Ein neu entwickeltes medizinisches Tool kann das biologische Alter des Herzens berechnen. Die Resultate sollen Betroffenen helfen, Risiken einer Herz-Kreislauf-Erkrankung besser zu verstehen, gezielt vorzubeugen und so Herzinfarkte oder Schlaganfälle zu verhindern.
Das Tool wurde im Rahmen einer Studie der Northwestern University in Chicago entwickelt und zeigt: Die Herzen vieler Menschen in den USA sind deutlich älter als sie selbst. Das vom Forschungsteam um die Kardiologin Sadiya Khan dafür entwickelte Instrument «PREVENT» nutzt Gesundheitsdaten wie Blutdruck, Cholesterinwerte und Raucherstatus, um das Herzalter und das damit verbundene Risiko zu ermitteln.
Zur Überprüfung nutzten die Forschenden Daten von mehr als 14'000 Erwachsenen zwischen 30 und 79 Jahren, die von 2011 bis 2020 an der gross angelegten US-Gesundheitsstudie National Health and Nutrition Examination Survey teilnahmen. Keiner der Teilnehmenden hatte zu Beginn eine Herz-Kreislauf-Erkrankung.
Das Ergebnis: Bei den Frauen lag das durchschnittliche Herzalter bei 55,4 Jahren – das tatsächliche Alter jedoch bei 51,3 Jahren. Bei den Männern war der Unterschied noch grösser: Ihr Herz war im Schnitt 56,7 Jahre alt, während ihr reales Alter 49,7 Jahre betrug.
Besonders ausgeprägt war die Differenz bei Personen mit tieferem Bildungsniveau: Bei fast einem Drittel der Männer mit einem High-School-Diplom als höchstem Abschluss lag das Herzalter mehr als zehn Jahre über dem tatsächlichen Alter. Auch Menschen, die sich als schwarz oder hispanisch identifizierten, hatten im Schnitt ein deutlich älteres Herz- als reales Alter.
Bisher wurden Herz-Kreislauf-Risiken meist in Prozent angegeben. Ärztinnen und Ärzte sagten etwa: «Acht von hundert Personen mit Ihrem Profil könnten in den nächsten zehn Jahren einen Herzinfarkt erleiden.»
Doch diese Zahlen seien für viele Betroffene schwer verständlich, schreibt das Forschungsteam in einem Begleitartikel der Northwestern University. Das Herzalter hingegen ist für die meisten einfacher einzuordnen – und kann einen stärkeren Anreiz bieten, den Lebensstil zu ändern.
«Wir hoffen, dass dieses Tool die Gespräche zwischen Ärztinnen und Patienten verbessert, damit wir gezielter über Therapien informieren können, die Herzinfarkte, Schlaganfälle oder Herzversagen verhindern», sagt Khan. Wer weiss, dass das eigene Herz biologisch älter ist als das tatsächliche Alter, verstehe das Risiko oft klarer – und sei eher bereit, präventive Massnahmen umzusetzen.
Die Erkenntnisse sollen langfristig helfen, Todesfälle durch Herzkrankheiten zu reduzieren. «Viele Menschen, die eigentlich Medikamente zur Senkung ihres Risikos einer Herzerkrankung einnehmen sollten, tun dies nicht. Wir hoffen, dass der Herzalter-Rechner zu mehr Prävention beiträgt und so die Gesundheit der Bevölkerung verbessert», sagt Khan.
Das neue Tool «PREVENT» ist kostenlos und frei zugänglich – es wird jedoch empfohlen, die Resultate immer im Rahmen eines Arzt-Patienten-Gesprächs zu besprechen. (ear)