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Eine vergif­te­te Ehe: Der Fall Buser

Die unglückliche Ehe der Busers nahm ein tragisches Ende.
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Die unglückliche Ehe der Busers nahm ein tragisches Ende.Illustration: Marco Heer

Eine vergif­te­te Ehe: Der Fall Buser

Die restriktiven Ehescheidungsgesetze des 19. Jahrhunderts führten immer wieder zu menschlichen Tragödien. Im Fall der Eheleute Buser führten sie sogar zu Mord.
24.08.2024, 21:44
Patrik Süess / Schweizerisches Nationalmuseum
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Am 17. August 1838 erschien vor dem Bezirksgericht in Liestal, Kanton Basel Landschaft, Anna Maria Buser, geborene Graf, 52 Jahre alt, und klagte auf Scheidung von ihrem Mann Heinrich, den sie vor 23 Jahren geheiratet hatte und mit dem sie in Niederschöntal in der Gemeinde Füllinsdorf auf der Drahtzug-Mühle lebte.

Anna klagte ihren Mann an, sich öfter zu betrinken und «im Rausch allerlei dumme Streiche» anzustellen und beleidigende Reden auszustossen. Manchmal trinke er drei Flaschen Schnaps in zwei Tagen. Er bleibe zuweilen die ganze Nacht fort und wenn er dann nach Hause komme, schlafe er, statt zu arbeiten.

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Es war nicht Annas erster Gang zu den Behörden. Sie hatte ihren Mann bereits einige Monate zuvor bevormunden lassen wollen, da er ein Verschwender und «geistesschwach» sei. Sie wollte selbst Meisterin der Mühle werden. Das Amt hatte damals dieses Ansinnen abgelehnt, da die Mühle doch gut laufe und das Vermögen wachse. Nun verlangte Anna vor dem Bezirksgericht neben der Scheidung erneut, «in ihrem und ihrer Söhne Namen, dass man ihr das Gewerbe überlasse und dem Mann einen jährlichen Gehalt aussetze.»

«Aus der Gottes­ver­ges­sen­heit nun entwickel­te sich allmälig […] in ihrem Herzen der Geiz, und aus dem Geiz nach und nach ein Haß gegen ihren Gatten, der durch seine Trinksucht ihr irdisches Gut vermin­der­te, und ihr vermeint­li­ches Lebens­glück untergrub.»
Auszug aus der Standrede von Pfarrer Heinrich Mener vom 14. Mai 1840.

Heinrich war einverstanden mit der Scheidung – unter der Voraussetzung, dass er Meister der Mühle bleibe. Ansonsten widersprach er Annas Behauptungen und warf ihr vor, ihn schon lange «auf empfindliche Weise» zu lästern und die Angestellten und sogar die gemeinsamen Kinder gegen ihn aufzuhetzen. Letzteres bezeugte Busers Nachbar, Regierungsrat Platter: Es sei des Öfteren vorgekommen, dass der älteste Sohn seinen Vater körperlich misshandelte und Anna sich sichtlich stolz darüber gezeigt habe, indem sie äusserte, «dass ihr Mann jetzt am Sohn einen Meister habe.»

Auch habe sie Heinrich einmal in der Essensschüssel bei Tisch eine tote Katze vorgesetzt. Platter räumte zwar ein, dass man Heinrich, «wie die Müller überhaupt, oft in den Wirtshäusern» antreffe, aber niemand erinnere sich, «ihn je übermässig betrunken oder lärmend» gesehen zu haben.

Darstellung von Anna Maria Buser in einer aktenbasierten Schilderung des Falles von J. Ulrich Walser mit dem Titel «Die Giftmörderin», 1840.
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Darstellung von Anna Maria Buser in einer aktenbasierten Schilderung des Falles von J. Ulrich Walser mit dem Titel «Die Giftmörderin», 1840.Bild: Wikimedia

Obwohl offenbar war, dass «die beiden Eheleute in fortwährendem Unfrieden» lebten, entschied das Bezirksgericht nach Anhörung beider Parteien, «gegenwärtig keine Ehescheidung zu erkennen.» Vielmehr seien sie «zusammengewiesen» – wobei «ihnen ab Seite des Gerichts ernstlich empfohlen wird, sich friedlich miteinander zu vertragen.» Dass darauf kaum zu hoffen war, zeigten Annas letzte Worte an die Richter: Es liege somit an ihr zu entscheiden, «wie sie ihr Gewerb am erfolgreichsten betreiben und ihr Vermögen mehren könne.» Und falls ihrem Mann dies «nicht beliebe, werde sie ihn von den Dienstboten festhalten und ihn durchprügeln lassen, so lang es ihr gefalle.»

Die Bezirksrichter konnten kaum etwas anderes tun, als die Ehescheidung zu verweigern. Zwar war Baselland ein reformierter Kanton: Anders als in katholischen Gegenden, wo gemäss kirchlicher Lehre die Ehe als Sakrament unauflöslich ist und als äusserste Möglichkeit nur die sogenannte «Trennung von Tisch und Bett», also eine räumliche Separierung, in Frage kommt, waren Scheidungen unter strengen Auflagen möglich.

Schon der Reformator Zwingli führte eine ganze Reihe von Gründen auf, die zur Ehescheidung berechtigten, wie Ehebruch, schwere körperliche Misshandlung (durch den Mann), «bösliches» Verlassen, todeswürdige Verbrechen begangen durch einen der Ehepartner, ansteckende Krankheiten, Wahnsinn und männliche Impotenz.

Porträt von Huldrych Zwingli. Gemalt hat es Ludwig Georg Vogel im 19. Jahrhundert. Dabei hat sich Vogel an einem Bild von Hans Asper aus dem 16. Jahrhundert orientiert.
Porträt von Huldrych Zwingli. Gemalt hat es Ludwig Georg Vogel im 19. Jahrhundert. Dabei hat sich Vogel an einem Bild von Hans Asper aus dem 16. Jahrhundert orientiert.Bild: Schweizerisches Nationalmuseum

Doch war auch im reformierten Recht die Ehe prinzipiell als unauflöslich gedacht. In Baselland galt zudem noch 1838 die fast hundertjährige Basler Ehegerichtsordnung von 1747, die als Ehescheidungsgründe nur Ehebruch und «mutwillige Verlassung» anführte. Und selbst in solchen Fällen waren die Eherichter gehalten, äusserst zurückhaltend mit Scheidungsbewilligungen umzugehen, selbst «wenn auch deren genugsame Ursache ihnen vorgebracht wurde», und zwar wegen «verhoffender Versöhnung der Partheyen.»

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Obwohl klar war, dass, in heutiger Terminologie, die Buser’sche Ehe «zerrüttet» war, zwang das Bezirksgericht die Eheleute, indem sie sie «zusammenwies», zum gemeinsamen Weiterleben unter einem Dach; getrenntes Wohnen von Eheleuten ohne Einwilligung des Staates war untersagt: «Den Ehe-Leuthen selbsten aber soll in kein Weiss erlaubt seyn, sich aus eigener Gewalt – aus was Ursachen solches immer seyn möchte – von einander (…) abzusöndern.»

Ob zusammengelebt wurde oder nicht, wurde vom Sittengericht überwacht. Denn aus der Sicht der damaligen Gesetzgeber war die Ehe «als überindividuelle Institution (…) der Verfügung der Eheleute grundsätzlich entzogen», da ihr Bestand – als die Form der Regulierung von Geschlechterbeziehungen schlechthin – «von einem übergeordneten, staatlichen, öffentlich-rechtlichen Interesse» war.

Die Ehegerichtsordnung der Stadt Basel von 1747 billigte als Ehescheidungsgründe nur Ehebruch und «mutwillige Verlassung».
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Die Ehegerichtsordnung der Stadt Basel von 1747 billigte als Ehescheidungsgründe nur Ehebruch und «mutwillige Verlassung».Bild: Bayerische Staatsbibliothek

Im Februar 1839 wurde Heinrich Buser krank. Er litt an heftigem Erbrechen und Durchfall, und er hatte unerträgliche Schmerzen in Bauch und Magen. Er magerte ab, wurde von heftigen Zitteranfällen erfasst, und schliesslich befiel ihn eine Lähmung der Arme und Beine. Im Mai eröffnete der bettlägerige Heinrich seinem Bruder Jakob den Verdacht, von seiner Ehefrau vergiftet zu werden.

Dieser wandte sich darauf an den Liestaler Bezirksstatthalter, der den Schwerkranken umgehend aus dem ehelichen Haus nahm. Als Anna Buser vorgeladen und mit dem Verdacht ihres Mannes konfrontiert wurde, antwortete sie kalt, dass sie hoffe, «dass seine durch sein liederliches Leben sich zugezogene Krankheit zu seinem und unserm Besten seinem Leben ein Ende macht.»

Der Verdacht erhärtet sich

Ihr Wunsch wurde erfüllt. Heinrich Buser starb am 20. Mai 1839. Doch es war nicht sein liederliches Leben, das ihn getötet hat. Gleich nach der ersten Obduktion konnten die Ärzte «mit Bestimmtheit» sagen, dass Heinrich «in Folge von metallischer Vergiftung gestorben» war.

Es dauerte nicht lange, bis Anna Maria Buser den Mord an ihrem Gatten gestand. Nach einer Reihe von Zeugenbefragungen gelangten die Behörden schliesslich zu folgender Rekonstruktion der Tat: Um den Giftmord auszuführen, hatte sich Anna zuerst an den «Arzneiverkäufer» Stocker in Frenkendorf gewandt, der eigentlich Zimmermann war und von den Kantonsbehörden schlicht als «Quacksalber» bezeichnet wurde. Von ihm forderte sie ganz offen ein Gift, «das langsam tödtet». Dafür wollte sie ihm 50 Dublonen und «für zwei Jahre Mehl» geben.

Den Kontakt zu Stocker vermittelt und das Gift bei diesem auch abgeholt hatte Annas «thätiger Gehülfe» Heuberger, der in Busers Haus Knecht gewesen war, bevor ihm kurz vor Heinrichs Tod die Lage zu brenzlig wurde und er Reissaus nahm. Annas Liebhaber sei er aber wohl nicht gewesen, meinten die Behörden, da Heubergers «äussere Figur eben so abscheulich (sei) wie sein Charakter.»

Stockers «Gift» jedoch zeigte keine Wirkung – dafür erpresste Stocker Anna nun mit seinem Wissen. Darauf versuchte es Anna mit Kupferspänen, die sie Heinrich unter die Bratkartoffeln schabte. Als auch das nichts nützte, gab sie ihm Silberglätte, die sie sich bei einem Maler besorgt hatte, in den Branntwein. Davon wurde Heinrich zwar krank, doch erst in Kombination mit Vitriol und Salzsäure war die Mischung schliesslich tödlich.

«Vitriol hatte sie schon seit 10 Jahren im Hause und Salzsäure seit dem letzten Winter, da sie solche vom Dr. Gaß in Muttenz für ein krankes Pferd begehrt hatte. Die Silber­glät­te schüttete sie ihm in Träber­brannt­wein, der mit schwarzen Kirschen gefärbt war. ‹Da achtete er es nicht›, bemerkte sie im Verhör.»
Auszug aus einer aktenbasierten Schilderung des Falles von J. Ulrich Walser mit dem Titel «Die Giftmörderin», 1840.

Ob auch der älteste Sohn in den Mordplan der Mutter eingeweiht gewesen war, konnten die Behörden nicht mehr sicher ermitteln: Heinrich junior erschoss sich am 14. Juni mit seinem Militärgewehr.

Nach den Gründen für den Mord an ihrem Mann befragt, gab Anna zur Antwort: «Das that ich, weil man mich nicht von ihm scheiden wollte (…). Hätte das Gericht uns nicht zusammengewiesen (…), so wäre mir nie so Etwas in den Sinn gekommen.»

Ein Wandel vor seiner Zeit

Ob eine rechtzeitige Scheidung das Leben Heinrich Busers gerettet hätte, darüber lässt sich nur spekulieren. Sicher ist aber wohl, dass das Gericht spätestens nach 1874 auf Scheidung erkannt hätte. Mit der Totalrevision der Bundesverfassung wurden nämlich erstmals schweizweit auch «Zerrüttung der Ehe» und «gemeinsames Begehren» als Scheidungsgründe anerkannt – beides hatte im Fall Buser vorgelegen.

Die Einführung des «gemeinsamen Begehrens» als Scheidungsgrund kann zudem nachgerade als revolutionär bezeichnet werden. Während der Tatbestand der «Zerrüttung» immerhin noch von einem gesellschaftlich vorgegebenen Idealbild der Ehe ausging, so gab das «gemeinsame Begehren» erstmals die Frage nach Bestand oder Nichtbestand der Ehe allein in die Verfügungsgewalt der Eheleute selbst.

Gedenktafel an die Verfassungsrevision von 1874.
https://sammlung.nationalmuseum.ch/de/list/collection?detailID=100144103
Gedenktafel an die Verfassungsrevision von 1874.Bild: Schweizerisches Nationalmuseum

Es war dies allerdings eine Revolution, die nicht lange währte. Da kaum ein anderes Land Europas diesen Scheidungsgrund kannte, war auch die Scheidungsrate in der Eidgenossenschaft zu dieser Zeit höher als in den anderen Ländern. Zwischen 1876 und 1880 wurde in der Schweiz mehr als viermal häufiger geschieden als in Frankreich, und um die Jahrhundertwende zählte die Schweiz immer noch doppelt so viele Scheidungen wie das Deutsche Reich. Zu viele, fand die Politik.

Mit dem Zivilgesetzbuch von 1912 wurde das Prinzip des «gemeinsamen Begehrens» wieder abgeschafft. Es siegte (vorläufig) die traditionelle Sicht, die der Jurist und Politiker Robert Briner 1910 so formulierte: Die Ehe sei eben «nicht bloss ein privatrechtlicher, lediglich der Willkür der Ehegatten unterstellter Vertrag, sondern ein weit höheres, sittliches und vom Willen der Gatten unabhängiges Rechtsverhältnis (…), das nur mit Zustimmung des Staates eingegangen und gelöst werden kann.»

Ein klares Urteil

Am 6. April 1840 verhängte das Kriminalgericht die Todesstrafe, Anna Maria Buser sollte durch das Schwert enthauptet werden. Der Basler Landrat bestätigte das Urteil mit 51 zu 2 Stimmen. Stocker und Heuberger wurden zu zehn bzw. fünf Jahren Kettenstrafe verurteilt.

Meldung der Hinrichtung im Intelligenzblatt für die Stadt Bern vom 16. Mai 1840. 
https://www.e-newspaperarchives.ch/?a=d&d=ISB18400516-01.2.17&srpos=7&e=-------de-20--1-byDA-img-txIN-Anna ...
Meldung der Hinrichtung im Intelligenzblatt für die Stadt Bern vom 16. Mai 1840.Bild: e-newspaperarchives

Reue über ihre Tat empfand Anna keine. Im Gefängnis sagte sie, «sie habe ihren Mann lange schon vergessen.» Mit «Gleichmuth», so berichtete der Berner Volksfreund, sei Anna Maria Buser am 14. Mai 1840 zur Hinrichtung auf dem Kasernenhof Liestal gegangen, wo sich tausende Zuschauer eingefunden hatten. «Frau Buser hat einen Muth bewiesen, der auch an einer Verbrecherin respektirt zu werden verdient. Wusste sie auch nicht recht zu leben, so wusste sie doch entschlossen zu sterben.»

>>> Weitere historische Artikel auf: blog.nationalmuseum.ch
watson übernimmt in loser Folge ausgesuchte Perlen aus dem Blog des Nationalmuseums. Der Beitrag «Eine vergif­te­te Ehe: Der Fall Buser» erschien am 15. August.
blog.nationalmuseum.ch/2024/08/eine-vergiftete-ehe-der-fall-buser
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29 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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James McNew
24.08.2024 22:08registriert Februar 2014
„ihr Bestand – als die Form der Regulierung von Geschlechterbeziehungen schlechthin – «von einem übergeordneten, staatlichen, öffentlich-rechtlichen Interesse» war.“ –

da sind gewisse politische Kreise immer noch nicht viel weiter…
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Shelley
25.08.2024 09:06registriert März 2018
Sehen wir den Tatsachen ins Auge. Das moderne Scheidungsrecht hat sehr vielen Männern das Leben gerettet.

Eine Verschärfung des Scheidungsrechtes im Sinne konservativer und religiöser Kreise, wäre wohl ein wenig selbstmörderisch.
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FlohEinstein
25.08.2024 04:30registriert September 2014
"Ehen enden irgendwo zwischen ZGB 111 (Scheidung auf gemeinsames Begehren) und StGB 112 (Mord)"
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