Auf den ersten Blick entspricht hier nichts dem Bild, das wir uns gemeinhin von einem Roboter machen: Das Gerät, das Wissenschaftler um Allison Okamura von der Stanford University entwickelt haben, erinnert an einen Wurm. Auch Bezeichnungen wie «mechanische Pflanze» werden dem ungewöhnlichen Konzept dieses Roboters eher gerecht.
Tatsächlich wirken die Bewegungen des Roboters organisch. Vorbild der wurmartigen Konstruktion – sie besteht im Wesentlichen aus einem weichen Kunststoffschlauch – ist die Natur: «Bestimmte Zellen und Organismen erkunden ihre Umgebungen nicht durch Fortbewegung, sondern durch Wachstum», heisst es in der Studie, die im Fachblatt «Science Robotics» publiziert wurde. Beispiele dafür sind Kletterpflanzen oder Nervenzellen.
Für den Wurmbot gäbe es eine Vielzahl von möglichen Anwendungen: Mit seiner Hilfe könnte man beispielsweise in verschlossenen Wohnungen Gashähne zudrehen, nach einem Erdbeben Verschüttete versorgen oder gar befreien, eine Behelfs-Antenne errichten oder Brände löschen. In einer Miniversion wäre auch ein Wurmbot denkbar, der als Katheter im Körper eingesetzt wird.
Die merkwürdige Apparatur besteht aus einem Basisteil mit Luftpumpe, Steuerventilen und dem auf eine Spule gewundenen Schlauch aus Polyethylen. Der eigentliche Wurmbot ist dann der aufgeblasene Schlauch: Wenn Luft hineingepumpt wird, stülpt sich das Material an der Spitze des Schlauchs um und wird nach aussen und vorn getrieben – der Wurm wächst. Es entsteht eine Art langer, flexibler Luftballon, der bis zu 72 Meter Länge erreichen kann.
Dabei bewegt sich jeweils nur die Spitze – der Rest des Schlauchs bleibt an Ort. Deshalb ist die Reibung minim und der Wurmbot kann so auch klebrige Oberflächen überwinden. Je höher der Druck ist, mit dem die Luft in den Schlauch gepresst wird, desto schneller bewegt sich die Spitze. Um sie zurückzuholen, wird Luft aus dem Schlauch abgepumpt.
Der Wurmbot kann sich nicht nur nach vorn oder zurück bewegen; er lässt sich auch seitlich steuern. Dies geschieht über kleine Luftkammern an der Seite des Schlauchs: Wenn rechts mehr Luft hineingepumpt wird, bewegt sich die Spitze nach links und umgekehrt. Zur Fixierung einer bestimmten gekrümmten Position dienen kleine Metallhaken, die in diesen Luftkammern angebracht sind und einrasten können.
Auf diese unorthodoxe Weise kann der Roboter äusserst verschiedenartige Hindernisse überwinden oder umgehen. Und das mit einer flotten Geschwindigkeit von bis zu 36 Kilometern pro Stunde. Weil er sich auch durch verwinkelte Gänge schlängeln und durch enge Ritzen quetschen kann, gelangt er zudem an extrem unzugängliche Orte.
(dhr)