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Das Leiden der Aquarienfische: Jetzt greift der Bund ein

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«Für das Wohlergehen der Tiere sind in erster Linie die Halterinnen und Halter zuständig», findet der Bundesrat.Bild: shutterstock

Das Leiden der Aquarienfische: Jetzt greift der Bund ein

Der Bund kritisiert die falsche Haltung von Aquarienfischen und hat nun eine Kampagne gestartet. Rechtlich sind den Tierschützern jedoch die Hände gebunden.
02.09.2021, 18:4202.09.2021, 18:52
Vanessa Hann
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«Wir sind keine Deko-Objekte», sagen die drei orangefarbenen Fische auf dem Plakat des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV). Zusammen mit dem Schweizer Tierschutz und anderen Fischschutz-Verbänden hat das Amt am Dienstag eine Kampagne gestartet. Viele Aquarienfische würden unter qualvollen Bedingungen gehalten und bald nach dem Kauf sterben, heisst es in der Mitteilung. Das soll sich ändern.

Wichtig findet das Elias Müller. Im Luzernischen Sursee betreibt er die einzige Schweizer Fischauffangstation, quasi ein Tierheim speziell für Zierfische. «Die meisten Leute haben wenig Ahnung von Aquarienfischen. Traurigerweise nicht einmal die, die selber Fische halten», sagt Müller. Das stelle er täglich fest. «Wenn uns Fische gebracht werden, kennen ihre Besitzerinnen und Besitzer häufig nicht einmal ihre Art.» Wie sollten sie da wissen, wie man das Tier richtig haltet?

Schlecht informiert

Dass bei der Haltung von Zierfischen einiges falsch läuft, weiss auch Samuel Furrer, Geschäftsführer Fachbereich Schweizer Tierschutz (STS). Wie Aqualuz ist der STS in der Kampagne des Bundes involviert. «Viele Halter von Zierfischen informieren sich im Voraus oft zu wenig über die Ansprüche der Tiere, sondern suchen es einfach nach Form und Farbe aus», sagt Furrer. Allerdings gäbe es Einiges zu beachten: Je nach Art mögen die Fische unterschiedliche Wassertemperaturen, anderes Futter oder tolerieren keine anderen Arten oder nur gewisse.

Das BLV spricht von drei Millionen Aquarienfischen, die in Schweizer Haushalten leben. Die Auffangstation Aqualuz nahm im letzten Jahr rund 17'000 Fische auf. Dreiviertel konnte Müller und sein Team weitervermitteln. Allerdings gäbe es auch Fische, die für immer bleiben: «Einige Arten darf man nur mit einer Bewilligung halten, wie etwa der Rotflossen-Antennenwels oder Rochen.» Ihre ehemaligen Besitzer kauften sie wohl online. Müller zeigt sie nicht an, denn «sie sind ja nicht mehr Halter, wenn sie uns das Tier abgeben». Und bei den Veterinärämtern läge der Fokus ohnehin selten auf den Aquarienfischen.

Ein Rotflossen-Antennenwels (Phractocephalus hemiliopterus) schwimmt im Zoo von Zuerich am Mittwoch, 21. November 2007. (KEYSTONE/Alessandro Della Bella) A red tailed Catfish (Phractocephalus hemiliop ...
Der Rotflossen-Antennenwels wird in freier Wildbahn über einen Meter lang und darf deshalb gemäss Tierschutzgesetz nur mit Bewilligung gehalten werden. Bild: keystone

Nur: Wie sehr leiden die Zierfische tatsächlich unter einer falschen Haltung? Untersuchungen zeigten, dass die Tiere – entgegen der verbreiteten Meinung – intelligent und sensibel seien, erklärt Furrer vom STS. «Je nach Art erkennen sie den Menschen, der sie füttert oder kommunizieren innerhalb der Gruppe und können sogar trainiert werden, bestimmte Verhalten auf Kommando zu zeigen. Entsprechend verkümmern Tiere, die als Dekoration gehalten werden.»

«Werden die Zierfische lästig, machen sich viele Besitzerinnen und Besitzer nicht die Mühe, sie zur Auffangstation zu bringen», sagt Furrer. Einige setzen die Tiere im See aus, spülen sie die Toilette herunter oder töten sie. Viele wüssten allerdings nicht, wie man einen Fisch richtig tötet und würden ihn noch unnötig lange quälen. Aussetzen sei nicht weniger problematisch, weil die teils exotischen Aquarienfische die Fauna der Schweizer Gewässer gefährden. Oder sie verenden mit der Zeit. «Das ist Tierquälerei», sagt Furrer.

Ernüchternde Haltung des Bundesrates

Im Jahr 2019 initiierte der STS eine Recherche zur Haltung von Zierfischen. Das Ergebnis: Die Tiere werden in Schweizer Haushalten häufig unter mangelhaften und gar tierquälerischen Bedingungen gehalten. Die Politik reagierte: Mit einem Vorstoss verlangte Grüne-Nationalrätin Irène Kälin mehr Tierschutz in der privaten Aquaristik. Die Antwort des Bundesrates war ernüchternd: «Für das Wohlergehen der Tiere sind in erster Linie die Halterinnen und Halter zuständig. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber den Schwerpunkt auf die Information und Ausbildung der Personen gelegt, die mit Tieren umgehen.»

Kälin ist nicht zufrieden mit dem unveränderten Stand der Dinge, doch sie kann die Haltung nachvollziehen. «Dass der Staat nicht bei den Leuten zu Hause kontrollieren will und kann, wie sie mit ihren Tieren umgehen, sehe ich ein.» In anderen Bereichen, wie etwa auf Bauernhöfen, sei der Tierschutz einfacher zu kontrollieren. «Aber bei Haustieren wie Zierfischen ist die Kontrollmöglichkeit des Staates sehr klein», so Kälin und fügt an: «Was nicht heisst, dass das Tierschutzgesetz hier nicht gilt und eingehalten werden muss.» Deshalb hoffe sie auf gegenseitige Kontrolle.

Fischschützer Elias Müller ist enttäuscht von den gesetzlichen Möglichkeiten. «Meiner Meinung nach braucht es viel zu viel, bis man gequälten Tieren helfen kann.» Aus der Kampagne erhoffe er sich Bewusstsein. «Wer sich einen Zierfisch in der Zoohandlung oder im Internet kauft, soll sich bewusst sein, dass das ein Lebewesen ist und kein Objekt.»

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116 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Pal_01
02.09.2021 19:32registriert Juli 2020
Sehr gut.
Warum aber greift der Bund nicht ein wenn ein Schwein auf den üblichen 0.9 m2 gehalten wird?
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DieRoseInDerHose
02.09.2021 18:58registriert August 2016
Der Bund: *kritisiert die falsche Haltung von Aquarienfischen*
Millionen von Tieren in Massentierhaltung: bro meinsch de ernst? 👀
21342
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Keller Baron
02.09.2021 19:01registriert Juni 2014
Wieso man solche Tiere überhaupt halten muss, hab ich eh nie verstanden. Versteht mich nicht falsch, ich bin ein sehr großer Tierfreund. Aber ein Lebewesen für seine eigene Belustigung in ein Käfig oder Aquarium einzusperren ist Moralisch nicht in Ordnung!
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