Therapiepferde können lernen, ihren eigenen Stress zu kommunizieren. Das zeigt eine Pilotstudie österreichischer und Schweizer Forscherinnen und Therapeutinnen. Wie sie im Fachjournal «Human-Animal Interactions» berichten, setzten die Pferde nach mehrmonatigem Training Schnauben als Veto- und Kooperationssignal ein – die Therapeuten konnten entsprechend reagieren. Die Tiere waren dadurch deutlich entspannter.
Allein im deutschsprachigen Raum nehmen der Studie zufolge mehr als 1'600 Pferde an verschiedenen therapeutischen Programmen teil. Studien über pferdegestützte Therapie hätten sich bisher vor allem auf deren Effekte auf Patienten und Patientinnen konzentriert. Nur in wenigen Arbeiten seien Auswirkungen auf die Pferde selbst untersucht worden bzw. fehlen Untersuchungen zu konkreten Methoden, um Pferde im therapeutischen Setting optimal zu begleiten, schreiben Karin Hediger von der Universität Basel (Schweiz) und Anna Naber, Magdalena Völk und Roswitha Zink vom Therapiezentrum «Lichtblickhof» in der Publikation.
«Schon bisher haben wir in der Therapiesituation versucht, Vetosignale zu etablieren, damit die Pferde signalisieren können 'Stopp, das ist mir jetzt zu viel'», erklärte die klinische Psychologin Anna Naber, die am «Lichtblickhof» als Equotherapeutin tätig ist. Zudem würden die Therapeuten laufend die teilweise subtile Körpersprache der Tiere beobachten. «In der Therapiesituation muss ich mich aber auf das Kind einlassen, das Umfeld im Auge behalten und auch noch das Pferd beobachten – das sind so viele Faktoren, dass es durchaus passieren kann, ein Vetosignal zu übersehen», so Naber.
Auf der Suche nach einem sicheren und deutlich wahrnehmbaren Vetosignal sind Roswitha Zink und ihr Team auf das Schnauben gekommen – eine der vielen akustischen Ausdrucksmöglichkeiten der Pferde, die damit üblicherweise Entspannung signalisieren. An der Pilotstudie nahmen 20 Pferde vom «Lichtblickhof» und die Therapeuten, die üblicherweise mit den jeweiligen Tieren arbeiten, teil.
Die Pferde umfassten eine Vielzahl von Rassen, waren verschieden alt und hatten unterschiedliche Vorerfahrung in der Therapie. Über sechs Monate nahmen sie einmal pro Woche an einer Trainingseinheit teil, wo ihnen mittels positiver Verstärkung beigebracht wurde, Schnauben als Strategie in der Kommunikation mit Menschen anzuwenden – die Expertinnen nennen es «Schnaubkorrespondenz» («Audible Exhale Communication»).
Sobald die Pferde das Konzept verstanden hatten, ein Veto einlegen zu können, wofür jedes Tier unterschiedlich lange gebraucht hat, beschäftigten sie sich eifrig mit dem neu erworbenen Werkzeug. Sie setzten es nicht nur im Training, sondern auch in anderen herausfordernden Situationen ein, schreiben die Expertinnen in der Arbeit. «Die Pferde schnaubten nach den sechs Monaten Training viel öfter, weil sie gemerkt haben, dass ihnen das physiologisch gut tut und sie auf eine Situation Einfluss nehmen können», so Naber.
Den Beobachtungen der Therapeuten zufolge wiesen die Tiere weniger Stresssignale auf und zeigten mehr positive Emotionen und Anzeichen von Entspannung. Zudem half das tiefe Ausatmen bei chronischen Atemwegserkrankungen. (saw/sda/apa)