Der Kampf gegen den Hunger, lange eine Erfolgsgeschichte, musste in den vergangenen Jahren eine Reihe von Rückschlägen verzeichnen. Die hauptsächlichen Ursachen für die erneute weltweite Zunahme der Anzahl von Hungernden und Mangelernährten liegen in der Lebensmittelpreiskrise der Jahre 2007 und 2008 und – in jüngerer Vergangenheit – in den Folgen der Covid-19-Pandemie und dem Krieg in der Ukraine, der Kornkammer Europas. Immer mehr wirken sich zudem die Folgen des Klimawandels negativ auf die Ernährungslage aus.
Die aktuellen Zahlen zum Hunger sind schockierend: Der letzte Bericht der UNO-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) meldet für das Jahr 2022 zwischen 691 und 783 Millionen Menschen, die mit Hunger konfrontiert waren – ein Anstieg um 122 Millionen im Vergleich zu 2019, also vor der Covid-19-Pandemie. 333 Millionen Menschen leben 2023 in akuter Ernährungsunsicherheit in den 78 Ländern, in denen das UNO-Welternährungsprogramm (WFP) tätig ist. Knapp 50 Millionen Menschen stehen am Rande des Hungertodes. 45 Millionen Kinder sind von akuter Unterernährung betroffen, Tendenz steigend.
Hunger und Mangelernährung treffen die Geschlechter unterschiedlich hart: Frauen sind oft die Ersten, die hungern. Wenn es nicht mehr genug für alle zu essen gibt, schränken meist sie ihren Nahrungskonsum ein, damit die restliche Familie genug bekommt. Ihr Anteil an den von Unterernährung Betroffenen wurde schon vor der Pandemie auf 60 Prozent geschätzt.
Im Jahr 2021 waren gut 126 Millionen Frauen mehr als Männer von Ernährungsunsicherheit betroffen – und dies gilt nur für Erwachsene. Bezieht man Kinder mit ein, könnten es laut Schätzungen weltweit sogar bis zu 150 Millionen mehr Mädchen und Frauen als Männer geben, die sich nicht ausreichend ernähren können. Insgesamt werden laut WFP rund 1,4 Milliarden Frauen und Mädchen nicht angemessen mit Nährstoffen versorgt. Dies gilt insbesondere für ländliche Gebiete.
Patriarchale Strukturen und traditionelle Rollenbilder, die das Zusammenleben besonders in vielen Gesellschaften des Globalen Südens prägen, tragen zur Diskriminierung von Frauen im Ernährungssystem bei. Oft haben Frauen nur über Männer Zugang zu Land, Wasser, Saatgut, Technologie, Bildung und Krediten. Weltweit sind rund 90 Prozent der Ackerflächen im Besitz von Männern.
Nur 15 Prozent der Landbesitzer sind Frauen, doch sie stellen rund 43 Prozent der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte. So leisten etwa in Kamerun Frauen mehr als 75 Prozent der Landarbeit, besitzen aber nur 10 Prozent der Anbaufläche. Das bedeutet, dass Frauen überwiegend auf Land arbeiten, das ihnen nicht gehört oder über das sie keine Entscheidungshoheit innehaben. Diese Zustände werden über patriarchal geprägtes Erbrecht auch auf die nächste Generation übertragen, was die Emanzipation der Frauen langfristig erschwert.
Auch diskriminierende Rollenbilder innerhalb von Dorfgemeinschaften benachteiligen Frauen – so ist es oft Tradition, dass Frauen und Mädchen erst dann essen dürfen, wenn alle männlichen Familienmitglieder satt sind. Dahinter steckt mitunter die Vorstellung, dass Männer härter arbeiten und daher mehr Nährstoffe benötigen würden. Das stimmt jedoch nicht, denn Frauen haben beispielsweise einen höheren Eisenbedarf als Männer, besonders während der Schwangerschaft und der Stillzeit. Sie übernehmen überdies – vornehmlich in ländlichen Regionen des Globalen Südens – umfangreiche Aufgaben. Darunter fallen neben Kinderversorgung und Haushaltsführung mitunter auch schwere körperliche Arbeit in der Landwirtschaft und manchmal auch Erwerbsarbeit. Dies umso mehr, als krisenhafte Ereignisse zu verstärkter Migration von männlichen Familienmitgliedern führen.
Patriarchal geprägte Vorstellungen beeinflussen im Übrigen nicht selten auch die Verteilung von Hilfsgeldern: Bevorteilt werden traditionell die Männer, da die Unterstützung oftmals an kommerziell betriebene Landwirtschaftsbetriebe geht, während Frauen, die ihre Familien mittels kleinräumiger Subsistenzwirtschaft ernähren, leer ausgehen.
Eine Daten-Analyse der Nichtregierungsorganisation CARE von 109 Ländern hat eine deutliche negative Korrelation zwischen Geschlechter-Ungleichheit und Ernährungssicherheit festgestellt: Die Länder, in denen die grösste Ungleichheit zwischen Männern und Frauen herrscht, sind auch die Länder, in denen der Hunger am schlimmsten ist. Zu den Staaten mit den höchsten Werten gehören der Jemen, Sierra Leone und der Tschad.
Die Ungleichheit spielt etwa eine Rolle dabei, wer Lebensmittel wie produziert und wie sie konsumiert werden. Vor allem der Zugang zu – und die Kontrolle über – Ressourcen wie Land, Wasser, Vieh, Saatgut und Düngemittel entscheidet in hohem Masse darüber, ob die Ernährung gesichert ist. Genau dies bleibt der Mehrheit der Frauen in den ärmsten Ländern verwehrt; sie haben kaum Zugang zu Landbesitz, Finanzmitteln und sind von Entscheidungsprozessen ausgeschlossen.
Korrelation ist zwar nicht Kausalität. Doch der belegte starke Zusammenhang zwischen Geschlechter-Ungleichheit und Hunger lässt gleichwohl den Schluss zu, dass die Verbesserung der Stellung von Frauen die Ernährungssicherheit positiv beeinflussen kann. Verschiedene Studien zeigen, dass dies tatsächlich der Fall ist. So zeigte sich etwa im westafrikanischen Staat Elfenbeinküste, dass eine Produktionssteigerung um 10 Prozent in Kulturen, die von Frauen kontrolliert wurden, zu einem Anstieg des Lebensmittelkonsums in den Haushalten von 2 Prozent führte. Kontrollierten hingegen Männer den Anbau, führte dieselbe Produktionssteigerung von 10 Prozent lediglich zu einem Anstieg um 0,6 Prozent beim Lebensmittelverbrauch.
Andere Studien kamen zum Schluss, dass Frauen die Erträge ihrer Farmen um bis zu 30 Prozent steigern könnten, wenn sie den gleichen Zugang zu Ressourcen hätten wie Männer. Die gesamte landwirtschaftliche Produktion in den Ländern des Globalen Südens würde nach Schätzungen um bis zu 4 Prozent steigen, wenn Frauen den gleichen Zugang zu produktiven Ressourcen hätten wie Männer. Dies würde die Zahl der Hungernden weltweit um 12 bis 17 Prozent reduzieren. Hinzu kommt, dass Frauen 90 Prozent des erzielten Einkommens für ihre Familie verwenden, während es bei Männern lediglich 30 bis 40 Prozent sind.
Die Erkenntnis, dass die Gleichstellung der Frauen einen zentralen Faktor bei der Bekämpfung des Hungers darstellt, trägt allmählich Früchte. Kenia reserviert etwa seit Längerem ein Drittel seiner Arbeitsbeschaffungsmassnahmen für Frauen. Und Senegal bevorzugt Bäuerinnen beim Ankauf von Getreide für das staatliche Ernährungsprogramm. In Bangladesch haben Programme zur Vergabe von Mikrokrediten an Frauen dazu geführt, dass diese ausreichend Land pachten konnten, um darauf Lebensmittel für ihre Familien anzubauen.
Nach wie vor ist aber die Geschlechter-Ungleichheit besonders in den Ländern des Globalen Südens stark ausgeprägt. Hier liegt ein enormes Potenzial für die Verbesserung der Ernährungssicherheit weltweit. Die Gleichstellung der Frauen ist der Schlüssel dazu.
Im Gegenteil, wo immer es geht muss man solchen Humbug unterbinden.
Beispiele?
Beschneidungen, Zwangsheirat, Kopftuch etc.
Die Frauen sind da für Ernährungssicherheit. Sie gebären die Kinder, ziehen sie auf.
Was machen dann die Männer die ganze Zeit? Gehen sie auf die Jagd? Was sonst noch?