Der neue Tesla begeistert die Kritiker und
hatte mehr als 400'000 Kunden, bevor er überhaupt auf dem Markt war. Ist das
der Anfang einer Revolution in der Autoindustrie?
Stephen Jones: Es ist nicht mehr zu
leugnen, dass wir eine massive strukturelle Veränderung dieser Industrie
erleben, einer Industrie, die sich während rund 100 Jahren kaum verändert hat.
Ja, Tesla ist, was man heute einen Disrupter nennt, und hat die gleiche Wirkung
wie etwa Amazon im Detailhandel.
Kritiker von Tesla wenden ein: Es ist etwas
ganz anderes, ein paar Luxusmodelle herzustellen, als in der
Massenproduktion zu bestehen. Tatsächlich verspricht Elon Musk gelegentlich ein
bisschen mehr, als er einhalten kann. Wird er die Herausforderung der
Produktion meistern?
Er geht sicher an die
Grenzen, und die Kritiker wünschen sich sehnlich, dass er dabei scheitert. Aber
wenn man bedenkt, was Musk bisher erreicht hat, dann ist es wahrscheinlich
keine gute Idee, gegen ihn zu wetten. Er ist nicht nur ein genialer Ingenieur,
es gelingt ihm auch immer wieder, genügend Geld für seine Projekte
aufzutreiben.
Wo liegt die grösste Herausforderung für Tesla?
Bei den Batterien und
der Massenproduktion. Wenn es gelingt, genügend zuverlässige Batterien zu
produzieren, dann ist das die halbe Miete.
Was ist mit politischen Widerständen? Präsident
Trump ist nicht wirklich ein Freund von nachhaltigen Energien und Musk hat
seine Beraterfunktion für ihn niedergelegt, weil Trump aus dem Pariser
Klimaabkommen austreten will.
Solange der Tesla in
den USA hergestellt wird, sehe ich keine grossen Probleme. Auch Trump wird mit
Elektroautos leben können. Er interessiert sich ja mehr dafür, wie elektrischer
Strom produziert wird – deshalb seine Begeisterung für Kohle –, als dafür, wie
er verwendet wird. Zudem ist Tesla ein machtvolles Symbol für die Überlegenheit
von amerikanischer Technologie.
Warum sind gerade die konservativen Amerikaner
gegenüber Musk skeptisch und nicht stolz?
Wahrscheinlich ist es
Nostalgie. Die traditionelle Autoindustrie ist nach wie vor ein Symbol von
Grösse, von gut bezahlten Jobs auch für einfache Arbeiter. Tesla wird daher als
Bedrohung wahrgenommen und als Symbol einer neuen digitalen Wirtschaftsordnung,
die alles auf den Kopf stellen wird.
China macht Ernst und will Elektroautos massiv
fördern, schon ab 2019. In Indien dürfen spätestens ab 2030 keine Autos mehr
mit Verbrennungsmotoren hergestellt werden, Grossbritannien und Frankreich
haben dieses Ziel für 2040 in Aussicht gestellt. Was bedeutet das für die
traditionelle Autoindustrie?
Es ist äusserst
gefährlich für sie, vor allem für die Europäer. Sie haben zu lange auf Diesel
gesetzt und einige können auch heute noch keine wettbewerbsfähigen Hybridmodelle
anbieten. Die Japaner sind diesbezüglich weit voraus. Nun macht Tesla den
Europäern auch im Premiumbereich das Leben schwer.
VW, BMW, Mercedes & Co. überschlagen sich
doch förmlich mit neuen Modellen von Elektroautos?
Sie beherrschen jedoch
die neuen Herstellungsmethoden dieser Autos noch nicht. Und das neu entstehende Transportsystem der
digitalen Welt kommt ihnen nicht entgegen.
Was meinen Sie konkret?
Die Menschen passen
sich sehr schnell den neuen Umständen an. Vergessen wir nicht: Das iPhone ist
erst zehn Jahre alt – und hat alles verändert. Auch das Elektroauto wird die
Industrie verändern. Dazu kommt, dass stets neue Player in diesem Markt
auftauchen. Soeben hat der englische Staubsaugererfinder Dyson bekannt gegeben,
dass er künftig ebenfalls Elektroautos herstellen will.
Wird auch die Entwicklung der Infrastruktur
mithalten können?
Diese Frage
beschäftigt mich als Investor ganz speziell. Was wird beispielsweise mit den
Tankstellen passieren? Werden sie wertvoller oder überflüssig werden? Der sich
abzeichnende Strukturwandel in der Autoindustrie wird sehr viele Chancen
schaffen, die erst auf den zweiten Blick sichtbar werden. Es ist wie seinerzeit
beim Goldschürfen. Die Verkäufer von Schaufeln und Bluejeans wurden reicher als
die Goldgräber.
Als Investor kaufen Sie daher nicht mehr
Tesla-Papiere, weil die ohnehin überbewertet sind, sondern halten Ausschau nach
Aktien, die von der Tesla-Revolution profitieren werden?
Ja, ich gebe Ihnen
ein Beispiel: In Elektroautos wird die Beleuchtung sehr wichtig sein. Daher
interessiere ich mich für Hersteller von sehr effizienten Glühbirnen. Oder es
wird eine Explosion von Kameras in diesen Autos geben, vor allem, wenn sie auch noch selbstgelenkt sind. Wer wird diesen Markt beherrschen?
Wird die Tesla-Revolution auch die Politik
beeinflussen?
Aber sicher.
Treibstoff-Steuern sind eine wichtige Einnahmequelle für alle Staaten geworden.
Was wird geschehen, wenn sie nur noch spärlich oder gar nicht mehr fliessen?
Und wenn die Autos dereinst von Robotern produziert werden. Erheben wir dann
Steuern auf Roboter?
Werden wir überhaupt genügend Strom haben, um
diese Autos zu betreiben?
Wir Europäer bilden
uns ein, wir seien sehr umweltbewusst, wenn wir auf Elektroautos setzen. Doch
seien wir ehrlich: Ohne Atomstrom wird es nicht gehen. Die erneuerbaren
Energien allein werden es nicht richten.
Wie wird die Welt aussehen, wenn die
Tesla-Revolution dereinst vollendet ist?
Es wird weniger Autos
geben, und sie werden geteilt werden. Benzin- und Dieselautos werden nicht
vollständig verschwinden, aber sie werden irgendwie altmodisch wirken. Unser
gesamtes Transportsystem wird umgekrempelt werden, denken Sie an ultraschnelle
Transportmittel oder Drohnen.
Wer wird der Motor dieser Revolution sein?
China möchte es gerne
sein, doch ich glaube nicht, dass es den unternehmerischen Geist dazu
aufbringen wird. Europa müsste es sein, weil es am stärksten auf Ökologie
setzt. Doch letztlich werden es die Vereinigten Staaten richten. Die Amerikaner
haben das Kapital und die notwendige unternehmerische Risikokultur.