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Gesellschaft & Politik

Bundesratsaspirant Christian Lüscher attackiert Tagi-Journalisten à la Trump

FDP-Star attackiert Journalisten: «Sie sind, was Ospel den Banken war – eine Schande»

«Freundliches Lächeln, eiskalter Blick»: Christian LüscherBild: KEYSTONE
Bundesratsaspirant Christian Lüscher hat nach einem kritischen Artikel im «Tages-Anzeiger» einen Journalisten in Trump-Manier beschimpft. watson liegt der ganze Mail-Verlauf vor. Lüscher bereut nichts.
04.07.2017, 07:4904.07.2017, 16:56
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Seitdem Bundesrat Didier Burkhalter seinen Rücktritt bekanntgegeben hat, wird er als möglicher Nachfolger gehandelt: Christian Lüscher, 53, FDP-Vize und Genfer Anwalt. 

Am 29. Juni hat der «Tages-Anzeiger» Lüscher ein Porträt mit Titel «Der Gordon Gekko der Wandelhalle nimmt Anlauf» gewidmet. Das darin skizzierte Bild des Politikers ist nicht besonders schmeichelhaft. «Freundliches Lächeln. Eiskalter Blick», so der Einstieg des Textes.

Zur Sprache kommt im Artikel unter anderem Lüschers Verwicklung in einen umstrittenen Deal mit Potentatengeldern des nigerianischen Abacha-Clans. Auch mit der Kasachstan-Affäre wird er in Verbindung gebracht. 

Wie der «Tages-Anzeiger» am Tag nach der Publikation publik machte, reagierte Lüscher mit einem «Wutausbruch» auf den Text. Er habe den Journalisten in einem Mail in trumpesker Manier beschimpft. watson liegt der ganze Mailverlauf vor.

Lange Vorgeschichte

In den E-Mails feindet Lüscher den Redaktor an: «Sie sind dem Journalismus, was Marcel Ospel dem Bankwesen war: eine Schande.» Er müsse ein «vie horrible» haben, ein schreckliches Leben. «Sie wachen mit einem Hass auf jene auf, die es geschafft haben.»

Er sei zudem ein «lâche», ein Feigling, der sich hinter anonymen Quellen verstecke, die wahrscheinlich nicht existierten, schreibt der Politiker weiter. Auch die Grussformel des E-Mails lässt aufhorchen. Lüscher schreibt: «Je vous salue avec la considération que vous méritez.» Zu Deutsch etwa: «Mit den Grüssen, die Sie verdienen.»

Es ist nicht das erste Mal, dass Lüscher und der besagte Journalist aneinander geraten. Bereits in einem E-Mail aus dem Jahr 2015 teilte Lüscher gegen den Redaktor, der damals beim «Blick» tätig war, aus. Lüscher: «Ich gehe davon aus, dass Sie weiterhin totalen Unsinn schreiben werden (...).»

Keine Reue

Lüscher steht zu dem, was er geschrieben hat. Er kritisiert besonders, dass der Journalist ihn nie um eine Stellungnahme gebeten habe. Lüscher: «Ich bereue keine meiner Aussagen und ziehe auch nichts zurück.»

Der «Tages-Anzeiger» hingegen bilanziert in der Samstags-Ausgabe vom 1. Juli spitz: «So stellt man sich einen künftigen Bundesrat vor: ausgewogen, reflektiert, besonnen.» 

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quelle: keystone / anthony anex
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26 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Madison Pierce
04.07.2017 08:03registriert September 2015
Der Artikel (des sonst von mir geschätzten Tages-Anzeigers) ist schon unnötig scharf. Heikle Mandanten sollen thematisiert werden, aber Bezüge auf Äusserlichkeiten sollte man unterlassen ("eiskalter Blick", "Gordon Gekko").

Das gibt Lüscher aber natürlich nicht das Recht, auch beleidigend zu werden.

Nur in einem Punkt bin ich mit ihm einig: "anonyme Informanten" zu zitieren, welche die Meinung des Journalisten stützen, ist schlechter Stil. Zumal es nicht um einfache Bürger geht, sondern um Politiker, die zu ihren Aussagen stehen können sollten.
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RacKu
04.07.2017 08:56registriert Januar 2017
Wenn der auch twittern kann ist er der perfekte BR Kandidat! 🤦‍♂️
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rodolofo
04.07.2017 08:05registriert Februar 2016
Wenigstens hat dieser Lüscher in seinem Gegen-Angriff ein Beispiel genommen, dass exemplarisch auf den "Blutsauger-Mafia-Filz" des Big Business hinweist.
Für ein Mitglied der Filz-Partei par excellence ist ein solches Beispiel allerdings ziemlich kontraproduktiv.
Ein klassisches Eigentor für die Grümpelturnier-Mannschaft "Elite"...
Also gut. Lüscher kommt als Alternative zu Ignacio Cassis nicht in Frage. Wer will's auch noch versuchen?
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