«Einsame Soldaten» werden sie auf Hebräisch genannt, weil sie am Wochenende nicht zu ihrer Familie heimkehren können. Gemeint sind ausländische Legionäre in der israelischen Armee. Die meisten von ihnen stammen aus den USA und Russland – und etwa ein Dutzend aus der Schweiz. Diese Zahl findet sich in öffentlich zugänglichen Dokumenten (siehe unten) und wurde watson von einem Sprecher der israelischen Armee bestätigt.
Die Legionäre verpflichten sich für eineinhalb bis drei Jahre, je nach Alter, Geschlecht und Truppengattung. Die Dienstzeit verspricht Abenteuer, denn in Israel sind Kampfeinsätze oder gar Kriege jederzeit möglich. Ein bisschen wie in der französischen Fremdenlegion, mit einem wichtigen Unterschied: Zielgruppe sind nicht klassische Söldner, sondern die jüdische Diaspora, an deren möglicherweise vorhandene Loyalität zum Staat Israel appelliert wird.
Diese Appelle verhallen auch bei uns nicht ungehört: Im einem 2014 erschienenen Dokumentarfilm über die «einsamen Soldaten» wird der Schweizer Oren Giladi porträtiert: «In der Schweiz braucht man mich nicht wirklich», sagt er. Ganz anders in Israel, wo er Menschen verteidige. «Ich habe genau die gleiche Mentalität wie jeder Schweizer, aber mein Charakter wird immer jüdisch und anders sein», so Giladi im Film.
Ähnlich äusserte sich die Schweizerin Fanny Sommer, die ursprünglich fürs Studium nach Jerusalem gekommen war. Nach ihrer Rückkehr in die Schweiz vermisste sie Israel, reiste zurück und trat in die Armee ein. «Für mich ist das ein Weg, etwas zurückzugeben für all die Hilfe, die Israel Einwanderern zukommen lässt», sagte sie 2012 gegenüber einer US-Zeitung.
Militärrechtlich bewegen sich die Schweizer Legionäre auf dünnem Eis. Gemäss Artikel 94 des Militärstrafgesetzes, auch Söldnerartikel genannt, drohen Schweizern, die ohne Erlaubnis des Bundesrates in fremden Militärdienst eintreten, bis zu drei Jahre Gefängnis oder eine Geldstrafe. Da der Artikel zum Ziel hat, die Schweizer Neutralität zu schützen, betrifft er auch die nicht-wehrpflichtigen Schweizerinnen. Doppelbürger, die in ihrer zweiten Heimat Militärdienst leisten und dort auch niedergelassen sind, bleiben hingegen straffrei.
Unklar ist, inwiefern die Doppelbürger-Ausnahme auf die Schweizer in der israelischen Armee anwendbar ist. Das Mahal-Freiwilligen-Programm zum Beispiel ist speziell auf Ausländer jüdischer Abstammung ohne israelische Staatsbürgerschaft ausgerichtet. Von ausländische Aspiranten wird zwar erwartet, dass sie auf ordentlichen Weg («Alija») in Israel einwandern. Hierbei können sie umgehend die israelische Staatsbürgerschaft annehmen, müssen dies aber nicht zwingend tun.
Mit einigen Staaten hat die Schweiz das Thema Doppelbürger und Militärdienst in einem bilateralen Abkommen geregelt. Israel befindet sich nicht darunter. Auf einer inoffiziellen Informationsseite für Mahal-Freiwillige steht in den FAQs die Frage, ob Teilnehmer in ihrem Herkunftsland Ärger bekommen können. Die Antwort fällt eher wage aus:
Klar ist hingegen, dass die Schweizer Militärjustiz die Angelegenheit auf dem Radar hat: «Wir klären derzeit ab, ob betroffene Schweizer unter Artikel 94 des Militärstrafgesetzes fallen», bestätigt Martin Immenhauser, Chef Kommunikation bei der Schweizer Militärjustiz, auf Anfrage. Die Ermittlungen laufen demnach seit einigen Monaten und betreffen mehrere Personen. Mehr wolle man zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen.
Konkret geht es um die mutmasslich paramilitärische Organisation Sar-El, die Ausländer zur Reise nach Israel ermutigt, um dort unbewaffnete Unterstützungsdienste für die Armee zu leisten. Auf deren Website werden neben «Ausflügen an interessante Orte» und «Vorträgen über jüdische und israelische Themen» auch «Arbeiten in einem Zeughaus der israelischen Armee» in Aussicht gestellt.
In ihren jährlichen Statistiken weist die Organisation auch die Schweiz aus. Demnach haben 14 Personen im Jahr 2015 von dem Angebot Gebrauch gemacht. Unter anderem muss die Schweizer Militärjustiz abklären, ob Aktivitäten bei Sar-El einen Militärdienst darstellen. Sollte es zur Anklage kommen, könnte das weitere Kreise ziehen: Gemäss Absatz 3 des Söldnerartikels wird ebenfalls bestraft, wer Schweizer für fremde Militärdienste rekrutiert. Hierunter könnten Mitarbeiter von Sar-El in der Schweiz fallen.
Verfahren gegen Schweizer, die in regulären Einheiten der israelischen Armee dienen, sind bei der Militärjustiz keine hängig. «Wenn wir von solchen Fällen erfahren, würden wir auf jeden Fall aktiv», erklärt Sprecherin Daniela Cueni.
In Grossbritannien tobt derzeit eine heftige Debatte zum selben Thema. Ausgelöst hat sie die konservative Politikerin und Ex-Ministerin Sayeeda Warsi, als sie geltendes britisches Gesetz kritisierte, das fremde Militärdienste für nicht-staatliche Akteure unter Strafe stellt, solche für souveräne Staaten aber zulässt. Demnach sei es legal, wenn Briten für Assad kämpfen, und das dürfe doch nicht sein, so Warsi. Grossbritanniens erste muslimische Ministerin und heutige Abgeordnete des Oberhauses mutmasste in einem Interview über die Gründe für das «Schlupfloch»:
Pro-israelische britische Politiker haben Warsi für diese Aussagen scharf kritisiert. «Wenn sie allen Ernstes behauptet, dass ein Brite, der in der französischen Fremdenlegion oder in der Armee eines engen Verbündeten dient, ein Verräter ist, dann kann sie niemand ernst nehmen», sagte Jonathan Arkush, Präsident der wichtigsten Organisation britischer Juden. Die beiden liefern sich seit Tagen einen Twitter-Krieg.
No Jonathan, if we are British we fight for Britain only. Not Pakistan, India, S Arabia, Israel or anyone other ally. Simple clear message https://t.co/g3KAEHtMwS
— Sayeeda Warsi (@SayeedaWarsi) March 30, 2017