Ob für Fluggesellschaften aus Asien, chinesische Finanzprodukte, Online-Versandhäuser oder klebrige Süssgetränke: Heutzutage ist Sport ohne Werbung kaum mehr vorstellbar. Sportfotografien, TV-Aufnahmen und Sportkleidung transportieren Sponsorennamen millionenfach. Mit Instagram und Tiktok hat sich die Werbeflut nochmals massiv erhöht. Die Umsätze, die durch Werbung erzielt werden, sind enorm und dies seit Jahren.
Betrachtet man heute eine Fotografie aus dem Spitzensport, kommt man kaum umhin, auch die Trikotaufdrucke, die Bandenwerbung, die Helm- oder Hosensponsoren oder Zielbanner wahrzunehmen. Ja, das Auge hat sich an diese visuelle Dauerberieselung gewöhnt. Wir sind gewissermassen geschult worden, die Werbung unbewusst auszublenden. Unsere Augen erkennen zudem mittlerweile rasch, wenn es sich um Fotografien aus dem Amateursport oder ältere Aufnahmen handelt. Dort fehlen nicht nur vollständig durchtrainierte Körper, sondern häufig auch grossflächige Sponsorenwände, Trikotsponsoren und Aufdrucke. Ältere Fotografien verweisen zudem oft auf längst verblasste Markennamen.
Werbung und Sport haben eine langjährige Beziehungsgeschichte. Es war aber nicht etwa Liebe auf den ersten Blick, sondern eine zögerliche Annäherung mit vielen Turbulenzen. Die Verbindung geht bis ins 19. Jahrhundert zurück: Bereits bei den ersten modernen Olympischen Spielen unterstützte das amerikanische Unternehmen Kodak die Sommerspiele in Athen von 1896. Ein gelungener Schachzug, denn die Symbiose von Fotografie und Sport war gerade am Entstehen. Vier Jahre später in Stockholm wurden bereits Werbeverträge über mehrere Millionen unterzeichnet.
Grossflächige Werbung blieb an Sportwettbewerben aber noch länger aus. Aber mit Kodak begann die enge Anbindung der Produktwerbung an die Sportwelt. Ob Ovomaltine im Ski- oder Velosport als Getränk zur Leistungssteigerung, Kameras oder Uhrenwerbung aufgrund der Zeitmessung: Die Produkte wiesen stets einen zumindest indirekten Bezug zum ausgeübten Sport auf.
Auch in den Printmedien, besonders in den neu gegründeten Sportzeitungen, findet sich bereits früh Werbung mit Sportbezug, für Velos, Fussbälle, Tennisschläger oder sportspezifische Kleidung.
Mit dem Durchbruch von Sportübertragungen im TV-Zeitalter und der Vergabe von Übertragungsrechten ab 1960 kam es zu einem eigentlichen Werbe- und Medienboom, der kaum mehr zu stoppen war. Was anfänglich zu einem Beziehungschaos zwischen Sport und Werbewelt führte, sollte später zu einer engen symbiotischen Zweckehe werden. Die bewegten Bilder transportierten mehr Firmennamen und Sponsoren unkontrolliert in die Wohnstuben und dies in einem Ausmass, das davor nie möglich war.
Doch die öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten sahen diese neue Bilderflut gar nicht gerne. Denn so konnte indirekt Werbung am damals noch mehrheitlich werbefreien Fernsehen gemacht werden. Sowohl in der Schweiz wie in vielen anderen europäischen Staaten herrschte noch ein striktes Werbeverbot bei Sportübertragungen im Fernsehen.
1976 war das Jahr des grossen Streits um die Werbung im Schweizer Fussball. Agfa, vermutlich eher zufällig erneut ein Film- und Kamerahersteller, fungiert als erster Trikotsponsor des FC Zürich. Edi Naegeli, Tabakhändler, umtriebiger Geschäftsmann und Präsident des Vereins, schloss einen ersten Werbevertrag mit der nach 1945 aus der umstrittenen IG-Farben herausgeschälten deutsch-belgischen Firma. Die blaue, bisweilen rote Raute mit unverkennbarem Schriftzug prangte auf den weissen Trikots des Stadtclubs.
Für die SRG war die Übertragung von (Schleich)-Werbung jedoch unerwünscht. Daher wurden Matches oder Zusammenfassungen des damals amtierenden Schweizermeisters FC Zürich nicht mehr gezeigt. Ein harter Kampf schien angebrochen. Die monetären Verlockungen wogen jedoch stärker, der FCZ entfernte die Werbung nicht, andere Vereine wie der FC Basel, YB und Lausanne zogen in der gleichen Saison nach. Und bald schon gab das Schweizer Fernsehen auf. Praktisch alle Schweizer Fussballvereine schmückten sich nun mit Werbung auf der Brust. Einzig die Grasshoppers blieben lange standhaft. Der noble Klub hatte es schlicht nicht nötig.
Trikotwerbung, Sponsoring, Bandenwerbung fanden somit dank oder wegen der Fernsehübertragungen ihren Durchbruch. War es früher noch gang und gäbe, dass auch für Zigaretten und Alkohol Werbung gemacht wurde und eine Art Wildwuchs herrschte, so wurde dieser Markt zunehmend reguliert, aus gesundheitspolitischen Gründen und wegen des Jugendschutzes. Gleichwohl sieht man in einem Stadion permanent Werbung für Bier, wenn auch ganz klein irgendwo noch «alkoholfrei» steht.
Werbung, ob auf Trikots oder Banden, muss bis heute von den Verbänden abgesegnet werden. Geschieht dies nicht, kommt das zuweilen teuer, beispielsweise wenn die UEFA den Werbeaufdruck bei europäischen Clubwettbewerben zu gross findet. Oder wenn schlicht keine Genehmigung vorhanden ist: Als der FCZ Abstimmungskampf für den immer noch ausstehenden Stadionneubau machte, und die Spieler mit aufgedrucktem «JA zum Stadion» aufliefen, büsste die Disziplinarkommission der Swiss Football League den FC Zürich nachträglich mit 20'000 Franken. Der Klub hatte es versäumt, die Werbung auf der Spielerausrüstung rechtzeitig bewilligen zu lassen.
Werbung im Sport ist essentiell für die Vereine, für Einzelsportlerinnen und -sportler und mittlerweile auch für die Verbände. Nicht nur die kultigen Käsetrikots des Schweizer Skiteams oder die SKA-Mützen bleiben da in Erinnerung. Individuen werden zunehmend zu vermarktbaren Plakatwänden und Ikonen. Was sich bereits mit Bernhard Russi, später Cristiano Ronaldo und bis vor Kurzem mit Roger Federer im TV-Zeitalter anbahnte, wurde durch die Social Media-Kanäle nochmals verstärkt.
Doch auch in der Welt der Sportwerbung besteht ein Geschlechterunterschied. Wenn gegenwärtig die Schweizer Fussballerin Alisha Lehmann für Produkte wirbt, sehen das über 13 Millionen Follower. Das sind mehr als Federer oder Shaqiri zusammen; gleichwohl bekommt sie vom Verband bei Spielen des Nationalteams weniger als die männlichen Kollegen. Diese und weitere Schräglagen und Abhängigkeiten sind historisch allerdings noch schlecht untersucht.
Trikotaufdrucke und Bandenwerbung sind immer auch Zeichen der Zeit, emblematisch für ein Zusammenspiel zweier Partner. Sie sind zudem häufig ungewollte Hilfsmittel für sporthistorisch interessierte Menschen und die Forschung, um Sammlerstücke oder Fotografien datieren und in einen entsprechenden Kontext einordnen zu können. Oder wer weiss noch, wann der FC St. Gallen für Hundefutter geworben oder der FC Luzern mit «Siehe LNN» auf der Brust aufgelaufen ist?