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Die Partie ist ein Klassiker. Der Favorit führt früh 1:0, verpasst die Entscheidung zum 2:0, ist seiner Sache zu sicher – und verliert schliesslich im Penaltyschiessen. Wie aus dem Lehrbuch. Das hat es so schon oft gegeben.
Diese Niederlage der ZSC Lions mahnt ein wenig an den 6. April 1988. Damals verloren die himmelhoch favorisierten Detroit Red Wings den Playoff-Auftakt zu Hause gegen Toronto 2:6. In der Regular Season hatte Detroit 41 Punkte mehr geholt. Am Ende gewannen sie die Serie doch 4:2.
Oder an die SCL Tigers im Frühjahr 2013. Sie gewannen den Playout-Auftakt in Kloten auch 4:3 nach Penaltys, den Ausgleich zum 3:3 hatten die Flyers auch, wie gestern die ZSC Lions, erst in der 57. Minute erzielt. Aber die Langnauer verloren die Serie 1:4 und stiegen am Ende gar ab.
Der Sieg der Berner ändert vorerst noch nichts an der Favoritenrolle der ZSC Lions. Die Überlegenheit der Zürcher war zu offensichtlich (46:30 Schüsse).
Aber was, wenn die ZSC Lions ihre spielerischen Vorteile am Ende doch nicht zum Weiterkommen nützen können? Nun, dann ist es ein Sieg für die Schweizer Trainer. Für unsere Hockeykultur. Fürs Geschichtsbuch. Wenn Marc Crawford dieses Duell gegen Lars Leuenberger verliert, dann ist er, ungeachtet aller Verdienste, ungeachtet seines Stanley Cups, seines Titels mit den ZSC Lions von 2014, seiner drei Qualifikationssiege in Serie, ein – excusez l’expression – Clown.
Ein erfahrener NHL-General muss dazu in der Lage sein, mit einer spielerisch so überlegenen Mannschaft, wie die ZSC Lions es sind, eine Playoffserie gegen den SC Bern zu gewinnen. Ist er dazu nicht in der Lage, dann hat er auf der ganzen Linie versagt.
Oder wird es mildernde Umstände geben? Macht am Ende der Torhüter die Differenz? Das hätte zwar eine gewisse Logik. Jakub Stepanek ist tschechischer Nationalgoalie mit WM-Meriten und er war auch in der KHL zeitweise ein Titan. So gesehen wäre es keine Überraschung, wenn sich seine Mannschaft in dieser Serie durchsetzt. Denn im ZSC-Tor steht Niklas Schlegel (19). Er hat weder Länderspiel-, noch WM-, noch NLA-Playofff-Erfahrung.
Aber als Ausrede für Marc Crawford taugt der Goalie trotzdem nicht. Oder ist es am Ende der Sportchef? War es fahrlässig, dass ZSC-Sportchef Edgar Salis keinen ausländischen Goalie zur Absicherung verpflichtet hat? Nein. Seine Mannschaft ist gut genug, um auch mit Niklas Schlegel den Halbfinal zu erreichen.
Oder darf Marc Crawford darauf verweisen, dass Auston Matthews ja noch ein Junior ist? Dass Playoffs halt immer noch Männersache sind? Nein, auch das kann er nicht. Es wäre angesichts der grossen, gut bezahlten Namen in den Reihen der ZSC Lions gerade absurd, das Scheitern einem 18-jährigen Buben anzulasten.
Playoff-Serien entwickeln eine ganz andere Dynamik als eine Krise während der Qualifikation. Mannschaften können über sich hinauswachsen bis zur Sensation und Titanen schrumpfen bis zum Ausscheiden. Transfers sind nicht mehr möglich und die Spiele folgen so rasch aufeinander, dass nun der Coach zur zentralen Figur wird. Er kann die Emotionen, die Dynamik steuern. Grosse Coaches «spüren» ihre Mannschaft in dieser Extremsituation, beeinflussen Emotionen und Dynamik und gewinnen am Ende doch. Gewöhnliche Coaches verlieren.
Wenn die ZSC Lions diese Serie nicht gewinnen, dann ist Lars Leuenberger ein grosser Coach und der grosse Marc Crawford ein gewöhnlicher Coach.
Das kann er daheim in Nordamerika niemandem erzählen und schon gar nicht erklären: gescheitert gegen Lars, den kleinen Eisbären, den Assistenten von Guy Boucher, den Schweizer Trainer, den Zauberlehrling, den eigentlich niemand so richtig ernst genommen hat.
Nun dürfte wenigstens das, was eine klare Sache schien, doch noch ein Drama werden. Auch für SCB-General Marc Lüthi. Wenn Lars Leuenberger diese Serie gewinnt, dann kann Marc Lüthi ihn nicht dem Verband für die U20-Nationalmannschaft überlassen. Dann muss er den Vertrag verlängern. Und es gibt dann noch eine Frage an Sportchef Alex Chatelain: Wie nur konnte er Timo Helbling, einen der Helden dieser ersten Partie im Hallenstadion, zu den Kloten Flyers ziehen lassen?
Wir dürfen uns auf allerbeste Unterhaltung freuen. Und im Falle eines Scheiterns der ZSC Lions natürlich auf die polemische Berichterstattung über ein heftiges Nachbeben, das unter anderem dazu führen dürfte, dass sich auch Edgar Salis um die Dienste von SCB-Wunschtrainer Kari Jalonen bemühen wird. Ach, wäre das ein Spektakel.
Aber das sind alles haltlose Spekulationen, befeuert durch den einen einzigen, überraschenden Sieg der Berner im Hallenstadion. Es steht erst 1:0 für den SCB. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger.