Und ich will ein Brummen hören. Ich will einen Motor hören.
[...] Und ich versuche, die Kontrolle zu behalten, damit Betty nicht merkt, dass ich Angst habe. Gott, ich habe Angst!
Barney schnauft, schluchzt, schreit. Er ist ausser sich, aber der Doktor schafft es, ihn zu beruhigen. Ihm zu versichern, dass ihm nichts passiert, dass er sich gefahrlos erinnern kann – und Barney fährt fort:
Er steht auf dem Feld und da sieht er es, diesen fliegenden Pancake mit den doppelten Fensterreihen und die dahinter stehenden Gestalten.
[...]
Barney: Und das böse Gesicht des ... Führers. Er sieht aus wie ein deutscher Nazi. Er ist ein Nazi.
Doktor: Er ist ein Nazi. Trägt er eine Uniform?
Barney: Ja.
Doktor: Was für eine Uniform?
Barney: Er hatte einen schwarzen Schal um den Hals, der über seine linke Schulter baumelte.
Doktor: Wie konnten Sie die Figuren auf diese Entfernung so deutlich sehen?
Barney: Ich habe sie mit meinem Feldstecher betrachtet.
Doktor: Ach so. Hatten sie Gesichter wie andere Menschen? Sie sagten, einer sah aus wie ein rothaariger Ire.
Barney: Seine Augen waren schräg. Oh – seine Augen waren schräg! Aber nicht wie bei einem Chinesen. Oh. [...]
Die Gestalt will ihm etwas sagen, aber seine Lippen bewegen sich nicht. Barney sieht es im Gesicht. In diesen Augen. Sie sagen: «Bleib da, schau weiter zu mir, bleib da.» Aber Barney will nicht. Er will weg da.
Barney versucht, die Augen zu beschreiben, doch ihm fehlen die Worte. Noch nie hatte er solche Augen gesehen, also verlangt er nach einem Stift und macht eine Skizze von dem, was er in dieser Nacht gesehen hat.
Tatsächlich hatten sich die Augen in sein Gehirn gebrannt und verfolgten ihn auch im Wachzustand. Barney erinnerte sich nicht, dass sie Teil der Hypnosesitzung waren, doch sie blieben irgendwo zwischen den verschiedenen Bewusstseinsebenen hängen – und sie machten ihm Angst.
Dr. Simon musste in der zweiten Therapiestunde sein Sicherheitsnetz engmaschiger knoten, sodass nichts mehr durchschlüpfen konnte.
Dieses Mal ist Barney schon viel ruhiger, er erzählt seine Geschichte ohne Zittern in der Stimme. Und er durchbricht zum ersten Mal seine Amnesie.
«Beep, beep – beep, beep, beep ...»
Sie sind nicht mehr auf der Route 3 und Barney versteht es nicht, weil es ein gerader Highway ist. Sie werden angehalten von Männern auf der Strasse, alles ist plötzlich taghell, aber ohne das Licht des Tages, da ist ein anderes Licht. Sie kommen auf ihn zu, helfen ihm, aus dem Auto zu steigen, er fühlt sich schwach, aber ohne Angst. Seine Füsse schleifen über den Boden. Er wird von den Männern getragen, Barney träumt, ist dissoziiert.
[...]
Barney: Ich kann nicht glauben, was ich denke.
Doktor: Gibt es noch etwas, von dem Sie glauben, dass Sie es mir nicht gesagt haben?
Barney: Ja.
Doktor: Sie können es mir jetzt sagen.
Barney: Ich habe mentale Bilder im Kopf, weil meine Augen geschlossen sind. Und ich denke, ich gehe eine leichte Steigung hinauf, und meine Füsse haben aufgehört, auf dem felsigen Weg aufzuschlagen. Ich habe Angst, die Augen zu öffnen, denn ich werde von mir selbst nachdrücklich aufgefordert, die Augen geschlossen zu halten und sie nicht zu öffnen. Und ich will nicht operiert werden. [...]
Die Männer tragen ihn über die Rampe. Er ist in etwas hineingeführt worden, liegt auf einem Tisch.
Barney wird nicht operiert. Aber es war wie damals, als er als Junge vom Arzt untersucht worden war. Und er will ganz still liegen und schön mitmachen, damit man ihm nicht wehtut. Bald ist es vorbei.
Sie gucken ihm in den Mund, kratzen ihn leicht am linken Arm. Seine Leistengegend fühlt sich kalt an. Dann untersuchen sie seinen Rücken, zählen seine Wirbel mit dem Finger. Er hört ein konstantes Summen.
Nur einmal öffnet er die Augen kurz und sieht einen blassblauen Raum, einen makellos sauberen, sterilen Raum, wie ein Operationssaal. Dann schliesst er die Augen wieder und wird hinausbegleitet. Wieder stützen ihn die Männer, er scheint fast zu schweben.
Barney fühlt sich erleichtert. Er öffnet die Augen, setzt sich ins Auto, streichelt Delsey, die zusammengekauert unter dem Sitz liegt. Dann sieht er Betty die Strasse herunterkommen, er lächelt sie an, sie lächelt zurück.
Barney sieht das Flugobjekt verschwinden, «ein wunderschöner, orangefarbener Ball». Und er fährt los, nimmt eine Kurve und ist zurück auf der Route 3. Beide lachen und Betty fragt: «Glaubst du jetzt an fliegende Untertassen?».
«Mach dich nicht lächerlich, sicher nicht!», antwortet Barney.
«Beep, beep – beep, beep, beep ...»
[...]
Doktor: Hatten Sie Angst, dass Sie entführt worden sind?
Barney: Ich habe dieses Wort nicht benutzt. Ich kann dieses Wort nur intellektuell verwenden. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich entführt worden war. Aber ich denke an Entführung, wenn man geschädigt wird.
Doktor: Und Ihnen wurde kein Schaden zugefügt?
Barney: Nein.
Doktor: Sie hatten keine Ahnung, warum das gemacht wurde?
Barney: Ich konnte es kaum erwarten, nach Hause zu kommen und mir meine Leiste anzuschauen.
Doktor: Sie wollten sich Ihre Leiste ansehen. Hatten Sie Angst, dass sie etwas Schädliches getan haben?
Barney: Ich wollte es mir ansehen. Ich dachte: Das ist der Beweis, dass mir etwas passiert ist. Und ich war unsicher. Und ich schwankte und dachte, das kann nicht sein. Und dann dachte ich: Aber es ist doch passiert. Und ich dachte: Wenn ich nach Hause komme und meine Leistengegend ansehe, werde ich das, was mich berührt hat, berühren und sehen, ob es einen Abdruck gibt.
[...]
Auch Betty erzählt Dr. Simon von dem zigarrenförmigen Flugobjekt, das so seltsam flog, das rauf- und wieder runterschnellte. Und sie berichtet ihm von dem Mann, den sie auf ihrer Fahrt vor einem erleuchteten Motel stehen sah. Da wusste sie, sie könnten jetzt da rausfahren und alles wäre vorbei. Sie hätte es Barney nur sagen müssen. Aber Betty wollte nicht, dass es vorbei war. Sie wusste, dass etwas auf sie zukommen würde. Und sie war bereit dafür.
«Beep, beep – beep, beep, beep ...»
Barney bremst einmal scharf und biegt in eine kleine Nebenstrasse ein, warum, weiss sie nicht.
Barney hält den Wagen an. Und die Männer kommen auf sie zu. Sie teilen sich auf, in zwei Gruppen nähern sie sich ihnen, der Motor stirbt ab, als Barney versucht, den Wagen zu starten.
Betty weint. Sie will raus aus dem Auto, will sich im Wald verstecken, aber die Männer sind schon an der Tür, sie tragen Uniformen.
[...]
Doktor: Ihr Gedächtnis ist sehr gut. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Sie erinnern sich jetzt an alles. Erzählen Sie mir, was passiert ist. Was denken Sie jetzt?
Betty: Ich denke, ich schlafe ... Ich schlafe, und ich muss aufwachen! Ich will nicht einschlafen. Ich versuche es immer wieder ... Ich muss mich selbst aufwecken ... Ich versuche es ... Und ich gehe wieder zurück ... Ich versuche es immer wieder ... Ich versuche aufzuwachen ... Dann tue ich es! Ich öffne meine Augen! Und ich laufe durch den Wald ... Und ich öffne meine Augen schnell, und schliesse sie wieder ... [...]
Sie geht schlafwandelnd durch den Wald, mit je einem Mann an ihrer Seite und zwei vor ihr. Hinter ihr geht Barney, er ist grösser als die Männer, die ihn begleiten, sie ruft ihn, schreit seinen Namen, «Wach auf!», brüllt sie, aber er hört sie nicht.
Der Mann neben Betty versichert ihr, dass sie keine Angst haben müsse, dass sie nur ein paar Tests mit ihnen machen wollten und dass sie danach wieder ins Auto steigen und heimfahren könnten.
Er spricht mit einem ausländischen Akzent und wirkt sehr professionell auf Betty. Sie helfen ihr über die Rampe zur Tür. Das Objekt ist nun am Boden.
Sie gehen einen Korridor entlang und führen sie in ein Zimmer. Betty verlangt nach Barney, aber der Mann sagt, die Ausrüstung im Raum reiche nur für eine Person, und eine zusätzliche hier herzubringen, beanspruche zu viel Zeit. Er werde im Zimmer nebenan untersucht.
[...]
Betty: Ein anderer Mann kommt herein. Ich habe ihn vorher noch nicht gesehen. Ich glaube, er ist ein Arzt. Und in einer Ecke steht ein Hocker, ein weisser – ist er weiss? Ich weiss nicht, ob er weiss oder verchromt ist, aber da ist ein Hocker, da ist ein Hocker, und sie setzen mich darauf. Ich sitze auf dem Hocker. Und sie – ich habe ein Kleid an, mein blaues Kleid – und sie schieben den Ärmel meines Kleides hoch und schauen auf meinen Arm. Sie schauen beide auf meinen Arm, und dann drehen sie ihn um und schauen ihn sich hier an ... Und sie ... sie reiben, sie haben eine Maschine, ich weiss nicht, was das ist. Sie bringen die Maschine herüber – es ist so etwas wie ein Mikroskop, nur ein Mikroskop mit einer grossen Linse. Und sie setzen, ich weiss nicht, sie setzen es ein, ich hatte den Eindruck, dass sie ein Bild von meiner Haut machen. Und sie schauten beide durch dieses Gerät. Und dann haben sie geredet. Ich weiss nicht, was sie gesagt haben. Ich konnte nicht verstehen, was sie sagten. Und dann nahmen sie so etwas wie einen Brieföffner, nur dass er keiner war, und sie kratzten meinen Arm hier [...]
Das Hautschüppchen, das sie Betty entnahmen, legte einer der Männer auf ein Stück Plastik, rollte es zusammen und verstaute es in der obersten Schublade. Zusammen mit dem Tupfer oder Stäbchen, das er in ihr Ohr eingeführt hatte. Sie lag dabei auf etwas, das sie als Zahnarztstuhl beschrieb, mit einer Halterung für den Kopf. Dann betastete er ihr Haar, schnitt etwas davon ab und legte es zu den anderen Proben. Seine Hände fuhren fort, ihren Körper zu untersuchen, vom Nacken über ihre Schultern, bis zu ihren Händen und Füssen.
Dann will der Arzt Bettys Nervensystem überprüfen.
Betty soll ihr Kleid ausziehen. Ob es einen Reissverschluss habe, erkundigt sich der Arzt, und Betty bejaht. Er öffnet ihn und sie schlüpft heraus. Sie legt sich mit dem Rücken auf den Tisch und er bringt ein ganzes Bündel von Nadeln, von denen jede mit einer Art Draht verbunden ist. Sie stechen sie nicht, berühren sie nur damit, an Ohren, Kopf, Hals, Knien und Füssen, sodass Betty keine Schmerzen hat. Dann muss sie sich auf den Bauch drehen, und dasselbe Prozedere folgt auf ihrem Rücken.
[...]
Betty: Ich weiss nicht, was sie tun, aber sie scheinen mit dem, was sie tun, sehr zufrieden zu sein. Dann drehen sie mich auf den Rücken, und der Prüfer hat eine lange Nadel in der Hand. Sie ist grösser als jede Nadel, die ich je gesehen habe. Und ich frage ihn, was er damit machen will ... Sie werde mir nicht wehtun. Er wolle sie nur in meinen Nabel stecken, es sei nur ein einfacher Test. Und ich sage ihm: ‹Nein, es wird wehtun, tun Sie es nicht, tun Sie es nicht.› Und ich weine und sage ihm: ‹Es tut weh, es tut weh, nehmen Sie sie raus, nehmen Sie sie raus!› Und der Anführer kommt rüber und hält mir seine Hand vor die Augen und sagt, dass alles gut wird. Ich werde es nicht spüren. Und der ganze Schmerz verschwindet. Der Schmerz geht weg, aber ich bin immer noch wund von der Stelle, wo sie die Nadel hineingesteckt haben.
Doktor: Haben sie Ihnen gegenüber irgendwelche sexuellen Annäherungsversuche gemacht?
Betty: Nein. Ich fragte den Leiter, ich sagte: ‹Warum haben Sie diese Nadel in meinen Nabel gesteckt?› Und er sagte, es sei ein Schwangerschaftstest. Ich sagte: ‹Ich weiss nicht, was sie erwartet haben, aber das hier war kein Schwangerschaftstest.› Und mehr hat er nicht gesagt. [...]
Der Arzt verlässt den Raum und Betty bleibt mit dem Führer allein. Sie bittet ihn, ihr etwas mitzugeben als Beweis für seine Existenz, für ihre Erfahrung hier, damit man ihr die ganze Geschichte auch glaubt. Sie sieht ein seltsames Buch auf dem Tisch liegen, in einer Schrift, die weder gedruckt noch handgeschrieben scheint, und deren dicke und dünnen Linien und Punkte in senkrechten Kolonnen auf und nieder gehen.
Betty darf es haben.
[...]
Betty: Und dann habe ich ihn gefragt, wo er herkommt. Denn ich sagte, dass ich wusste, dass er nicht von der Erde stammte, und ich wollte wissen, woher er kam. Und er fragte, ob ich etwas über das Universum wüsste. Und ich sagte ihm nein. Ich wusste praktisch nichts. Als ich auf der Graduiertenschule war, wurde uns beigebracht, dass die Sonne das Zentrum des Sonnensystems ist und es neun Planeten gibt. Und später haben wir natürlich Fortschritte gemacht. Ich erzählte ihm, dass ich die Fotos von Harlow Shapley gesehen hatte, die er von Abermillionen von Sternen im Universum gemacht hatte. Aber das war auch schon alles, was ich wusste. Er sagte also, er wünschte, ich wüsste mehr darüber, und ich sagte, ich wünschte auch, ich wüsste mehr.
Und er ging quer durch den Raum zum Kopfende des Tisches und öffnete etwas Metallenes an der Wand. Und er zog eine Karte heraus und fragte mich, ob ich so eine Karte schon einmal gesehen hätte. [...] Da waren all diese Punkte drauf. Sie waren über die ganze Karte verstreut. Manche waren klein, nur Nadelstiche. Andere waren so gross wie ein Fünf-Cent-Stück. Und es gab Linien, die von einem Punkt zum anderen gingen. Und es gab einen grossen Kreis, von dem eine Menge Linien ausgingen. Viele Linien gingen zu einem anderen Kreis, der ganz in der Nähe, aber nicht so gross war. Und da waren dicke Linien. Und ich fragte ihn, was sie bedeuteten. Und er sagte, die dicken Linien seien Handelsrouten. Und die anderen Linien, die durchgezogenen, waren Orte, an die sie gelegentlich gingen. Und die unterbrochenen Linien seien Expeditionen ...
Ich fragte ihn also, wo sein Heimathafen sei, und er sagte: ‹Wo sind Sie auf der Karte?› Ich sah ihn an, lachte und sagte: ‹Ich weiss es nicht.› Da sagte er: ‹Wenn Sie nicht wissen, wo Sie sind, dann ist es sinnlos, wenn ich Ihnen sage, woher ich komme.› Und er legte die aufgerollte Karte zurück in den Raum an der Wand und schloss ihn. Ich kam mir sehr dumm vor, weil ich nicht wusste, wo die Erde auf der Karte war.
Die beiden werden vom Lärm im Gang unterbrochen. Die anderen Männer und der Doktor kommen zurück, und sie wollen, dass Betty ihren Mund aufmacht. Dann beginnt der Arzt damit, an ihren Zähnen herumzuzerren. Auf ihre Frage, warum er dies tut, meint er, dass sie bei Barney herausgekommen seien.
Betty lacht. «Barney trägt ein Gebiss!», klärt sie die Männer auf. Doch sie wissen nicht, was das ist und Betty erklärt ihnen, dass es künstliche Zähne sind, die man einsetzt, wenn einem die eigenen mit zunehmendem Alter ausfallen.
[...]
Betty: Da fragte er: ‹Was ist Alter?› Und ich sagte: ‹Nun, das ist unterschiedlich, aber wenn ein Mensch älter wird, verändert er sich, vor allem körperlich. Er beginnt, allmählich zu zerfallen.› Und er fragte weiter, was ich mit Alter genau gemeint habe und ich sagte: ‹Die Lebensspanne – die Länge der Zeit, die Menschen leben.› Er fragte: ‹Wie lange ist das?› Und ich sagte: ‹Nun, ich denke, eine Lebensspanne sollte höchstens hundert Jahre betragen. Die Menschen können vorher sterben, die meisten tun es aufgrund von Krankheiten, Unfällen und dergleichen. Und ich glaube, die durchschnittliche Zeitspanne, ich weiss es nicht, liegt bei fünfundsechzig oder siebzig Jahren.› Da sagte er: ‹Fünfundsechzig oder siebzig was?› Ich sagte: ‹Jahre›. Er fragte: ‹Was ist ein Jahr?› Und ich sagte, dass ich nicht genau wüsste, wie es sich zusammensetzt, aber es hätte damit zu tun, wie viele Tage es gibt, und die Tage hätten so viele Stunden, und die Stunden hätten so viele Minuten, und die Minuten hätten so viele Sekunden. Und ich dachte, dass die Zeit am Anfang von der Rotation der Erde und der Position der Planeten und den Jahreszeiten und all dem abhing. Ich hatte meine Uhr an und zeigte sie ihm [...], aber er verstand nicht, was ich sagte.
Doktor: Aber er verstand doch Englisch?
Das tat er nach Betty. Aber er verstand den Inhalt ihrer Worte nicht. Er wusste auch nicht, was sie mit Fleisch, Früchten und Gemüse meinte und auch die Farbe Gelb schien er nicht zu kennen. Betty entschuldigte sich beim Führer, sie fühlte sich schlecht, zu beschränkt, um ihm diese grossen Dinge, jene menschlichen Konzepte begreiflich zu machen. Doch es gebe andere Menschen in ihrem Land, Menschen, die ihm all seine Fragen beantworten könnten.
Er lachte.
Sie führen Barney wieder in den Korridor. Seine Augen sind noch immer geschlossen. Er geht hinter Betty, wieder mit zwei Männern auf jeder Seite. Doch bevor sie das Raumschiff über die Rampe verlassen, nimmt der Führer Betty das Buch mit den rätselhaften Zeichen wieder ab.
Die anderen seien dagegen, dass sie einen Beweis für ihre Existenz mit nach Hause nehme. Sie wollen, dass sie alles vergisst. Betty ist wütend.
Sie setzt sich ins Auto neben Barney, der nun endlich die Augen öffnet. Sie streichelt den Dackel, der zitternd unter ihrem Sitz liegt.
Sie schauen zu, wie der «grosse, orange Ball» davonfliegt. «Glaubst du jetzt an fliegende Untertrassen?», fragt sie ihren Mann. Und Barney antwortet: «Oh, mach dich nicht lächerlich!»
Betty lacht.
«Beep, beep – beep, beep, beep ...»
Dr. Simon wühlte sich gewissenhaft durchs Gehirndickicht seiner Patienten, nun hatte er fast alle Informationen beisammen, wusste aber umso weniger, was er glauben sollte. Dass Betty und Barney etwas Seltsames am Himmel beobachtet hatten, war für ihn vorstellbar. Die Entführung hingegen nicht. Wie war es also möglich, dass ihre Berichte so erstaunliche Parallelen aufwiesen?
Eine Lüge hielt er für sehr unwahrscheinlich, die beiden machten auf ihn einen glaubhaften, ehrlichen Eindruck, im Wachzustand wie unter Hypnose. Und die Angst, die sie seit jenem Vorfall nicht mehr losliess, hielt er für echt.
Ebenso schloss er eine Paar-Halluzination aus. War es eine Illusion, eine Phantasie? Waren sie einfach eingeschlafen und hatten bloss geträumt? Oder hatte Barney Bettys Albtraum, der ihrer in Hypnose wiedergegebenen Erfahrung sehr ähnelte, absorbiert, um die verlorenen zwei Stunden mit Inhalt zu füllen? Aber was war dann mit den Gestalten, die nur er hinter den Fenstern zu sehen geglaubt hatte und die die UFO-Sichtung mit der Entführung verbanden?
Was war zuerst? Bettys Traum der Entführung oder die vermeintliche Erfahrung davon? In den folgenden Sitzungen forscht der Psychiater weiter. Er überprüft, ob Barney nicht einfach geschlafen und geträumt hat, er fragt seinen Patienten nach seinem Alkoholkonsum auf ihrer Reise, er will wissen, ob Betty ihn in irgendeiner Weise beeinflusst haben könnte. Im Wachzustand und in Hypnose kann Dr. Simon keine Anzeichen für eine jener logischen Erklärungen finden.
Dann tut er dasselbe mit Betty. Ihr Traum unterscheide sich von ihrem Erlebnis in einer Vielzahl von Details, beteuerte sie. Da sei keine Rampe gewesen, sondern Treppen führten hinauf zum Raumschiff, und die Karte, die ihr der Führer gezeigt hatte, sei im Traum überhaupt nicht aufgetaucht.
Jene Unterschiede waren aber noch lange kein Beweis dafür, dass das eine bloss geträumt, das andere aber tatsächlich erlebt worden war. Besonders die von Betty geschilderten Gespräche mit dem Führer, denen bisweilen etwas Klamaukiges anhaftet, erinnern in ihrer kuriosen Beschaffenheit an einen Traum. Die Geschichten des Unterbewusstseins brauchen keine Logik, sie fallen aus der Zeit und ertragen Inkonsistenzen und Widersprüche nicht nur, sondern zeichnen sie geradezu aus.
Selbst Barney glaubte nicht daran, dass Betty so mit dem Führer gesprochen hatte. Ihr Gehirn habe da wohl einige Verzerrungen geschaffen. Denn, so fing er sich nun immer klarer zu erinnern an, die Konversation mit dem Führer sei sowieso nonverbal gewesen. Die Männer hatten nicht einmal einen richtigen Mund, da, wo er hätte sein sollen, fand er bloss einen dünnen, muskellosen Strich. Und wenn sie sich untereinander unterhielten, dann hörte es sich wie eine Art Summen an.
«Es war fast so, als würde ich von Dr. Simon in Hypnose versetzt. Ich wusste, dass dieser Führer da war, aber ich hatte das Gefühl, dass seine Worte und seine Anwesenheit völlig getrennt waren. Nur, dass das, was da war, ein Teil meines Wissens war. Ich hörte keine wirkliche Stimme. Aber in meinem Kopf wusste ich, was er sagte. Es war nicht so, als ob er mit offenen Augen zu mir sprechen würde und mir gegenübersässe. Es war eher so, als ob die Worte da waren, ein Teil von mir, und er war ausserhalb der eigentlichen Erschaffung der Worte selbst.»
Barney Hill (im Wachzustand)
Am Sonntag, 5. April 1964, drei Monate nach der ersten Therapiestunde der Hills, war es so weit. Dr. Simon befand, seine Patienten seien nun bereit, sich mit ihrer ganzen Geschichte auseinanderzusetzen. Mit ihren hypnotisierten Ichs. Mit ihren monotonen Stimmen auf Band, die für sie so befremdliche und ganz untypische Sätze geformt hatten. Es war an der Zeit, endlich zu erfahren, was sie in den zwei verloren gegangenen Stunden erlebt hatten – oder erlebt zu haben glaubten.
Barney und Betty hörten sich die Tonbandaufnahmen zu zweit an. Der Doktor spielte sie ihnen portionsweise vor, denn es war viel. Viel Emotion, viel Angst, viel Verwirrung waren darauf zu hören. Aber am Ende sollten sie Erleichterung bringen. Denn endlich hatten sie die verstörende Geschichte vollständig aus ihren Köpfen und Seelen ausgelagert und bekamen sie nun von sich selbst erzählt. Über deren Wahrheitsgehalt wollten sie später befinden.
«Als ich das Fernglas an meine Augen hielt, konnte ich nicht glauben, dass ich so reagiert hatte. Und die Augen. Die Augen, die auf mich zuzukommen schienen. Dann hörte ich mich selbst sagen, dass die Augen sich in meine Sinne einzubrennen schienen, wie ein unauslöschlicher Abdruck. Und ich begann in der Arztpraxis zu spüren, wie sich die Teile zusammenfügten. Ich begann mich zu erinnern. Plötzlich fügten sich die verlorenen Teile zusammen. Sogar während ich mir die Kassetten anhörte, spürte ich das.
Plötzlich wurde mir klar, wie ich das Band meines Fernglases zerrissen hatte. Und ich erinnerte mich daran, dass ich nach Indian Head tagelang einen starken Schmerz in meinem Nacken verspürte. Als ich mir die Aufnahmen anhörte, wurde mir das schlagartig wieder bewusst – der heftige Stoss meiner Arme, der den Riemen des Fernglases zerriss. All dies spielte sich nicht nur auf den Bändern ab, sondern begann sich auch in meinem Geist, meinem Bewusstsein, zu entfalten.»
Barney Hill, nachdem er den ersten Teil seiner Hypnose-Aufnahmen gehört hatte
Alle Lücken begannen sich mit Erinnerungen zu füllen. Endlich tauchten auch die Gesichter der Männer aus dem Nebel auf, in dem sie sich so lange versteckt hielten. Ihre grau-metallene Haut schimmerte nun vor Barneys wachem Auge, er sah ihre grossen Schädel, ihre spaltartigen Münder und die Nasen, die auch bloss aus zwei kleinen Schlitzen bestanden.
Betty war sich inzwischen sicher, dass sie von den seltsamen Piepgeräuschen hypnotisiert worden waren, dass sie es aber durch Willenskraft zuwege brachte, sich wieder aufzuwecken.
Und auch Barney verglich jenen Dämmerzustand mit der Hypnose des Doktors. Beide waren sich sicher, dass sie sich diese weder eingebildet noch im Schlaf erträumt hatten. Sie hatten sie tatsächlich gehört. Und sie hatten ihre Amnesie ausgelöst. Wenn sie sich jene zwei Stunden zwischen den Pieptönen nur zusammenfantasiert hätten, warum sollte dieses Konstrukt dann aus der Erinnerung getilgt werden, fragt Barney in einer der letzten Sitzungen den Doktor.
«Die psychologische Amnesie dient dazu, unerträgliche emotionale Erfahrungen zu verdrängen oder auszulöschen», antwortet er. Hier stelle sich nun die Frage: «Handelt es sich um eine Amnesie im Sinne des Auslöschens einer realen Erfahrung oder um eine Amnesie im Zusammenhang mit dem Auslöschen einer Fantasie – einer sehr schmerzhaften Fantasie?»
Barney und Betty Hill beantworteten die Frage anders als Dr. Simon. Für sie war die Sichtung, ebenso wie die Entführung, tatsächlich geschehen. Sie hatten diese Dinge erlebt. Sie waren auf jenem Schiff und wurden dort einer körperlichen Untersuchung unterzogen. Ihre Albträume waren für Betty eine Reflexion dieser erlebten Realität. Und auch der so lange sich dagegen sträubende Barney spürte schliesslich ganz klar, dass ihm dies alles wirklich widerfahren sein musste, so unglaubwürdig es auch klingen mochte.
Der Doktor aber hielt die Entführung auf der Grundlage der vorhandenen wissenschaftlichen Daten für ziemlich unwahrscheinlich, andererseits aber war er im Verlaufe der sechs Monate dauernden Therapie zur Überzeugung gelangt, dass die Hills nicht logen.
«Meine Annahme war also, dass Barney Bettys Traumgeschichte absorbiert hatte und so kam ich letztendlich zu dem Schluss, dass die vertretbarste Erklärung darin bestand, dass die von Frau Hill erlebte Traumserie als Folge einer Erfahrung mit einem unidentifizierten Flugobjekt oder einem ähnlichen Phänomen die Qualität einer phantasierten Erfahrung annahm.»
Dr. Simon
Restlos überzeugt davon war er allerdings selbst nicht. Aber Dr. Simon musste zu einer Schlussfolgerung kommen. Und wenn sie ihn schon nicht befriedigte, so war es doch wenigstens eine, die «die Grenzen der Glaubwürdigkeit» nicht sprengte.
Schliesslich war es ihm gelungen, seinen Patienten die Ängste zu nehmen, und das war auch der Grund gewesen, warum die beiden sich zu ihm in Therapie begeben hatten. Bettys Träume waren nicht mehr so erschütternd und auch Barneys Magengeschwür war inzwischen geschrumpft.
Was blieb, war sein kleiner Warzenkreis in der Leiste. Und diesen, für ihn einzigen, physischen Beweis seiner Nahbegegnung der vierten Art wollte er behalten.
*Der Ausdruck «mongoloid» ist inzwischen längst veraltet und beleidigend, wurde hier aber zeitgemäss zitiert. Heute sagt man Mensch mit Trisomie 21 oder Mensch mit Down-Syndrom dazu. Letzteres verweist auf den britischen Arzt John Langdon Down, der dieses Syndrom 1866 erstmals umfassend beschrieb. Er selbst wählte die Bezeichnung Mongolian idiocy (mongoloide Idiotie), da ihn die spezielle Augenform und die charakteristischen Gesichtszüge der Betroffenen an die Mongolen erinnerte.
"Sag mal, das da links ist doch Alpha Centauri? Wir sind wieder mal an der Ausflugschneise vorbeigeflogen!"
"Nö, das ist niemals Alpha Centauri."
"Also mir reichts! Ich schau jetzt in der Karte nach!"
"Ich brauch keine Karte."
"Das sagst du jedes Mal! *faltgeräusche* Und jetzt schau mal, dieser Doppelstern hier auf der Karte, das ist der dort drüben! Wir hätten im Quadrant CB384 die Route A8 nehmen sollen! Wir kehren jetzt um und ab jetzt sage ich, wo wir durchfahren!"
Äh, Menschen. Ich meine Menschen.