Plastikmüll ist ein weltweites Problem. Er verschmutzt die Meere, verbleibt als schwer abbaubarer Abfall in den Böden und dringt in der Form von omnipräsentem Mikroplastik selbst in unseren Körper ein. 2020 gelangten weltweit 52 Millionen Tonnen Plastikmüll in die Umwelt, wobei mehr als zwei Drittel davon im Globalen Süden anfielen. Vornehmlich dort leben die rund 1,2 Milliarden Menschen, die keinen Zugang zu einer geordneten Müllabfuhr haben und ihren Abfall selbst entsorgen müssen.
Wer nun denkt, reiche Industrieländer wie die Schweiz, die über eine gut organisierte Abfallentsorgung verfügen, seien von dem Problem nicht betroffen, könnte sich täuschen. Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) schätzt, dass jedes Jahr rund 14'000 Tonnen Plastik in unsere Böden, Oberflächengewässer und deren Sedimente gelangen. Wie sieht die Situation in der Schweiz aus – wie viel Plastikmüll fällt an, wohin geht er und wie viel davon wird recycelt?
In der Schweiz gibt es keine primäre Kunststoffproduktion. Dennoch ist der Plastikverbrauch beträchtlich: Jedes Jahr werden in der Schweiz gemäss einer Modellberechnung mit dem Referenzjahr 2017 etwa eine Million Tonnen Kunststoffe (ohne Kautschuk) verbraucht – rund 120 Kilogramm pro Kopf. Laut der NGO Ocean Care beträgt der Pro-Kopf-Verbrauch sogar 127 Kilogramm und ist damit der europaweit höchste. Dieser Verbrauch umfasst sowohl langlebige Produkte wie Fahrzeugbestandteile, Spielsachen, Fensterrahmen oder Textilien, als auch Einwegprodukte, beispielsweise Verpackungen oder Einweggeschirr.
Die Zusammensetzung der Kunststoffe ist vielfältig: Mehr als die Hälfte aller heute verwendeten Kunststoffe sind Polyethylen (PE), Polypropylen (PP) und Polyvinylchlorid (PVC). Als Verpackungsmaterial werden hauptsächlich die Polymere PE und PP eingesetzt – sowie PET (Polyethylenterephthalat). PVC findet hingegen vorwiegend in der Baubranche Anwendung.
Kunststoffe sind überdies oft mit verschiedensten Zusatzstoffen versehen, etwa Weichmachern, und sie können auch unterschiedlich eingefärbt sein. Problematisch ist zudem, dass sie mitunter im Verbund eingesetzt werden, etwa als Multi-Layer-Verpackung, was das Recycling erschwert.
Aus diesem Plastikverbrauch ergibt sich eine grosse Menge an Plastikabfällen: Pro Jahr fallen in der Schweiz rund 790'000 Tonnen Kunststoffmüll an, dies entspricht 93 Kilogramm pro Kopf (Referenzjahr 2017). Nicht ganz die Hälfte dieses Abfalls war zuvor weniger als ein Jahr in Gebrauch, beispielsweise in Form von Verpackungen.
Rund 83 Prozent (660'000 Tonnen) des Plastikmülls werden in Kehrichtverbrennungsanlagen thermisch verwertet (also verbrannt); weitere 2 Prozent (10'000 Tonnen) in Zementwerken. Etwa 9 Prozent (70'000 Tonnen) werden recycelt, während die restlichen 6 Prozent (50'000 Tonnen) wiederverwendet werden, zum Beispiel Textilien. Ein gutes Drittel der in Kehrichtverbrennungsanlagen entsorgten Kunststoffabfälle stammt aus privaten Haushalten; mehrheitlich sind es Verpackungsabfälle.
In der Schweiz gelangen wie eingangs erwähnt jährlich rund 14'000 Tonnen Kunststoffe in die Umwelt, und zwar sowohl in der Form von Mikro- wie auch von Makroplastik. Die Langzeitwirkungen dieses Plastikmülls – besonders von Mikroplastik – auf Lebewesen sind nicht bekannt; es ist deshalb aufgrund des Vorsorgeprinzips angezeigt, die Menge des Plastiks, der in die Umwelt gelangt, so weit wie möglich zu reduzieren.
Die Freisetzung in die Umwelt kann während des gesamten Lebenszyklus dieser Materialien erfolgen – von der Herstellung über die Nutzung bis zur Entsorgung. Emissionen von Makro- und Mikroplastik stammen daher aus mehreren Quellen. Ein beträchtlicher Teil davon kann zwar durch Rückhaltemechanismen und Entsorgung (Abwasserreinigung, Abfallentsorgung, Strassenreinigung) eingesammelt werden, doch das gelingt nicht für alle Emissionen, sodass die nicht davon erfassten Abfälle als Plastikeinträge in die Umwelt gelangen. So werden von 18'500 Tonnen Plastikmüll, die jährlich durch Littering in die Umwelt gelangen, etwa 15'800 Tonnen durch Massnahmen wie Strassenreinigung den Kehrichtverbrennungsanlagen zugeführt; die restlichen 2700 Tonnen verbleiben indes in der Umwelt.
Beim Makroplastik ist es überwiegend die unsachgemässe Entsorgung, die dazu führt, dass diese Kunststoffprodukte in der Umwelt landen – also Littering, illegale Entsorgung sowie Kunststoffe, die sich im Grüngut befinden. Die Mikroplastik-Emissionen hingegen entstehen hauptsächlich während der Nutzungsphase der Produkte. Hier fallen vor allem der Reifenabrieb und – jedoch deutlich weniger – Mikrofasern aus synthetischer Kleidung ins Gewicht.
Dazu kommt bewusst hergestellter Mikroplastik, etwa Einstreugranulate in Kunststoffrasenplätze oder Kosmetika. Mikroplastik entsteht zudem auch durch den langsamen Zerfall von Makroplastik – so wird ein achtlos weggeworfener Plastiksack früher oder später wohl eingesammelt und entsorgt, ist bis dahin aber teilweise verwittert.
Feine Partikel verbleiben länger im Wasser als gröbere und werden dann an Ufer angeschwemmt oder weiter transportiert. Gröbere Partikel, beispielsweise Elastomere aus Reifenabrieb, sedimentieren in der Regel schneller. Der grösste Teil der Kunststoffe dürfte in Sedimenten von Seen und Flüssen abgelagert werden, während ein kleinerer Teil im Wasser verbleibt und schliesslich mit Flüssen abtransportiert wird. Auf diese Weise gelangt auch Mikroplastik aus der Schweiz in die Ozeane (rund 20 Tonnen pro Jahr). Allein die Rhone transportiert Schätzungen zufolge täglich 10 Kilogramm Mikroplastik nach Frankreich Richtung Mittelmeer.
Laut einer Studie aus dem Jahr 2019 gelangen jährlich rund 55 Tonnen Kunststoff in den Genfersee, der grösste Teil davon in Form von Mikroplastik. Mittlerweile haben sich so 580 Tonnen Plastik im See angesammelt. Eine weitere Studie schätzt die Menge des bis heute in den Auen der Schweizer Naturschutzgebiete abgelagerten Mikroplastiks auf 53 Tonnen.
Im Gegensatz zu den Gewässern ist die Mobilität von Kunststoffpartikeln in den Böden eher gering. Auswaschung und Erosion können solche Partikel an andere Orte verfrachten, auch in Gewässer. In den Böden selber können Kunststoffpartikel beispielsweise durch Bodenlebewesen wie Regenwürmer transportiert werden. Eine wesentliche Quelle für Plastikmüll in Böden ist Littering: Pro Jahr gelangen so 2700 Tonnen Makroplastik in die Böden, vornehmlich Verpackungen und Zigarettenkippen. Hinzu kommen 175 Tonnen illegal entsorgter Kunststoffabfälle.
Diese Abfälle bauen sich in der Natur kaum oder nur über sehr lange Zeit ab – sie reichern sich also in der Umwelt an. Zudem zerfallen sie zu Mikroplastik, was problematisch ist, weil diese Partikel kaum mehr aus der Umwelt entfernt werden können.
Reifenabrieb besteht zu etwa 60 Prozent aus Kunststoff (Gummi), zu 30 Prozent aus Russ (als Füllstoff) und zu weiteren 10 Prozent aus anorganischen Stoffen (Schwermetalle wie Zink). In der Schweiz fallen jedes Jahr mehr als 13'500 Tonnen Reifenabrieb an, von denen etwa 5500 Tonnen, rund 40 Prozent, verweht werden und in die Böden gelangen. Die restlichen 60 Prozent, etwa 8000 Tonnen, gelangen zur Entwässerung, wo in den unterschiedlichen Entwässerungssystemen rund 4600 Tonnen zurückgehalten werden. Am Ende gelangen 3400 Tonnen in die Oberflächengewässer.
Insgesamt sind es also 8900 Tonnen Reifenabrieb, die in die Umwelt gelangen. Reines Mikroplastik ist nur der bedeutendste Teil davon, da Reifenabrieb aus mehreren Stoffen besteht; es handelt sich um 5300 Tonnen.
Recycling von Plastikabfällen ist schwierig. Das liegt daran, dass man es mit einer Vielfalt von unterschiedlichen Kunststoffen und Zusatzstoffen zu tun hat. Hinzu kommt die zunehmende Zahl von Verbundstoffen, was das Recycling zusätzlich erschwert. Recycelt werden kann zudem nur, was zuvor gesammelt wurde. PET-Flaschen und andere Kunststoffflaschen können zwar in vielen Verkaufsstellen zurückgebracht werden, doch bei Plastikverpackungen und Getränkekartons gibt es kein nationales Sammelsystem.
Überdies fehlt eine inländische Sortieranlage für gemischte Kunststoffabfälle. Derzeit wird ein grosser Teil des gesammelten Kunststoffs zum Sortieren nach Deutschland oder Österreich transportiert. Und Mikroplastik – von dem am meisten in die Umwelt gelangt – kann nicht gesammelt werden. Insgesamt werden nur gerade 9 Prozent der Schweizer Plastikabfälle recycelt und weitere 6 Prozent wiederverwendet.
Experten sind sich nicht einig, ob Plastik-Recycling etwas bringt. Rainer Bunge, Professor für Umwelt- und Verfahrenstechnik der Ostschweizer Fachhochschule, sagte gegenüber der «Sonntagszeitung», das Verbrennen von Kunststoff sei bei der Ökobilanz nur wenig schlechter als recyceln. Recyceln sei aber so viel teurer als die Verbrennung, dass man es «durchaus als ökologisches Luxusgut bezeichnen» könne. Eine Studie von ETH-Professor André Bardow kommt indes zu einem anderen Fazit: Mehr Recycling von Kunststoff führe immer zu mehr Nachhaltigkeit. Deshalb solle Recycling intensiviert werden, wo es nur gehe.
NGOs wie Ocean Care sehen das Recycling von Plastikabfällen eher skeptisch. Kunststoff eigne sich nur begrenzt für die Kreislaufwirtschaft, schreibt Ocean Care. «Leider ist Recycling nicht die erhoffte Lösung für die Umwelt», erklärt Fabienne McLellan, Leiterin des OceanCare Plastikprogramms. Und fügt an: «Die weltweite Kunststoffproduktion soll sich in 20 Jahren erneut verdoppeln und bis 2050 fast vervierfachen. Angesichts dieser Prognose ist klar: Wir können uns nicht aus der Plastikkrise herausrecyceln.»
McLellan, die unser Land bei den Massnahmen gegen Plastikmüll als «Schlusslicht in Europa» bezeichnet, fordert daher den Bundesrat auf, Verbote von Plastiktüten oder Take-away-Verpackungen durchzusetzen. Die entsprechenden Gesetze und Verordnungen würden bereits bestehen – sie müssten nur konsequent angewendet werden. Ocean Care verlangt deshalb, dass das Umweltschutzgesetz, Art. 30a, herangezogen wird, um unnötige Einweg-Plastikartikel zu verbieten. Zudem sollen auf Grundlage des Umweltschutzgesetzes, Art. 26, Mikroperlen in Körperpflege- und Kosmetikprodukten verboten werden. Und schliesslich sei es längerfristig notwendig, Reifenabrieb, Mikrofasern und Zigarettenkippen zu begrenzen und den Einsatz von Biokunststoffen und Flüssigpolymeren zu regulieren.
Die Politik scheint tatsächlich in Richtung Verbote zu gehen – zumindest in der Europäischen Union. Die EU hat bereits im vergangenen April beschlossen, Einweg-Plastikverpackungen ab 2030 zu verbieten. Von diesem Zeitpunkt an soll jede Verpackung recycelbar sein. In der Schweiz verbieten Städte wie Basel, Bern oder Luzern Einweggeschirr und -becher bei öffentlichen Veranstaltungen bereits jetzt.
Plastikabfall wird mehrheitlich verbrannt, nicht wie in anderen Ländern verbuddelt (der sich dann zersetzt).
Vermeiden ist immer noch das beste
Meine Mutter bekommt die in Deutschland gratis und werden abgeholt. Schweiz ist so 1950 beim recycling. Pappsammlung aller 3 Monate zum beispiel