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Gleichstellung: Bundesrat will grössere Unternehmen verpflichten, Löhne zu analysieren

200 Millionen für die digitale Bildungsoffensive – Bundesrat stellt Aktionsplan vor

05.07.2017, 13:3309.07.2017, 11:53
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Der Bundesrat will die digitalen Kompetenzen in Bildung und Forschung unterstützen. Er hat am Mittwoch einen Aktionsplan von Volkswirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann mit diesem Ziel abgesegnet. Wie viel Geld dafür zur Verfügung steht, ist noch unklar.

Schneider-Ammann sprach von rund 200 Millionen Franken, die in den Jahren 2019 und 2020 für eine digitale Bildungsoffensive eingesetzt werden sollen. Der Betrag würde nach seinen Abgaben zu zwei Dritteln aus bestehenden Krediten, Reserven oder durch Kompensationen gedeckt.

Über die zusätzlichen Mittel will der Bundesrat im Herbst entscheiden. Zuvor will er laut Schneider-Ammann eine Gesamtschau vornehmen, die auch die Strategie zum Schutz vor Cyberrisiken, den Zusatzbedarf für die Integrationsagenda und die Weiterbildung von Geringqualifizierten umfasst.

Wohin die zusätzlichen Millionen konkret fliessen, steht noch nicht fest. In einigen Bereichen des Aktionsplans ist der Bund ohnehin nur beschränkt zuständig. Die Verbesserung der digitalen Kompetenzen von Schülern und Lehrern zum Beispiel ist weitgehend in der Kompetenz der Kantone.

Der Aktionsplan sieht weiter vor, das Bildungssystem den Anforderungen des Marktes anzupassen. Konkret sollen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) zusätzlich gefördert werden.

Der grösste Teil der zusätzlichen Mittel dürfte aber in den Hochschulbereich fliessen. An der ETH sollen 25 neue Professuren im Bereich Informatik und Computing Science geschaffen werden, wie Schneider-Ammann ankündigte. Weiter soll eine Serie Nationaler Forschungsprogramme lanciert und ein Impulsprogramm «Fertigungstechnologien» lanciert werden.

Die Digitalisierung sei entscheidend, sagte Schneider-Ammann. Wer jetzt den Einstieg finde, habe für die Zukunft vorgesorgt. Darum sei der Bundesrat bereit zu investieren. Grundlage ist der im Januar verabschiedete «Bericht über die zentralen Rahmenbedingungen für die digitale Wirtschaft». (sda)

Bundesrat warnt vor SVP-Initiative «Schweizer Recht statt fremde Richter»

Justizministerin Simonetta Sommaruga hat am Mittwoch dargelegt, weshalb der Bundesrat die Selbstbestimmungsinitiative der SVP ablehnt. Diese gefährde die Stabilität und Verlässlichkeit der Schweiz, sagte sie – und zog Parallelen zur Masseneinwanderungsinitiative.

Die SVP will mit der Initiative «Schweizer Recht statt fremde Richter» (Selbstbestimmungsinitiative) festlegen, dass die Bundesverfassung gegenüber dem Völkerrecht Vorrang hat – unter Vorbehalt von zwingenden Bestimmungen.

Völkerrechtliche Verträge, die der Verfassung widersprechen, müsste die Schweiz neu verhandeln und nötigenfalls kündigen. Für das Bundesgericht sollen zudem nur noch völkerrechtliche Verträge massgebend sein, die dem Referendum unterstanden.

Das trifft zum Beispiel auf die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) nicht zu. Dass die EMRK deshalb nicht mehr massgebend wäre, steht allerdings nicht fest, weil die materiellen Garantien der EMRK in die Bundesverfassung übernommen wurden und Zusatzprotokolle dem Referendum unterstanden. Es handelt sich nicht um die einzige Unsicherheit.

Mehr Unklarheit statt Klärung

Die Selbstbestimmungsinitiative verspreche eine Klärung des Verhältnisses zwischen Schweizer Recht und völkerrechtlichen Verträgen, könne diesen Anspruch jedoch nicht einlösen, schreibt der Bundesrat in seiner Botschaft ans Parlament. Die vielen Unklarheiten und Unstimmigkeiten hätten bei einem Ja zur Folge, dass wichtige Fragen von den Gerichten zu entscheiden wären.

Offen sei etwa, wann ein Widerspruch vorliege und wer das entscheide, sagte Sommaruga. Was «nötigenfalls» bedeute, sei auch alles andere als klar: «Soll der Bundesrat einen Vertrag nach drei, fünf oder zehn Jahren erfolglosem Verhandeln kündigen? Soll er das auch dann tun, wenn es für die Schweiz nachteilig ist?» Diese Fragen würden bei einem Ja zu einem endlosen Hickhack führen, sagte Sommaruga – und erinnerte an die Masseneinwanderungsinitiative.

Vorwurf der absichtlichen Unklarheit

Auch bei dieser hätten sich die Initianten vor einer klaren Aussage gedrückt und nicht die Kündigung der Personenfreizügigkeit verlangt. Sie seien vage geblieben, um am Ende für nichts Verantwortung übernehmen zu müssen. Diese «Verwedelungstaktik» wollten sie nun in der Bundesverfassung verankern. «Das will der Bundesrat vermeiden», sagte die Justizministerin.

Klar ist für den Bundesrat, dass die Schweiz sich mit der Annahme der Initiative gewissermassen zum Vertragsbruch ermächtigen würde. Ein Ja zur Initiative würde die internationalen Verpflichtungen der Schweiz fortwährend infrage stellen und die Verlässlichkeit und Stabilität der Schweiz gefährden, schreibt er. Verlässlichkeit gehöre aber zur DNA der Schweiz, befand Sommaruga.

Warnung vor Gegenmassnahmen

Aus Sicht des Bundesrates könnte es für die Schweiz auch schwieriger werden, Abkommen abzuschliessen. Heute existierten rund 4000 solcher Verträge, sagte Sommaruga. «Wer schon vor der Hochzeit von Scheidung spricht, ist als Partner nicht sonderlich attraktiv.» Die Schweiz könnte zudem für die Nichterfüllung eines Vertrags zur Verantwortung gezogen werden. Der Bundesrat warnt vor Gegenmassnahmen.

Für die Schweiz wäre es zudem schwierig, von ihren Partnern die Erfüllung von Verträgen einzufordern, wenn sie selbst sich vorbehalte, von manchen Verträgen abzuweichen, gibt der Bundesrat zu bedenken. Wo es aber an verbindlichen Regeln fehle, drohe das Recht des Stärkeren. Als Kleinstaat habe die Schweiz ein besonderes Interesse an der Einhaltung völkerrechtlicher Verpflichtungen.

Ausschluss aus dem Europarat

Eine Annahme der Initiative könnte laut dem Bundesrat ferner dazu führen, dass die Schweiz Bestimmungen der EMRK andauernd und systematisch nicht mehr anwenden könnte. Auf lange Sicht könnte die Schweiz deshalb aus dem Europarat ausgeschlossen werden, was einer Kündigung der EMRK gleichkomme.

Europarat und EMRK seien wichtige Instrumente zur Förderung von Rechtsstaat, Demokratie, Sicherheit und Frieden in ganz Europa, schreibt der Bundesrat. «Daran hat die Schweiz ein existenzielles Interesse.» Sommaruga sagte, die Frage der EMRK-Kündigung würde sich eher früher als später stellen. Das wäre auch für die Bürgerinnen und Bürger ein Rückschlag, denn die EMRK schütze deren Freiheit.

Pragmatische Lösungen

Schliesslich argumentiert der Bundesrat, die Initiative schade dem Unternehmensstandort und schränke den Handlungsspielraum von Bundesrat und Parlament bei der Umsetzung von Verfassungsbestimmungen ein, die mit dem Völkerrecht kollidierten.

Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht sei nicht spannungsfrei, räumt der Bundesrat ein. Dass das Rangverhältnis nicht klar geregelt sei, könne freilich auch als Vorteil angesehen werden. Es ermögliche pragmatische und breit abgestützte Lösungen. Die Initiative würde solche ausschliessen.

Zusammenfassend stellt der Bundesrat in der Botschaft fest, er könne die Initiative weder im Ansatz noch in ihren Lösungsvorschlägen unterstützen und beantrage dem Parlament deshalb, sie ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung zu empfehlen. «Die Initiative löst keine Probleme, beschert uns aber viele neue», bilanzierte Sommaruga. Das Stimmvolk wird frühestens nächstes Jahr entscheiden. 

Bundesraetin Simonetta Sommaruga, Vorsteherin Eidgenoessisches Justiz und Polizeidepartement spricht waehrend eine Diskussionsveranstaltung ueber "ein PACS fuer die Schweiz?", am Donnerstag, ...
Bild: KEYSTONE

Diskussion über Pflicht zu Lohnanalysen geht nun ins Parlament

Wie angekündigt hält der Bundesrat an seinem Plan fest, gesetzlich gegen Lohndiskriminierung vorzugehen. Trotz Kritik in der Vernehmlassung will er grössere Unternehmen verpflichten, regelmässig die Löhne zu analysieren. Nun ist der Gesetzgeber am Zug.

Am Mittwoch hat der Bundesrat seine Botschaft an das Parlament mit der entsprechenden Änderung des Gleichstellungsgesetzes verabschiedet. In den wesentlichen Punkten ist die Regierung bei ihren ursprünglichen Vorschlägen geblieben.

Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitenden sollen demnach verpflichtet werden, alle vier Jahre eine Lohnanalyse durchzuführen. Diese Pflicht soll sowohl für den privaten als auch für den öffentlichen Sektor gelten. Betroffen wären zwar nur 2 Prozent aller Unternehmen – dafür 54 Prozent der Angestellten in der Schweiz.

Für die Analyse will der Bund ein Standard-Analysemodell sowie ein kostenloses Instrument zur Verfügung stellen. Die Unternehmen können aber auch eine andere Methode verwenden. Voraussetzung ist, dass sie wissenschaftlich anerkannt und rechtskonform ist.

Die Analyse muss danach extern überprüft werden. Die Kontrolle können die Unternehmen wahlweise einem Revisionsunternehmen, anerkannten Lohngleichheitsexperten oder den Sozialpartnern übertragen. In der Vernehmlassung hatte der Bundesrat vorgeschlagen, auch staatlich anerkannte Selbstregulierungsorganisationen für die Prüfung zuzulassen. Darauf verzichtet er nun.

Informationspflicht

Anschliessend müssten die Arbeitgeber die Angestellten über das Ergebnis der Kontrolle und das Ausmass einer allfälligen Lohndiskriminierung informieren. Diese Informationspflicht soll für das Unternehmen einen Anreiz schaffen, Unstimmigkeiten zu korrigieren.

Eine «Lohnpolizei» im Sinne staatlicher Kontrollen und Sanktionen ist jedoch nicht geplant: Der Bundesrat setzt darauf, dass Unternehmen die Löhne anpassen, wenn die Ungleichheit sichtbar wird. Nach harscher Kritik in der Vernehmlassung verzichtet er auch auf die Einführung einer öffentlich zugänglichen «Schwarzen Liste» mit säumigen Arbeitgebern oder einer Meldepflicht an eine staatliche Stelle.

7000 Franken im Jahr

Der Bundesrat hatte Ende 2015 angekündigt, mit einer Änderung des Gleichstellungsgesetzes gegen die Lohndiskriminierung vorgehen zu wollen. Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern sei seit 36 Jahren in der Verfassung verankert, aber noch immer nicht umgesetzt worden, rief Bundesrätin Simonetta Sommaruga am Mittwoch in Erinnerung.

Noch immer verdienen Frauen für gleichwertige Arbeit weniger als Männer. Der nicht erklärbare Lohnunterschied betrage derzeit 7,4 Prozent, was rund 7000 Franken pro Jahr entspreche. Freiwillige Massnahmen wie der Lohngleichheitsdialog hätten leider nicht zum gewünschten Erfolg geführt.

Thema polarisiert

Nun muss sich zeigen, ob die Vorlage im Parlament eine Mehrheit findet. Vor den Medien in Bern sagte die Justizministerin am Mittwoch, sie könne sich nicht vorstellen, dass die Lohnungleichheit einer Mehrheit im Parlament gleichgültig sei.

In der Vernehmlassung hatten die vom Bundesrat vorgeschlagenen Massnahmen stark polarisiert. Begrüsst wurden sie von der Hälfte der Kantone, der SP, den Grünen, der GLP und den Arbeitnehmerorganisationen. Allerdings hätten sich diese Sanktionen gewünscht.

Gegen eine Regulierung stellten sich die andere Hälfte der Kantone, SVP, FDP, CVP und BDP sowie die Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände. Die Kritiker warnen vor administrativem Aufwand und Kosten für die Unternehmen.

Dazu sagte Sommaruga, auch Lohndiskriminierung habe ihren Preis. 

Bundesrat Alain Berset spricht anlaesslich einer Medienkonferenz ueber die Aenderung des Bundesgesetzes ueber die Krankenversicherung, am Mittwoch, 5. Juli 2017, im Medienzentrum des Bundeshauses in B ...
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Bundesrat schlägt Alternativen zum Ärzte-Zulassungsstopp vor

Der Bundesrat will den Vertragszwang in der medizinischen Grundversorgung nicht lockern. Er hat andere Pläne, um die Zahl der zugelassenen Ärzte unter Kontrolle zu halten. Unter anderem setzt er auf Qualität und Ausbildung.

Höhere Anforderungen an die Ausbildung und an Sprachkenntnisse treten schon nächstes Jahr in Kraft. Damit werde das Qualitätsniveau der medizinischen Leistungen angehoben, schreibt der Bundesrat in einer Mitteilung zur Vernehmlassungsvorlage, die er am Mittwoch verabschiedet hat.

Zusätzliche Qualitätskriterien

An die Leistungen werden aber auch direkt höhere Anforderungen gestellt. Dazu will der Bundesrat zusätzliche Qualitätskriterien ins Gesetz aufnehmen. Diese sollen für alle Ärztinnen und Ärzte verbindlich sein, die zu Lasten der Grundversicherung abrechnen wollen. Die Leistungserbringer müssten sich beispielsweise an Programmen zur Verbesserung der Leistungsqualität, an Fehlermeldesystemen oder an der Datenlieferung beteiligen.

Schliesslich will der Bundesrat den Kantonen zusätzliche Kompetenzen geben: Statt des Bundes sollen künftig sie die Höchstzahl der pro medizinischem Fachgebiet zugelassenen Ärztinnen und Ärzte festlegen können. Dabei sollen sie auch den Beschäftigungsgrad berücksichtigen, da immer mehr Mediziner Teilzeit arbeiten.

Diese Regeln sollen den bis Juni 2019 geltenden Zulassungsstopp ablösen. Schon früher verworfen hat der Bundesrat die Lockerung des Vertragszwangs sowie differenzierte Tarife. (sda)

Simonetta Sommaruga auf der Flüchtlingsinsel Lesbos

Video: srf
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16 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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who cares?
05.07.2017 15:49registriert November 2014
Richtig so! Diese Initative zielt nur darauf ab, Wahlkampf zu betreiben, weil sich ein Teil der SVP-Anhänger daran stört, dass der EMGR (übrigens keine EU-Institution auch wenn das der typische rechte Hetzer gerne behauptet) sich in einer sehr geringen Prozentzahl der da vorgebrachten Fälle gegen den Entscheid des Bundesgerichts stellt. Deswegen muss man nicht gleich die Position der Schweiz im internationalen Verhandlungsumfeld schwächen. Die Schweiz als Vertragsbrecher, das gefällt den Souveränitätsjünger. Es gibt subtilere Instrumente, unbequemes VR zu umgehen. Belassen wir es bei diesen.
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Reto32
05.07.2017 15:55registriert Juni 2017
Eine Warnung sollte nicht nötig sein. Wer sich im 21. Jahrhundert immer noch nach Bedürfnisse des 13. Jahrhundert instruiert, hat ca. 700 Jahre menschlicher Entwicklung verpasst
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