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Kommentar

So funktioniert das bürgerliche Powerplay im Bundeshaus

Das neue Präsidenten-Trio: Gerhard Pfister (CVP), Albert Rösti (SVP) und Petra Gössi (FDP).
Das neue Präsidenten-Trio: Gerhard Pfister (CVP), Albert Rösti (SVP) und Petra Gössi (FDP).
Bild: KEYSTONE
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Alles für die Bauern, nix für die Papis – so funktioniert das bürgerliche Powerplay

Die Bürgerlichen haben im Nationalrat gezeigt, wo der Hammer hängt: Sie verhätscheln die Bauern und fahren bei sozialen Themen eine harte Linie. Und die Linke läuft davon.
28.04.2016, 15:4401.05.2016, 12:05
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Die bürgerliche Mehrheit im Parlament lässt seit den Wahlen ihre Muskeln spielen. So hiess es in einem Text, der am Montag an dieser Stelle erschienen ist. Nur zwei Tage später folgte der Tatbeweis. Während sich die Schweiz über den «Eklat» von Roger Köppel und die nicht sonderlich souveräne Reaktion von Bundesrätin Simonetta Sommaruga echauffierte, fällte der Nationalrat zwei Beschlüsse, die aufzeigen, wohin die Reise in der Legislatur gehen soll.

Erst versenkten SVP und FDP eine parlamentarische Initiative für einen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub. Eine im Vergleich mit dem Ausland moderate Forderung, sie hätte knapp 200 Millionen Franken pro Jahr beansprucht. Am Nachmittag folgte der nächste Streich: Die Bauern müssen auf Grundstückgewinne keine Bundessteuer mehr entrichten. Der Bundeskasse entgehen rund 400 Millionen Franken – doppelt so viel, wie der Vaterschaftsurlaub kosten würde.

Alles für die Bauern und nix für die Papis. Eine zukunftsgerichtete Politik sieht anders aus. Die Landwirtschaft leistet einen vergleichsweise geringen Beitrag zur Wertschöpfung der Schweiz. Umgekehrt wollen sich die Väter nach der Geburt vermehrt um ihre Kinder kümmern. Ein Vaterschaftsurlaub fördert ihre Motivation und ihre Loyalität zum Arbeitgeber. Immer mehr Firmen sehen das ein, aber noch längst nicht alle. Und häufig gibt es nur wenige Tage frei.

Eine moderate Bundeslösung wäre der richtige Weg. Die Bürgerlichen im Parlament aber sorgen sich mehr um die Bauern. Diese sind ohnehin ihre Lieblingshätschelkinder. Nur in Norwegen und Japan werden sie vom Staat noch grosszügiger unterstützt als in der Schweiz. Und es darf immer noch ein bisschen mehr sein. Im Bundesbudget 2016 ist die Landwirtschaft der einzige Bereich, in dem nicht gespart wurde. Sie erhielt im Gegenteil 92,8 Millionen Franken mehr budgetiert.

Die harte Linie beim Vaterschaftsurlaub hingegen hat Methode. Das Stimmvolk soll langsam «weichgeklopft» werden für einschneidende Massnahmen bei den Sozialwerken: ein höheres Rentenalter und die Senkung des Umwandlungssatzes bei den Pensionskassen. Für SVP und FDP hat beides Priorität, sie wollen bei der Reform der Altersvorsorge vor allem sparen. Der zuständige Sozialminister Alain Berset hat sich bereits warnend zu Wort gemeldet.

Linke ohne Konzept

Von einem bürgerlichen Schulterschluss kann man bei den beiden Vorlagen nicht sprechen. Der Vaterschaftsurlaub wurde von der CVP lanciert. Die wiederum den Bauern im Verbund mit SVP, BDP und einigen Freisinnigen zum Erfolg verhalf, während die Mehrheit der FDP Nein sagte. Besser wird die Sache damit nicht, im Gegenteil. Die drei grossen bürgerlichen Parteien müssen nicht immer geschlossen auftreten, um ihren Anliegen zum Durchbruch zu verhelfen.

Roger Köppels provokatives Votum.
YouTube/Pro Rechtsstaat

Dies müsste die Linke aufwecken. Doch sie unterstrich ihre Hilflosigkeit, als sie bei Roger Köppels Attacke auf Sommaruga gemeinsam mit der Bundesrätin den Saal verliess. Eine menschlich verständliche, aber wenig durchdachte Reaktion. Es war absehbar, dass Köppel den «Weltwoche»-Stil – maximale Provokation und voll auf den Mann oder die Frau – ins Bundeshaus tragen würde. Während seines Votums freute er sich sichtlich diebisch über die Empörung auf der linken Ratsseite. Und seit dem «Eklat» lässt er keine Gelegenheit aus, um nachzutreten.

Muss es das Volk richten?

Wenn die Linke keine brauchbare Gegenstrategie entwickeln kann, muss man wohl auf die Stimmberechtigten vertrauen. Ihr Einfluss wirkt auch indirekt. Das zeigte sich ebenfalls am Mittwoch, als der Nationalrat mit grossem Mehr 300 Millionen Franken für ehemalige Verdingkinder locker machte. Motiviert wurde er weniger durch Mitgefühl als durch die Angst vor der eingereichten Volksinitiative. Niemand will in einem Abstimmungskampf gegen diese Prügelkinder der Gesellschaft antreten.

Beim Vaterschaftsurlaub könnte eine ähnliche Dynamik entstehen. Der Gewerkschaftsverband Travail.Suisse kündigte nach dem Nein das Nationalrats eine Volksinitiative für einen vierwöchigen Urlaub an. Die Forderung dürfte potenziell mehrheitsfähig sein. Am Dienstag wurde zudem die Volksinitiative «Für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung» lanciert. Auch dies ein Anliegen, das von den Bürgerlichen seit Jahr und Tag abgeblockt wird.

Dieses Vorhaben ist ebenfalls nicht chancenlos. In nur 24 Stunden seien bereits 5000 Unterschriften eingegangen, vermeldeten die Initianten stolz auf Twitter. Vielleicht spielt am Ende der gleiche Mechanismus wie in der Legislaturperiode 2003-2007. Schon damals versuchten sich die (Rechts-)Bürgerlichen am neoliberalen Umbau des Staates. Sie holten sich an der Urne mit einem überrissenen Steuerpaket und der 11. AHV-Revision eine blutige Nase.

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133 Kommentare
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Gleiser
28.04.2016 17:17registriert November 2015
Immer für freie Märkte propagieren und dann die Bauern besser behandeln als alle anderen?!
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Matthias Studer
28.04.2016 16:28registriert Februar 2014
Mit anderen Worten, die "Sparparteien" schaffen es, in etwa 2 Wochen ca. 4,6 Milliarden Franken zu verschenken.
Ich will nur noch wissen, wie sie das den Linken in die Schuhe schieben wollen.
Naja, ich werde die nächsten 3,5 Jahre überleben. Bis dann haben die Rechten alles heruntergewirtschaftet was es gibt.
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Tornado
28.04.2016 16:00registriert Januar 2015
Ich bin auch nach 2 Tagen noch spachlos, dass man einfach so auf 400 Mio Steuereinnahmen verzichtet die notabene praktisch keinem weh tut, da es eh geschenktes Geld ist. Um diese 400Mio wieder einzutreiben muss jeder Erwerbstätige Fr 80.- mehr berappen. Tönt nicht nach viel, trotzdem ein Grund sich dagegen aufzulehen.
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