Der deutsche Gesundheitsminister und Arzt Karl Lauterbach will die Homöopathie nicht mehr über die Krankenkassen bezahlen lassen. Die Homöopathie sei keine Leistung, die einen medizinischen Nutzen bringe auf Grundlage des wissenschaftlichen Sachstandes, sagte der SPD-Politiker in Berlin. Eingespart werden sollen so 20 bis 50 Millionen Euro pro Jahr.
Es gehe dabei nicht ums Geld, sondern ums Prinzip. Für eine Bezahlung müsse der wissenschaftliche Nachweis von Wirkung erbracht sein, das sei nicht der Fall. Die Bezahlung homöopathischer wie auch anthroposophischer Behandlungen soll gestrichen werden, um «unnötige Ausgaben der Krankenkassen» zu vermeiden.
Lauterbachs Pläne gefallen dem Molekularbiologen Beda Stadler. «Es hat noch nie eine wissenschaftliche Grundlage gegeben für die Wirksamkeit der Homöopathie», sagt der ehemalige Direktor des Instituts für klinische Immunologie an der Universität Bern. «Im Gegenteil: Es gibt tausend Mal mehr wissenschaftliche Fakten, die zeigen, dass es keine nachweisbare Wirkung gibt.»
Wasser könne sich nicht erinnern, auch nicht in homöopathischen Mitteln, sagt Stadler. Damit spricht er die extreme Verdünnung der Wirkstoffe in Wasser an, wie es bei der Homöopathie gemacht wird.
Die Prinzipien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit (WZW) müssten umgesetzt werden. Das könne die Homöopathie nicht bieten. «Stellen Sie sich vor, wenn Novartis dieses WZW nicht nachweisen könnte», sagt der emeritierte Professor der Uni Bern. Auch bei der Arzneimittelbehörde Swissmedic hat die Homöopathie von Gesetzes wegen eine Sonderbehandlung.
Während Impfstoffe und Medikamente klinische Studien zur Wirksamkeit liefern müssen, sieht das Gesetz vor, dass Komplementärarzneimittel und Phytoarzneimittel vereinfacht zugelassen werden können. Das heisst, dass Unterlagen zur Sicherheit, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit mit Literaturdaten erbracht werden dürfen – ohne klinische Studien.
Lauterbach habe recht. Stadler wünscht dem deutschen Gesundheitsminister viel Glück bei seinen Plänen, weil ihn die Homöopathie-Lobby stark angreifen werde – da stecke viel Geld drin.
In der Schweiz übernimmt die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) die Kosten der ärztlichen Leistungen der Akupunktur, der Arzneimitteltherapie der Traditionellen Chinesischen Medizin, der klassischen Homöopathie und der anthroposophischen Medizin. Schon im Jahr 1999 wurden diese fünf komplementärmedizinischen Fachrichtungen provisorisch in diese Krankenpflegeversicherung aufgenommen. 2005 wurde diese Leistungspflicht durch den Bund aber wieder beendet, die Homöopathie musste wieder selbst bezahlt werden.
Doch 2009 bejahte das Stimmvolk die Bezahlung der Komplementärmedizin an der Urne. Deshalb sind Bund und Kantone mittels eines Verfassungsartikels verpflichtet, die Komplementärmedizin zu berücksichtigen.
Die fünf genannten Fachrichtungen wurden deshalb ab 2012 provisorisch und ab 2017 definitiv leistungspflichtig. Sie müssen gemäss der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV) einige Kriterien erfüllen. Unter anderem muss die wissenschaftliche Evidenz bewiesen werden, die Lauterbach der Homöopathie und anthroposophischen Behandlung abspricht.
Wollte man in der Schweiz dem deutschen Beispiel folgen, läge der Ball beim Bundesamt für Gesundheit (BAG). Eine neue Initiative oder Verfassungsänderung, um die Homöopathie aus der Grundversicherung herauszunehmen, bräuchte es nicht, erklärt FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt, der Mitglied der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) ist. «Man könnte im Prinzip Teile der Komplementärmedizin rausstreichen, welche die verlangten Kriterien nicht erfüllen.» Durchsetzen müsste dies das BAG, dazu bräuchte es Leadership der zuständigen Bundesrätin. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass das eine SP-Bundesrätin forciert», sagt Silberschmidt dazu.
Forcieren will dies eine Privatperson, deren Name uns bekannt ist. Diese hat beim BAG eine Umstrittenheitserklärung für die Homöopathie eingereicht. Demnach muss das Bundesamt überprüfen, ob die Homöopathie die WZW-Kriterien erfüllt, die es nach dem Krankenversicherungsgesetz verbindlich braucht, um in den Leistungskatalog der Grundversicherung aufgenommen zu werden. Das Verfahren läuft und die Leistungserbringer, der Dachverband der Versicherer sowie die Ärztevereinigung FMH müssen ihre Stellungnahmen an die Eidgenössische Kommission für allgemeine Leistungen und Grundsatzfragen (EKLG) einreichen.
Diese Kommission muss dem Bund einen Vorschlag unterbreiten, welcher den definitiven Entscheid trifft. Auf Anfrage darauf antwortet das BAG: «Angesichts des speziellen Themas können wir bestätigen, dass ein Umstrittenheitsantrag eingereicht wurde und das Verfahren in Bearbeitung ist.»
Die Homöopathie ist Silberschmidt allerdings kein Dorn im Auge. «Wir sind aber immer der Meinung, dass man den Grundkatalog entschlacken sollte. Dabei geht es nicht ausschliesslich um Komplementärmedizin. Sondern darum, dass immer mehr Leistungen dazukommen», sagt Silberschmidt. Um zu sparen, müsste man bei den grossen Brocken ansetzen. Die Homöopathie sei kein solcher, allerdings höhle steter Tropfen den Stein.
Grundsätzlich müsse man die alternativen Versicherungsmodelle, die Vertragsfreiheit zulassen, mehr stärken. Demnach müsste jeder und jede die Möglichkeit haben, sich aus dem steifen Krankenkassen-Korsett zu befreien. Das wäre nach Silberschmidt zum Beispiel die Freiheit, nur eine Versicherung für schwerere Erkrankungen abschliessen zu können. Dann hätte jeder die Wahl, ob die Komplementärmedizin dazugehört. Silberschmidt hätte gerne mehr Eigenverantwortung im Gesundheitswesen. «Die grossen Kosten für schwerere Krankheiten müssen aber obligatorisch versichert bleiben.»
Der Urner FDP-Ständerat Josef Dittli hält die Kosten der Komplementärmedizin für relativ gering, wenn man sie in Relation zum Gesamtvolumen der Gesundheitsleistungen setze. Die Statistik der obligatorischen Krankenversicherung zeigt, dass sich die Kosten von Komplementärmedizin auf 17 Millionen Franken pro Jahr belaufen. Das ist im Vergleich zu den Gesamtausgaben von 38 Milliarden für die obligatorische Krankenpflegeversicherung nicht viel.
Nichtsdestotrotz sei die Komplementärmedizin eine Leistung, die wir mit unseren Prämien bezahlen, für die es keinen Wirksamkeitsnachweis gebe. «Auch wenn ich selber nicht davon profitiere, weil es mir nichts sagt, würde ich sie drin lassen. Weil es einen Verfassungsartikel gibt und auch viele Menschen an die Komplementärmedizin glauben und sich die Auslagen gemessen am Gesamtvolumen im Rahmen halten», sagt Josef Dittli.
Die Komplementärmedizin dürfe man jetzt angesichts des Prämiendrucks nicht wieder rausnehmen, um sie dann vielleicht aufgrund des Volkswillens kurz darauf wieder einbauen zu müssen. So wie bereits bei der Jahrtausendwende. Wichtiger ist Dittli, dass bei neuen Therapien und bei umsatzstarken Medikamenten konsequent auf deren Nutzen und Kosten geschaut werde. Das hat der Urner Ständerat 2019 in einer Motion gefordert, im Moment wird im Parlament über deren Umsetzung diskutiert.
Gar nicht einverstanden mit Lauterbach ist die Zuger Grünen-Nationalrätin Manuela Weichelt. Die Bevölkerung habe dem Verfassungsartikel «Zukunft mit Komplementärmedizin» mit 67 Prozent und unter Zustimmung aller Kantone sehr deutlich zugestimmt. «Die Nachfrage nach komplementärmedizinischen Leistungen ist ungebrochen hoch. Nur durch die Vergütung durch die Grundversicherung haben alle Menschen Zugang zu komplementärmedizinischen Leistungen.»
Die Aussage von Lauterbach sei eine politische, wissenschaftlich betrachtet sei sie falsch. «In der Schweiz ist die wissenschaftliche Forschung komplementärmedizinischer Methoden inklusive der klassischen Homöopathie und der anthroposophischen Medizin Teil der universitären Forschung», sagt die Nationalrätin, die Präsidentin der Palliativ-Fachgesellschaft ist. So kombiniere zum Beispiel das Institut für Komplementäre und Integrative Medizin der Universität Bern in idealer Weise Forschung, Lehre und Patientenbetreuung.
In dieses Horn stösst auch Walter Stüdeli, Geschäftsführer Dachverband Komplementärmedizin Dakomed: «Es liegen inzwischen zahlreiche klinische Studien vor, die eindeutig eine Wirksamkeit von homöopathischen Präparaten zeigen. In randomisierten, doppelblinden Studien wird gegen Placebo verglichen – die Wirkungen liegen über dem Placeboeffekt.» Die Öffentlichkeit habe diese relativ neuen wissenschaftlichen Studien bisher noch kaum zur Kenntnis genommen, sagt Stüdeli.
Das sieht der Wissenschafter Beda Stadler nicht so, der die Etablierung eines Lehrstuhls für Alternativmedizin an der Uni Bern selbst miterlebt hat. Aus Homöopathie und anthroposophischer Behandlung werde eine Religion gemacht. «Wenn man dafür etwas vergütet, ist das Missbrauch von öffentlichem Geld.»
Die Studien will ich sehen 😂
Homöopathie mag ja keine direkten Nebenwirkungen haben, wenn jemand aber auf diese Scharlatane vertraut gehen sie unter Umständen zu spät zu einem echten Arzt. Dann ist es evtl. bereits zu spät, um zu helfen, oder die Kosten für die Behandlung werden teurer als wenn man von Anfang an eingreifen konnte.
Wenn dieser Unsinn endlich nicht mehr bezahlt wird, feiere ich mit einem extra Löffel Zucker in meinen Kaffee!