Wissen
Sport

Sport und Werbung: Eine Leidens- und Liebesgeschichte

Sport und Werbung. Das passt manchmal zusammen, manchmal nicht, ist aber fast immer emotional. Werbung für die Zeitung «Sport» aus den 1980er-Jahren.
Sport und Werbung. Das passt manchmal zusammen, manchmal nicht, ist aber fast immer emotional. Werbung für die Zeitung «Sport» aus den 1980er-Jahren.Bild: Schweizerisches Nationalmuseum

Sport und Werbung: Eine Leidens- und Liebesgeschichte

Heute geht es im Sport vor allem ums Geld. Das war nicht immer so, aber Geld regiert die (Sport-)Welt schon sehr lange ...
02.07.2023, 17:47
Michael Jucker / Schweizerisches Nationalmuseum
Mehr «Wissen»

Ob für Fluggesellschaften aus Asien, chinesische Finanzprodukte, Online-Versandhäuser oder klebrige Süssgetränke: Heutzutage ist Sport ohne Werbung kaum mehr vorstellbar. Sportfotografien, TV-Aufnahmen und Sportkleidung transportieren Sponsorennamen millionenfach. Mit Instagram und Tiktok hat sich die Werbeflut nochmals massiv erhöht. Die Umsätze, die durch Werbung erzielt werden, sind enorm und dies seit Jahren.

Hier bloggt das Schweizerische Nationalmuseum
Mehrmals wöchentlich spannende Storys zur Geschichte der Schweiz: Die Themenpalette reicht von den alten Römern über Auswandererfamilien bis hin zu den Anfängen des Frauenfussballs.
blog.nationalmuseum.ch

Betrachtet man heute eine Fotografie aus dem Spitzensport, kommt man kaum umhin, auch die Trikotaufdrucke, die Bandenwerbung, die Helm- oder Hosensponsoren oder Zielbanner wahrzunehmen. Ja, das Auge hat sich an diese visuelle Dauerberieselung gewöhnt. Wir sind gewissermassen geschult worden, die Werbung unbewusst auszublenden. Unsere Augen erkennen zudem mittlerweile rasch, wenn es sich um Fotografien aus dem Amateursport oder ältere Aufnahmen handelt. Dort fehlen nicht nur vollständig durchtrainierte Körper, sondern häufig auch grossflächige Sponsorenwände, Trikotsponsoren und Aufdrucke. Ältere Fotografien verweisen zudem oft auf längst verblasste Markennamen.

Fussballspiel Aarau gegen Servette, April 1985.
https://permalink.nationalmuseum.ch/101319977
Fussballspiel Aarau gegen Servette, April 1985.Bild: Schweizerisches Nationalmuseum / ASL

Werbung und Sport haben eine langjährige Beziehungsgeschichte. Es war aber nicht etwa Liebe auf den ersten Blick, sondern eine zögerliche Annäherung mit vielen Turbulenzen. Die Verbindung geht bis ins 19. Jahrhundert zurück: Bereits bei den ersten modernen Olympischen Spielen unterstützte das amerikanische Unternehmen Kodak die Sommerspiele in Athen von 1896. Ein gelungener Schachzug, denn die Symbiose von Fotografie und Sport war gerade am Entstehen. Vier Jahre später in Stockholm wurden bereits Werbeverträge über mehrere Millionen unterzeichnet.

Grossflächige Werbung blieb an Sportwettbewerben aber noch länger aus. Aber mit Kodak begann die enge Anbindung der Produktwerbung an die Sportwelt. Ob Ovomaltine im Ski- oder Velosport als Getränk zur Leistungssteigerung, Kameras oder Uhrenwerbung aufgrund der Zeitmessung: Die Produkte wiesen stets einen zumindest indirekten Bezug zum ausgeübten Sport auf.

Radrennfahrer André Brulé «schwört» auf Ovomaltine. Bild der Tour de Suisse von 1949.
https://permalink.nationalmuseum.ch/100820508
Radrennfahrer André Brulé «schwört» auf Ovomaltine. Bild der Tour de Suisse von 1949.Bild: Schweizerisches Nationalmuseum / ASL

Auch in den Printmedien, besonders in den neu gegründeten Sportzeitungen, findet sich bereits früh Werbung mit Sportbezug, für Velos, Fussbälle, Tennisschläger oder sportspezifische Kleidung.

Anzeigeseite aus dem Schweizer Sportblatt, März 1898.
https://www.e-periodica.ch/digbib/view?pid=spo-001%3A1898%3A1%3A%3A30#29
Anzeigeseite aus dem Schweizer Sportblatt, März 1898.Bild: e-periodica

Mit dem Durchbruch von Sportübertragungen im TV-Zeitalter und der Vergabe von Übertragungsrechten ab 1960 kam es zu einem eigentlichen Werbe- und Medienboom, der kaum mehr zu stoppen war. Was anfänglich zu einem Beziehungschaos zwischen Sport und Werbewelt führte, sollte später zu einer engen symbiotischen Zweckehe werden. Die bewegten Bilder transportierten mehr Firmennamen und Sponsoren unkontrolliert in die Wohnstuben und dies in einem Ausmass, das davor nie möglich war.

Doch die öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten sahen diese neue Bilderflut gar nicht gerne. Denn so konnte indirekt Werbung am damals noch mehrheitlich werbefreien Fernsehen gemacht werden. Sowohl in der Schweiz wie in vielen anderen europäischen Staaten herrschte noch ein striktes Werbeverbot bei Sportübertragungen im Fernsehen.

Der FC Zürich war 1976 der erste Schweizer Fussballverein, der Werbung auf seine Trikots platzierte.
https://www.fcz.ch/pages/museum
Der FC Zürich war 1976 der erste Schweizer Fussballverein, der Werbung auf seine Trikots platzierte.Bild: FCZ Museum

1976 war das Jahr des grossen Streits um die Werbung im Schweizer Fussball. Agfa, vermutlich eher zufällig erneut ein Film- und Kamerahersteller, fungiert als erster Trikotsponsor des FC Zürich. Edi Naegeli, Tabakhändler, umtriebiger Geschäftsmann und Präsident des Vereins, schloss einen ersten Werbevertrag mit der nach 1945 aus der umstrittenen IG-Farben herausgeschälten deutsch-belgischen Firma. Die blaue, bisweilen rote Raute mit unverkennbarem Schriftzug prangte auf den weissen Trikots des Stadtclubs.

Jetzt abonnieren!

Nationalmuseum

Für die SRG war die Übertragung von (Schleich)-Werbung jedoch unerwünscht. Daher wurden Matches oder Zusammenfassungen des damals amtierenden Schweizermeisters FC Zürich nicht mehr gezeigt. Ein harter Kampf schien angebrochen. Die monetären Verlockungen wogen jedoch stärker, der FCZ entfernte die Werbung nicht, andere Vereine wie der FC Basel, YB und Lausanne zogen in der gleichen Saison nach. Und bald schon gab das Schweizer Fernsehen auf. Praktisch alle Schweizer Fussballvereine schmückten sich nun mit Werbung auf der Brust. Einzig die Grasshoppers blieben lange standhaft. Der noble Klub hatte es schlicht nicht nötig.

Trikotwerbung, Sponsoring, Bandenwerbung fanden somit dank oder wegen der Fernsehübertragungen ihren Durchbruch. War es früher noch gang und gäbe, dass auch für Zigaretten und Alkohol Werbung gemacht wurde und eine Art Wildwuchs herrschte, so wurde dieser Markt zunehmend reguliert, aus gesundheitspolitischen Gründen und wegen des Jugendschutzes. Gleichwohl sieht man in einem Stadion permanent Werbung für Bier, wenn auch ganz klein irgendwo noch «alkoholfrei» steht.

Werbung, ob auf Trikots oder Banden, muss bis heute von den Verbänden abgesegnet werden. Geschieht dies nicht, kommt das zuweilen teuer, beispielsweise wenn die UEFA den Werbeaufdruck bei europäischen Clubwettbewerben zu gross findet. Oder wenn schlicht keine Genehmigung vorhanden ist: Als der FCZ Abstimmungskampf für den immer noch ausstehenden Stadionneubau machte, und die Spieler mit aufgedrucktem «JA zum Stadion» aufliefen, büsste die Disziplinarkommission der Swiss Football League den FC Zürich nachträglich mit 20'000 Franken. Der Klub hatte es versäumt, die Werbung auf der Spielerausrüstung rechtzeitig bewilligen zu lassen.

Kampfbetontes Spiel beim Cupfinal in Bern. Der FC Zuerich gewinnt am 23. April 1973 den Cupfinal im Wankdorf-Stadion in Bern gegen den FC Basel, in orangen Leibchen, nach Verlaengerung mit 2 zu 0 Tore ...
Stumpen und ...Bild: PHOTOPRESS-ARCHIV
Harter Einsatz im Cupfinal des Basler Verteidigers Siegenthaler, Nummer 5, gegen den Zuercher Stuermer Fritz Kuenzli, waehrend sich der Basler Goalie Marcel Kunz, links, um den Ball kuemmert. Der FC Z ...
... Whiskey: So sah die Werbung beim Cupfinal 1973 zwischen dem FC Zürich und dem FC Basel aus.Bild: PHOTOPRESS-ARCHIV

Werbung im Sport ist essentiell für die Vereine, für Einzelsportlerinnen und -sportler und mittlerweile auch für die Verbände. Nicht nur die kultigen Käsetrikots des Schweizer Skiteams oder die SKA-Mützen bleiben da in Erinnerung. Individuen werden zunehmend zu vermarktbaren Plakatwänden und Ikonen. Was sich bereits mit Bernhard Russi, später Cristiano Ronaldo und bis vor Kurzem mit Roger Federer im TV-Zeitalter anbahnte, wurde durch die Social Media-Kanäle nochmals verstärkt.

Doch auch in der Welt der Sportwerbung besteht ein Geschlechterunterschied. Wenn gegenwärtig die Schweizer Fussballerin Alisha Lehmann für Produkte wirbt, sehen das über 13 Millionen Follower. Das sind mehr als Federer oder Shaqiri zusammen; gleichwohl bekommt sie vom Verband bei Spielen des Nationalteams weniger als die männlichen Kollegen. Diese und weitere Schräglagen und Abhängigkeiten sind historisch allerdings noch schlecht untersucht.

ARCHIV --- Die Schweizer Ski-Cracks Paul Accola (links) und Franz Heinzer bei der Praesentation der neuen Dresses im Kaese-Look (aufgenommen am 28. September 1992). Als Nachfolger der Kaesunion wird a ...
Das Skidress der Schweizer Nationalmannschaft von 1992 bis 1998.Bild: KEYSTONE

Trikotaufdrucke und Bandenwerbung sind immer auch Zeichen der Zeit, emblematisch für ein Zusammenspiel zweier Partner. Sie sind zudem häufig ungewollte Hilfsmittel für sporthistorisch interessierte Menschen und die Forschung, um Sammlerstücke oder Fotografien datieren und in einen entsprechenden Kontext einordnen zu können. Oder wer weiss noch, wann der FC St. Gallen für Hundefutter geworben oder der FC Luzern mit «Siehe LNN» auf der Brust aufgelaufen ist?

Swiss Sports History

Swiss Sports History, Logo
Dieser Text ist in Zusammenarbeit mit Swiss Sports History, dem Portal zur Schweizer Sportgeschichte, entstanden. Die Plattform bietet schulische Vermittlung sowie Informationen für Medien, Forschende und die breite Öffentlichkeit. Weitere Informationen finden Sie unter sportshistory.ch.
>>> Weitere historische Artikel auf: blog.nationalmuseum.ch
watson übernimmt in loser Folge ausgesuchte Perlen aus dem Blog des Nationalmuseums. Der Beitrag «Sport und Werbung: Eine Leidens- und Liebesgeschichte» erschien am 27. Juni.
blog.nationalmuseum.ch/2023/06/sportsponsoring

Bier-Reklame wirbt für Toleranz und Offenheit

Video: Angelina Graf
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Komm, Kind, hol mir Zigis – 21 Werbungen, die heute undenkbar wären
1 / 23
Komm, Kind, hol mir Zigis – 21 Werbungen, die heute undenkbar wären
Nicht nur in Coca-Cola hatte es früher Kokain drin – auch gegen Zahnweh soll es helfen.
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Gibt's bald keine Zigi-Werbung mehr? 100 Erklärsekunden zum Tabakwerbeverbot
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
0 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Zirkus Gottéron – oder wenn eine Million zu Hause bleibt
Gottéron sorgt mit «Schillerfalter-Hockey» auch auswärts für beste Unterhaltung. Wie es sich für einen Zirkus gehört. Der Ernst des Lebens beginnt ja erst nächste Saison. Nur Yannick Rathgeb darf kein «Schillerfalter-Hockey» spielen.

Aus dem Schneider und in den Playoffs ist Gottéron noch lange nicht. Die Reserve auf den zweitletzten Platz beträgt bloss 2 Punkte. Das ist eine enttäuschende sportliche Referenz. Die Mannschaft ist gut genug für eine Klassierung in der Spitzengruppe. Aber wenn ein Sportunternehmen nicht von Siegen allein lebt, dann Gottéron. Alle Heimspiele sind auch diese Saison ausverkauft und geht die Mannschaft auf Tour, dann wird auch das Publikum auswärts meistens bestens unterhalten. So wie es sich für einen Zirkus gehört.

Zur Story