Über Nacht wurde Louise Schneider schweizweit bekannt. Sogar über die Landesgrenze hinaus sorgten die Bilder und Videos der 86-jährigen Friedensaktivistin für grosse Begeisterung. In krakliger Schrift sprayte sie in Rot den Schriftzug «Geld für Waffen tötet» an die Bauwand bei der Nationalbank in Bern. Kurz darauf verhafteten sie Kantonspolizisten und führten sie ab. Die angetrabte Journalistenschar war begeistert.
Dass die Medienvertreter zur richtigen Zeit am richtigen Ort standen, um das Spektakel des «Sprayer-Grosis» abzufeiern, war kein Zufall. Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) hatte am Vorabend ausgewählten Medien eine Einladung zur Aktion geschickt.
Ihnen ging es jedoch nicht darum, Werbung für das Besprayen von Wänden zu machen, sondern ihre neue Volksinitiative zu lancieren. So wurde zeitgleich mit der sprayenden Louise Schneider am Dienstagmorgen die Unterschriftensammlung auf der Online-Plattform «WeCollect» gestartet. Der Coup war gelungen. Innert 24 Stunden unterschrieben fast 10'000 Personen die Initiative.
Schon vor einem Jahr habe Schneider den Entschluss gefasst, die Bauwand der Nationalbank zu besprayen. Als aber ihr Ehemann Paul einen Herzinfarkt erlitten habe, wollte sie ihm keinen Stress zumuten und wartete mit der Aktion ab.
Weil Schneider im Vorstand der GSoA ist, hätten ihre Kollegen schon seit längerer Zeit von ihrem Vorhaben gewusst. Als feststand, dass im April die neue Initiative lanciert werden soll, war das perfekte Datum für Schneiders Spray-Aktion gefunden. Sebastian Büchler, GSoA-Sekretär, sagt: «Gemeinsam mit Schneider haben wir beschlossen, den Zeitpunkt der Aktion auf unseren Kampagnenstart zu timen.»
Dass daraus ein Medienspektakel werden sollte, war Schneider zuerst nicht bewusst. Sie sagt: «Im ersten Moment war ich ein wenig wütend, als ich erfuhr, dass allen herumerzählt wurde, dass ich an diese Wand sprayen will.» Ginge es nach ihr, hätte dies nicht an die Medien gehen müssen. «Ich hätte es so oder so gemacht. Auch ohne Journalisten und Kameras in einer Nacht-und-Nebel-Aktion.»
«Ich habe für Louise einige Journalisten zur Spray-Aktion eingeladen», sagt Lewin Lempert, der sich bei der GSoA um die Pressearbeit kümmert. Die Medienarbeit am Tag selbst habe aber Schneider gemacht und unzählige Interviews gegeben. Am Vortag seien zwei GSoA-Kollegen bei Schneider zu Hause gewesen und hätten mit ihr das Sprayen geübt.
Dass ihre Spray-Aktion medial inszeniert wurde, findet Schneider inzwischen in Ordnung. Schliesslich habe es zuletzt ja der Sache gedient, sagt sie. Und darauf komme es doch an.