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Hungerstreik: Zürcher Taxifahrer kämpft gegen Uber

Von Sonntagmorgen bis Montagabend bleibt dieses Taxi vor dem Zürcher Rathaus stehen.
Von Sonntagmorgen bis Montagabend bleibt dieses Taxi vor dem Zürcher Rathaus stehen.
Bild: watson

«Wir haben Angst»: Zürcher Taxifahrer tritt wegen Uber in den Hungerstreik

Mehmet Serifkaya und seine Kollegen kämpfen seit Monaten für strengere Regeln und fairere Bedingungen für Taxifahrer. Nun greift der dreifache Familienvater zu drastischeren Mitteln – und tritt in den Hungerstreik.
13.03.2016, 13:2114.03.2016, 10:45
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Es ist Sonntagmorgen kurz nach neun Uhr. Vor dem Zürcher Rathaus steht ein Taxi, an dessen Frontscheibe bunte Plakate mit Aufschriften wie «Uber zerstört die Lebenskultur von Taxifahrern» kleben. Daneben stehen vier Männer, die – eingepackt in dicken Jacken – miteinander diskutieren.

Einer von ihnen ist Mehmet Serifkaya. Ihm gehört das Taxi, das bis Montagabend keinen Meter mehr fahren wird. Serifkaya steht im Zentrum der Aktion: «Ich werde nichts mehr essen, damit endlich etwas geändert wird.» Seine Kollegen – Mustafa Atsan, Hüseyin Icer und Erdogan Kara – sind hier, um Serifkaya bei seinem Hungerstreik zu unterstützen. In ein paar Stunden werden sie wieder mit dem Taxi unterwegs sein: «Dann kommen andere Kollegen hierher, wir kämpfen alle zusammen», erklärt einer der aufgebrachten Männer.

Mustafa Atsan, Mehmet Serifkaya, Hüseyin Icer und Erdogan Kara am Sonntagmorgen in Zürich.
Mustafa Atsan, Mehmet Serifkaya, Hüseyin Icer und Erdogan Kara am Sonntagmorgen in Zürich.
Bild: watson

Serifkaya fährt nun schon seit knapp zehn Jahren in der Stadt Zürich Taxi – bis vor ein paar Jahren habe man davon gut leben können. «Jetzt geht es uns nicht schlecht, es geht uns sehr schlecht», erklärt der 50-jährige Kurde. Schuld an dieser Situation seien zwei verschiedene Faktoren: einerseits die Landtaxis, die «illegal» in der Stadt Taxi fahren würden, und andererseits Uber. «Die nehmen uns die Kunden weg. Wegen denen müssen wir in Armut leben.»

Um das erste Problem zu lösen, fordern die Taxifahrer strengere Kontrollen: «Die Landtaxis kommen einfach hierher und erledigen Fahrten in der Stadt, obwohl sie dafür keine Lizenz haben. Kontrollieren tut das niemand. Wenn wir aber mit zwei Reifen ausserhalb des Taxi-Parkplatzes stehen, werden wir gleich gebüsst», erklärt Mustafa Atsan sichtlich genervt.

«Für meinen Ausweis musste ich fünf Prüfungen machen und die brauchen das alles nicht.»
Mehmet Serifkaya

Der aus den USA stammende Fahrdienst Uber müsste laut den vier Männern schlicht verboten werden. Serifkaya wedelt mit seinem Taxifahrer-Ausweis in der Luft herum: «Hierfür musste ich fünf Prüfungen machen. Ausserdem bezahle ich jedes Jahr Geld für die Lizenz. Und die kommen hierher, brauchen das alles nicht und machen denselben Job wie ich. Das kann doch nicht sein.»

Um seine Forderungen durchbringen zu können, versucht Serifkaya immer wieder Kontakt zu städtischen Politikern aufzunehmen. So sei es zwar auch schon zu Gesprächen gekommen, am Ende würde er aber immer wieder vertröstet. «Man wolle mich nächste Woche für eine Terminvereinbarung anrufen, sagen sie. Und dann passiert wieder nichts», erklärt der Taxifahrer.

watson hat beim Zürcher Polizeidepartement nachgefragt und folgende Antwort erhalten: «Stadtrat Richard Wolff hat vor einiger Zeit Mitglieder der Taxisektion Zürich zu einer Sitzung eingeladen. Dabei hat er dargelegt, dass die Stadt Zürich weder Uber noch die Limousinen-Services regeln könne», so Kommunikationsleiter Robert Soos. Man habe die Taxifahrer ausserdem darauf hingewiesen, dass der Kanton Zürich zur Zeit dabei sei, ein neues Taxigesetz auszuarbeiten. Man müsse also abwarten, ob Uber darin einer Regelung unterworfen werde.

Uber auch weiterhin in Zürich erlaubt

Doch das wird wohl nicht der Fall sein. Denn das neue Gesetz, das der Regierungsrat mit Beschluss vom 17. Februar 2016 zuhanden des Zürcher Kantonsrates verabschiedet hat, gilt nur für Personenwagen, die als Taxis gekennzeichnet sind. Und damit nicht für Uber.

Doch warum ist das so? «Uber gilt im rechtlichen Sinne als sogenannter Limousinen-Service. Dass Limousinen nicht den Taxivorschriften unterstehen, ist in der ganzen Schweiz – abgesehen von wenigen Ausnahmen – der Normalfall. Aus Sicht des Regierungsrats besteht kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf zur Regelung von Limousinen-Services», erklärt Erich Wenziger von der Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zürich.

Das Zürcher Taxigesetz habe nicht zum Ziel, Uber zu verbieten. Es sei nicht Aufgabe des Gesetzgebers, einen Marktteilnehmer vom Wettbewerb auszuschliessen, weil dadurch das verfassungsmässig geschützte Recht der Wettbewerbsfreiheit beschnitten würde.

Das Geld wird immer knapper

Der Hungerstreik ist für Mehmet Serifkaya die letzte Lösung.
Der Hungerstreik ist für Mehmet Serifkaya die letzte Lösung.
Bild: watson

Zwischen 5000 und 6000 Franken Umsatz muss Mehmet Serifkaya monatlich machen, um alle Rechnungen bezahlen und seine Familie über die Runden bringen zu können. Doch es wird immer schwieriger, dieses Ziel zu erreichen: «Die eine Tür von meinem Taxi ist kaputt. Aber ich kann sie nicht reparieren lassen, weil ich das Geld nicht habe», erzählt der Kurde. Ferien mache er schon längst keine mehr. Stattdessen schicke er seine Frau und seine drei Kinder in die Heimat – er selbst bleibe in der Zeit hier, um weiter Geld zu verdienen.

«Wir haben alle Angst, dass das Geld irgendwann gar nicht mehr reicht, wir stehen dauernd unter einem immensen Druck», erzählt der verzweifelte Vater. Zum Sozialamt zu gehen, ist für ihn keine Option. Stattdessen will er kämpfen. Und sein Hungerstreik sei erst der Anfang: «Ich bleibe bis morgen Nachmittag, 17 Uhr, hier. Anschliessend werden weitere Aktionen folgen. Und wenn sich dann immer noch nichts tut, werde ich heute in einer Woche zur gleichen Zeit wieder hier stehen und weiterkämpfen.»

Auch in Paris herrscht Unmut: Taxifahrer demolieren Uber-Autos

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Taxifahrer demolieren Uber-Autos in Paris
Die Bilder von einer Anti-Uber-Demo in Paris erinnern an Strassenschlachten.
quelle: x00217 / charles platiau
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107 Kommentare
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Hackphresse
13.03.2016 15:49registriert Juli 2014
Erstens: Statt einer gefühlten Million Taxizentralen im Kanton reicht auch eine. Langt für Manhattan schliesslich auch. Zweitens dann noch die horrenden Gebühren an die Zentrale für die Fahrer abschaffen---> preise sinken auf erträgliches Niveau und Uber würde von allein verschwinden!
Aber solange der Filz filzt fahre ich Uber!
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Darkside
13.03.2016 13:50registriert April 2014
Wirklich? Ein zweitägiger 'Hungerstreik'? Ich bin schwer beeindruckt.
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kamedron
13.03.2016 15:20registriert Dezember 2015
Ganz einfach: Weil ihr, liebes Taxigewerbe, es verpennt habt. C' mon nicht motzen- handeln!
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